: Warten? Warten!
Die 21 inhaftierten Deutschen wissen noch immer nicht, wie es mit ihnen weitergeht. Anwälte prüfen Klagen
BERLIN taz ■ Die Zukunft der in Genua inhaftierten Gipfelgegner ist weiterhin ungewiss.
Gestern war für Angela Ocklenburg aus Oberhausen ein Haftprüfungstermin angesetzt. Nach einer langen Verhandlung kündigten die Richter an, erst in drei Tagen eine schriftliche Erklärung über eine mögliche Fortsetzung der Untersuchungshaft vorzulegen. Die Oberhausener Rechtsanwältin Dagmar Vogel, die Ocklenburg betreut, vermutet, dass die Richter keine Einzelentscheidungen fällen wollen und weitere Haftprüfungstermine, die in dieser Woche noch anstehen, abwarten.
In der vergangenen Woche hatte der Staatsanwalt Ocklenburg nochmals angehört. Danach hätte es so ausgesehen, als stünden die Chancen, freigelassen zu werden, gut für Ocklenburg. Leider sei der Staatsanwalt jetzt im Urlaub, so Vogel. Nachdem sich in den vergangenen Tagen mit der Entlassung dreier Polizeifunktionäre der politische Druck in Italien gestiegen sei, könne sich das negativ für die Gefangenen auswirken, glaubt Vogel.
Ocklenburg wird wie den meisten Inhaftierten die Zugehörigkeit zu einer „kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen. Sie war nach dem Genua-Gipfel mit Freunden auf einem Camp der Organsiation „Linksruck“ aufgegriffen worden. Bei der Durchsuchung der Autos fanden Polizisten ein Campingmesser und schwarze Kleidung, berichtete der Lebensgefährte Ocklenburgs, Peter L., der taz. Schließlich seien nur sie und ein weiterer Mann aus Oberhausen in Gefängnisse gebracht worden. Den Rest der Gruppe habe die Polizei laufen lassen, für Peter L. ein Indiz für die Willkür der italienischen Polizei. Auch Peter L. befüchtet, dass seine Freundin im Gefängnis auf ihren Prozess warten muss. „Sie wird wahrscheinlich im Knast bleiben“, so Peter L.
Laut Anwältin Dagmar Vogel gibt es drei Möglichkeiten, wie die richterlichen Entscheidungen in Italien ausgehen können. Wird der Haftbefehl aufgehoben, könnten die Gipfelgegner nach Deutschland ausreisen, um später erst zu ihrem Prozess nach Italien zurückzukehren. Oder aber sie werden in Italien mit einer festen Meldeadresse unter Hausarrest gestellt. Für am wenigsten wahrscheinlich hält Dagmar Vogel, dass der Tatverdacht aufgehoben wird und es gar nicht zur Anklage kommt. Obwohl sich alle Rechtsanwälte weitgehend einig sind, dass die Beweislage für die Polizei sehr dünn ist, liegt die Vermutung nahe, dass in Italien ähnlich wie in Schweden ein Exempel statuiert werden sollen. Nach dem EU-Gipfel in Göteborg waren mehrere Globalisierungskritiker zu längeren Haftstrafen verurteilt worden.
Nicht nur die Inhaftierten in Italien finden zunehmende Unterstützung von Rechtsanwälten und Solidaritätsgruppen in Deutschland. Für die Gipfelgegner, die beim Sturm der Polizei in der Diaz-Schule in Genua zum Teil schwer verletzt worden waren, prüfen derzeit mehrere Rechtsanwälte die Möglichkeit der Schadensersatzklage. Adressat wäre die italienische Polizei, so der Berliner Rechtsanwalt Volker Ratzmann zur taz.
STEPHANIE VON OPPEN
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