Nur putzen und kochen: Mama und Marlene

Wenn die Mutter abgearbeitet ist und nicht mehr rausmag, hilft auch die Ermahnung vom Heiligen Petrus nicht weiter: Denn sie weiß genau, was sie tut.

Marlene Dietrich in ihrer Wohnung in N.Y.

Auch Marlene Dietrich hatte einen Haushalt – hier in ihrer New Yorker Wohnung Foto: DB Sotheby's/picture alliance

Kürzlich bin ich bei meiner Mutter am Küchentisch gesessen, da hat meine Tante angerufen.

Ich habe ihr eigentlich sagen wollen, dass wir gerade am Essen sind, aber vielleicht kennen Sie den Gerhard-Polt-Sketch „Der Erwin“, also so ist das ein bisschen gelaufen, mal abgesehen davon, dass ich meine Tante wirklich sehr gernhabe und sie am Schluss selber gesagt hat, ja, hättest du mir das halt gleich gesagt, dass ihr am Essen seid, und ich gesagt habe, ja, das hätte ich gleich sagen sollen, aber dann hast du so gute Sachen gesagt, und dabei habe ich meine Mutter angeschaut, weil wir stellen das Telefon bei meiner Mutter immer laut, wenn wer anruft, dass wir alle zuhören und mitreden können, so ein bisschen wie in einem Werbefilm aus Neapel für Pizza oder so, da geht es auch so laut zu wie bei uns, weil alle auch sehr schreien, weil meine Mutter hat ein ganz altes Telefon, für dessen Ersatz mein ältester Bruder zuständig wäre, theoretisch, weil der sich eigentlich kümmern soll, weil er so einen Beruf hat, mit Computer und Telefonie und so, da soll er das auch bei meiner Mutter richten. Aber er hat ja nie Zeit.

Was hat nun meine Tante gesagt? Meine Tante hat gesagt, und das war eben an meine Mutter gerichtet, nachdem ich meiner Tante erzählt habe, dass ich in einer Ausstellung in der Alten Pinakothek zur Pastellmalerei war und ich meine Mutter wirklich sehr gerne mitgenommen hätte, weil sie hat früher selber gemalt, aber sie partout nicht gewollt hat, da war nichts zu deichseln, und da hat meine Tante meiner Mutter Folgendes gesagt: „Was sagst du denn dem Petrus, wenn du vor ihm stehst und er dich fragt, was hast du gemacht mit deinem Leben? Immer nur ˈputzt und ˈkocht? Nie einmal rausgegangen und was erlebt? Das sagst du dann dem Petrus?“

Da hat meine Mutter ganz sparsam geschaut, weil sie hat sich angesprochen gefühlt, aber auch wieder nicht. Als meine Tante dann eingehängt hat, haben wir gar nicht groß drüber reden müssen. Aber nicht deswegen, weil wir nicht an den Petrus glauben, sondern weil meine Mutter weiß, dass ich weiß, wieso sie nicht mit auf die Ausstellung gegangen ist. Weil meine Mutter gar nirgends mehr hingeht außer zum Arzt, da muss sie hin, und sie ist ja auch krank. Da ist es ihr wurscht, wie sie ausschaut, beim Arzt schauen alle schlecht aus. Meine Mutter ist abgearbeitet, von 60 Jahren Haushaltsschufterei, ihr tut alles weh, sie läuft nicht mehr gut, die Haare fallen ihr aus und sie mag sich selbst so nicht. Und sie muss nirgends hingehen, in keine Wirtschaft und in keine Ausstellung, wenn sie sich da selbst nicht mag.

Wie Marlene Dietrich

Das haben wir uns mitgeteilt, während wir eigentlich über das Hendl geredet haben, das wir gegessen haben, da haben wir uns vollkommen gut verstanden.

Später habe ich meiner Freundin gesagt, die das erst nicht verstanden hat, meine Mutter, hab ich gesagt, ist wie die Marlene Dietrich: Die hat auch nicht mehr rausgehen wollen in ihren letzten Jahren. Obwohl die Marlene Dietrich hat wahrscheinlich nicht so viel im Haushalt gemacht wie meine Mutter. Was die dem Petrus auf seine Frage geantwortet hat, das täte mich schon auch interessieren.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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