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Was tun für mehr OrganspendenDen Körper hingeben

Die Zahl der Organspender sinkt. Die Bereitschaft zur Organspende ist aber bei den Menschen selbst nicht gesunken. Woran liegt es dann?

Ein Plakat für Organspende wird abgenommen Foto: dpa

10.000 schwerkranke Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für Spenderorgane. Tausende sterben, weil sie nicht rechtzeitig ein neues Organ bekommen. Für die Wartenden gab es in den vergangenen Tagen schlechte Nachrichten: Die Zahl der SpenderInnen sinkt.

Nach den Statistiken der Deutschen Stiftung Organtransplantation gab es im Jahr 2017 nur 797 Spender. Vor einem Jahrzehnt, 2007, wurden noch 1.313 Organspender gezählt. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 2114 Organe eintransplantiert, aber nur 2004 Organe hierzulande gespendet. Wir sind „Organimporteure“.

Dass die Spenden zurückgehen, liegt allerdings nicht nur am Spendensystem in Deutschland, das die ausdrückliche Zustimmung der Menschen oder ihrer Angehörigen verlangt, nach dem Tode Organe entnehmen zu dürfen. Experten der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) weisen auf die Leistungsverdichtungen an den Kliniken hin, die eine Bereitschaft der Ärzte zur Organentnahme von Verstorbenen mindert. Bei der Organentnahme muss ein Bett auf der Intensivstation, müssen Ärzte vorgehalten werden. Es gibt zwar an Kliniken „Transplantationsbeauftragte“. Aber nur in Bayern sind diese Ärzte für diese Aufgabe freigestellt, von dort werden auch die meisten Spenden gemeldet, stellt die Stiftung fest.

Die Organspendebereitschaft ist aber nicht bei den Menschen selbst gesunken, trotz der vielen kritischen Berichte über Manipulationen bei den Wartelisten und organisatorischen Nachlässigkeiten vor der Organentnahme. 30 Prozent der BürgerInnen hätten inzwischen einen Organspendeausweis, meldete die Stiftung. Die Zahl der SpenderInnen ließe sich erheblich steigern, wenn BundesbürgerInnen nicht ihre Bereitschaft zur Organspende ausdrücklich erklären müssten oder wenn Ärzte in Kliniken nach dem Tode eines Menschen, der keinen Spenderausweis hat, nicht erst die Angehörigen fragen müssten.

„Widerspruchsregister“ in Österreich und Frankreich

„Wir brauchen eine Widerspruchsregelung“, sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der taz. Damit gelten alle BürgerInnen automatisch als potenzielle Organspender – es sei denn, sie haben ausdrücklich ihren Widerspruch dazu erklärt. Am besten, so Lauterbach, wäre eine Datenbank, in der sich Menschen registrieren lassen müssten, die nicht wollten, dass ihre Organe im Falle ihres Todes entnommen werden. In diese Datenbank könnten Ärzte dann schauen und im Falle eines Nichteintrags davon ausgehen, dass der soeben Verstorbene für eine Organspende infrage kommt. In Österreich und Frankreich gibt es schon solche „Widerspruchsregister“.

Experten weisen auch auf die Leistungsverdichtungen an den Kliniken hin

Die Organspende nach einem Unfalltod wäre damit hierzulande fast schon eine Selbstverständlichkeit. Die für alle Beteiligten furchtbare Situation, dass Angehörige unmittelbar nach einer Todesnachricht vom Arzt auch noch nach einer Erlaubnis zur Organentnahme gefragt werden, würde es nicht mehr geben.

Die „Widerspruchsregelung“ stößt jedoch seit Jahren auf Widerstand. Für Kritiker gilt sie als schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, weil der Körper nach einem Unfalltod quasi automatisch als Organlieferant dienen würde, es sei denn, man widerspricht zuvor.

Vielleicht aber hat der Protest gegen die Widerspruchslösung noch einen anderen Grund: Wer sich in das Register der „Neinsager“ eintragen ließe, und das könnte ja komplett datengeschützt geschehen, der müsste sich eingestehen, dass er trotz der Ablehnung der eigenen Spende im Krankheitsfall dennoch selbst gerne ein lebensrettendes Organ empfänge, wenn er oder sie sonst sterben müsste. Man wäre dem eigenen Widerspruch gewissermaßen ausgeliefert. Das mögen viele Leute nicht so gern. Vielleicht steht das Thema auch deshalb auf keiner politischen Tagesordnung.

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