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KONTRA: DAS VERBOT VON BLOOD & HONOUR BESTÄTIGT DIE AKTIVISTENWas verboten ist, macht heiß

Rund 160 „Rechtsrock“-Konzerte wurden 1999 bundesweit bekannt. Mindestens ein Drittel davon organisierten „Blood & Honour“-Sektionen. Innenminister Schily hat nun mit dem größten neonazistischen Musikveranstalter eine Organisation verboten, deren Aktivitäten sich ohnehin seit Jahren weitgehend im „Untergrund“ abspielen.

Bereits ab Herbst 1992 begannen staatliche Organe massiv, vor allem die subkulturellen Aktivitäten der rechten Jugendszenen zu stören. Mehr als 200 Tonträger wurden indiziert, gegen mehr als 40 Musiker juristische Maßnahmen eingeleitet. Doch die Folgen der Repressivmaßnahmen fielen anders aus als erwünscht: Die Indizierungen der Bonner Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften weckten das Interesse „normaler“ jugendlicher Konsumenten. Was verboten ist, macht heiß: Die Indizierungslisten verwandelten sich auf Schulhöfen in Hitlisten; sobald die Indizierung oder auch Beschlagnahme einer Produktion bekannt gegeben wird, laufen überall in der Republik die CD-Brenner heiß; die Auflagen steigen, die Zahl der Konzerte vervierfachte sich seit 1992 – obwohl inzwischen zwei von drei geplanten Rechtsrock-Gigs verboten oder von der Polizei verhindert werden.

Der staatliche Verfolgungsdruck hat den Handel mit rassistischem und rechtsradikalem Liedgut vor allem professionalisiert. Anwälte wurden zu Ersthörern, loteten die Grenzen der Legalität aus und halfen den Bands, ihre Ansichten in eine juristisch schwer angreifbare Sprache zu kleiden.

Rechtsrock-Konzerte sind längst keine Massenereignisse mehr. Dort tummeln sich nicht unbedarfte Schüler und Nachbarkinder, sondern Szene-Insider. Sie dienen der internen Kommunikation der braunen Gemeinde, nicht der Rekrutierung von Außenstehenden. Blood & Honour stand stets für eine Minderheit innerhalb der braunen Subkultur, die für Kompromisslosigkeit und eindeutigere Botschaften eintrat. Ihr Verbot ist für die Aktivisten eher Bestätigung denn Überraschung. Ob das ein Fortschritt ist? KLAUS FARIN

Journalist und Leiter des Archivs der Jugendkulturen, Berlin. 1993 veröffentlichte er (mit E. Seidel) „Skinheads“ (Beck)

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