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Warten auf den FreispruchVon Schweinen und Rechten

Zwischenstand eines Berufungsverfahrens: Anscheinend darf man einen „Bürger in Wut“ ungestraft rechts verorten – aber irgendwie auch nicht.

Selbst Rechtsabbiegen verbieten geht in Deutschland nicht mehr: Das Schild wurde 2013 abgeschafft Foto: Foto: wikimedia

BREMEN taz | Alle hatten mit einem zügigen Verfahren gerechnet. Denn das Urteil des Amtsgerichts, gegen das Jörn Hermening Berufung eingelegt hatte, war zu absurd. Aber alles kam anders im Berufungsverfahren am gestrigen Dienstag vorm Landgericht.

Hermening ist Initiator der Facebook-Gruppe „Ein Zuhause in Bremen nicht nur für ausgewählte Flüchtlinge.“ Die positioniert sich gegen Rassismus im sozialen Netzwerk – so auch gegen die Gruppe „Rekumer Straße 12 – nicht mit uns.“ Dort wird teils sehr eindeutig gegen eine an der Rekumer Straße in Bremen-Nord angesiedelte Jugendhilfe-Einrichtung für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge gehetzt. Im Bürgerschaftswahlkampf schloss sich die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW) ihnen an: „Vollzug statt schöner Wohnen“ hieß es auf einem BIW-Wahlplakat direkt vor dem Haus jener Einrichtung.

Immer wieder seien Leute in seine Facebook-Gruppe eingetreten, die zur „Rekumer Straße“-Gruppe gehörten, sagt Hermening, „aber genau die wollen wir bei uns ja eben nicht haben.“ Darunter sei auch der BIW-Bürgerschaftskandidat Mark Runge gewesen. Hermening machte sich bei Facebook Luft über seinen Unmut: „Da weiß man nicht, ob es sich um ‚Doppelagenten‘ handelt (...) Rechte Schweine, die sich bei den Pro-Gruppen erkundigen wollen? Solche Anfragen hatte ich schon mehrere, einige Rechte sind ja sofort zu identifizieren gewesen, Mark Runge und so. Hab keinen Bock mehr drauf, hier verkappte rassistische Sprüche zu löschen,“ schrieb er.

Runge zeigte Hermening an, weil er nicht als „rechts“ betitelt werden will – obwohl er bei Facebook Mitglied der Pegida-Sympathisanten-Gruppe „SPW Sammelbecken politischer Wutbürger“ sowie der Gruppe „Konservative Bürgerbewegung“ ist, in der selbst die AfD schon mal als „linkspopulistisch“ gilt. Und die BIW, für die er als Abgeordneter im Beirat Blumenthal sitzt, wird von der Bundeszentrale für politische Bildung offiziell als rechtspopulistisch eingestuft.

Den zuständigen Richter beim Amtsgericht interessierte das wenig. Er verurteilte Hermening Ende März zu einer Geldstraße von 1.500 Euro wegen übler Nachrede. In seiner Urteilsbegründung hieß es, dass Runge „nicht nur als ‚Rechter‘ bezeichnet wurde, sondern im Gesamtkontext gelesen als ‚rechtes Schwein‘.“

Aber auch ohne das arme Tier hätte er Hermening verurteilt, denn: „Ferner wäre auch die alleinige Behauptung, der Zeuge Runge sei ein ‚Rechter‘ geeignet, diesen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und verächtlich zu machen.“ Als Grund dafür heißt es weiter, dass „eine Bezeichnung einer Person als ‚rechts‘ gemeinhin dahin verstanden (werde), dass es sich dabei um Anhänger des Nationalsozialismus handelt“.

„Der Richter am Amtsgericht scheint in politischer Unkenntnis geurteilt zu haben“, sagte Reinhard Wacker, Vorsitzender Richter am Landgericht, zu Beginn des Berufungsverfahrens. Eine politische Eingruppierung nach rechts sei nicht diffamierend. „Dagegen kann man höchstens argumentieren, aber das kann nicht Gegenstand einer Verurteilung sein.“

So weit, so eindeutig. Bloß nicht für Staatsanwältin Wiebke Kaiser: Man müsse, argumentierte sie, die Anzeige Runges im Gesamtkontext betrachten – und da könne man durchaus unterstellen, Hermening habe ihn als „rechtes Schwein“ betitelt. Wackers Angebot an alle Seiten: Die Einstellung des Verfahrens „gegen eine geringe Gebühr.“

Das aber lehnt Hermening kategorisch ab. „Hier muss ein Freispruch her, denn es gilt ganz eindeutig: Im Zweifel für den Angeklagten“, sagte Anwalt Jan Sürig, der ihn gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Jung verteidigte. Selbst Wacker habe ja Zweifel daran geäußert, dass Hermening Runge in die Riege der „rechten Schweine“ aufgenommen habe – und Runge selbst habe das trotz einer drei Monate währenden Möglichkeit, den Strafantrag zu ergänzen, nie unterstellt. „Man kann eine Anzeige doch nicht nach Belieben im Nachhinein um irgendetwas erweitern.“

Die Staatsanwältin nannte Wackers neues Angebot, das Verfahren ohne Kosten für den Angeklagten einzustellen, einen „Freispruch durch die Hintertür“, den sie nicht unterstützen könne und beantragte die Ladung Runges als Zeugen, der sich, so ihre Begründung „in die Nähe neonazistischen Gedankenguts gerückt sieht“.

Also geht das Verfahren weiter – der nächste Termin ist am übernächsten Freitag. Aber das wäre wohl auch ohne die Renitenz der Staatsanwältin geschehen, denn ein „Freispruch durch die Hintertür“ kommt für Hermening ebenfalls nicht in Frage: „Dafür, dass ich einen Rechten rechts genannt habe, möchte ich einen echten Freispruch.“

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1 Kommentar

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  • "Im ´Zweifel für den Angeklagten" gilt nur bei Zweifeln am Sachverhalt. Die gibt es hier ohnehin nicht. Was geschrieben wurde, ist völlig klar.

     

    Man stellt auch nicht Strafantrag wegen eines Wortes, sondern eines Deliktes, also zB wegen "Beleidigung" oder "übler Nachrede". Man kann dann gern ausführen, wodurch man sich beleidigt fühlt, aber der Antrag bezieht sich auf das Delikt und den Text.

     

    Die - reine Rechts- Frage lautet also: kann man den Text so lesen, dass Runge nicht mit "rechtes Schwein" gemeint war, sondern nur andere - anonym gebliebene. Dann wäre es ein Freispruch.

    Liest sich der Text so, dass auch Runge ein rechtes Schwein sein soll - und zwar ohne Interpretationsspielraum - dann ist die Sache umgekehrt klar, dass eine Beleidigung vorliegt.

     

    Wieso hier ein weiterer Termin nötig ist, versteht man nicht.