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Was man in Nordfriesland lernen kannMähen und Maden

Haus-und Gartenarbeit wird erst durch technische Hilfsmittel erträglich. Manche aber sollte man sich bitte nicht anschaffen.

Ist er nicht de moderate? Foto: underworld/imago

D iesen Sommer waren wir in Nordfriesland, unterwegs auf einer Linie zwischen Utersum und Süderlugum. Ich war in diesem Urlaub auch zum ersten Mal in Dänemark, einem freundlichen Land, in dessen südlicher Grenzregion fast alle Deutsch sprechen, was insofern gut ist, als mein dänischer Wortschatz sich auf „De Moderate“ beschränkt. Das bedeutet „Die Gemäßigten“ und ist der Name der Partei von Brigitte Nyborg in der großartigen Politserie „Borgen“.

Während ich in Nordfriesland einkaufte, kochte, abspülte, wickelte und Gummigegenstände aufblies – all das bleibt einem gerade auch im Urlaub nicht erspart –, versuchte ich mit meiner Tochter schon mal ganz spielerisch Dänisch zu üben; also alles, was kommunikativ anlag, ausschließlich mit dem Ausdruck „De Moderate“ zu klären, innerhalb einer Spanne von: „Gehst du mit ins Wasser, auch wenn es sehr, sehr weit weg ist, weil schon wieder Ebbe“ („De – Moderate?“), bis hin zu: „Dein kleiner Bruder hat gekotzt, hol mir bitte schnell eine Spuckwindel“ (De Moderate!!).

Wir hatten Spaß, erst mal. Als wir dann allerdings durchs superhübsche Städtchen ­Tondern (dänisch ungefähr „Töner“ ausgesprochen) schlenderten, begann meine Tochter mit allen Menschen „Dänisch“ zu reden. Zum Glück nahmen unsere freundlichen Nachbarn das nicht weiter übel, oder wir verstanden ihr Übelnehmen eben nicht und zahlten als Strafe umgerechnet 7 Euro für einen Hotdog.

Aber die moderate Moral ist halt doch, dass man keine blöden Witze machen soll, auch wenn einen die Hausarbeit vom Erholen abhält, und vor allem nicht in einer Intensität, die sich in kindlichen Gemütern festsetzt. Und klar: Das haben Sie da draußen immer schon gewusst.

Kurz und ordentlich

Reden wir doch zur Abwechslung tatsächlich mal über Sie; ja, Sie, die einen Rasenmähroboter verwenden. In Nordfriesland macht das praktisch jeder. Überall flitzen die Dinger rum und rasieren 24/7 den in dieser privilegierten Gegend noch regelmäßig beregneten Vorgarten kurz und ordentlich wie die mal wieder angesagten Wehrmachtsfrisuren.

Aus der sehr guten Wochenendbeilage des Nordfriesland Tageblatts las ich meiner Tochter die Geschichte einer Tierrettungsstation vor, die Igel mit von den Mähmaschinen gekappten Schnauzen aufnimmt. In die Wunden legen Fliegen ihre Eier, die zu Maden werden, welche die Igel bei lebendigem Leib auffressen; und natürlich habe ich das meiner Tochter nicht vorgelesen, sie liebt Tiere und glaubt noch an die Menschheit.

Aber vielleicht darf ich Sie da draußen, und zwar auch jenseits des satten grünen friesischen Rasens, bitten: Lassen Sie das doch mit dem Mähroboter, bei allem Verständnis für die notwendige Technisierung der Haus- und Gartenarbeit, die es uns dort Malochenden ja erst erlaubt, uns auch zu den geistigen Menschen zu zählen. Halten Sie beim händischen Rasenmähen in der Abendstunde lieber nach einem kleinen süßen Igel Ausschau – vielleicht ja sogar nach dem in Ihnen selbst.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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