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Warnstreik bei Berlin KinosFilmreifer Arbeitskampf

Vor dem „Delphi Lux“ am Bahnhof Zoo gehen Mitarbeitende der Yorck-Kinogruppe in den Warnstreik. Sie fordern mehr Lohn

Mehr Lohn als Mindestlohn: Yorck-Mitarbeiter*innen im Warnstreik am Samstagabend Foto: Susanne Messmer

Berlin taz | Die Stimmung am frühen Samstagabend vorm Delphi Lux beim Bahnhof Zoo ist ausgelassen. 60 bis 70 Menschen, die bei der Kinogruppe Yorck arbeiten, haben sich gelbe Warnwesten angezogen und Transparente gemalt, auf denen Slogans wie „Guter Lohn für gute Unterhaltung“ stehen; sie verteilen Flyer, bitten einlaufende Kinogäste, heute mal von ihrem Besuch abzusehen, blasen in Trillerpfeifen und skandieren: „Gute Filme, schlechter Lohn“.

Die Menschen hier, die von 12 bis 2 Uhr in den Warnstreik getreten sind, arbeiten beim größten Berliner Kinobetreiber, der 1978 gegründeten und sehr erfolgreichen Kinogruppe Yorck. Sie betreibt aktuell 14 Programmkinos meist mit mehreren Sälen und im Sommer zudem zwei Freiluftkinos. Der Einstiegslohn für das Personal an der Kasse und im Service wurde bereits auf 12,50 Euro inklusive Weihnachtsgeld angehoben, also knapp mehr als der Mindestlohn.

Dafür wurde allerdings eine Kinosaal-Zulage gestrichen, bei der es bislang mehr Geld gab, je mehr Säle das Kino hatte – es ist einfach erhöhter Aufwand, wenn mehr Säle aufzuräumen sind; noch dazu gibt es weniger Pausen, wenn das Publikum an 20 verschiedenen Uhrzeiten am Tag einläuft, erklären die Streikenden.

Als die Mitarbeitenden über den Erhalt der Zulage und 13,50 Euro Einstiegsgehalt verhandeln wollten, wurden sie jedoch abgeblockt, berichtet Jörg Reichel von der Gewerkschaft Verdi. „Ich bin froh, dass wir uns endlich so etwas trauen“, sagt einer der Streikenden, der bereits seit 20 Jahren im Filmtheater am Friedrichshain und im Rollberg Kino in Neukölln arbeitet. 90 der insgesamt rund 160 Mitarbeitenden bei Yorck sind Gewerkschaftsmitglieder.

Die Berliner Ökonomie, mit der viele in dieser Stadt lange Jahre in schönen, kleinen Jobs mit wenig Lohn gut leben konnten, hat sich verändert. Die Mieten sind schon vor Jahren ein großes Problem geworden, nun kommen auch noch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise hinzu. „Kinoangestellte leben in Berlin traditionell auf Hartz-IV-Niveau“, sagt Jörg Reichel, zumal sie in den allermeisten Fällen in Teilzeit arbeiteten. „Das wird nun langsam sehr schwierig.“

Kinoangestellte leben traditionell auf Hartz-IV-Niveau

Jörg Reichel, Verdi

Vor dem Delphi Lux-Kino geht es langsam auf 20 Uhr zu: Primetime im Kino, allmählich tröpfelt ein wenig Publikum ein. Einige lassen sich von den Streikenden überreden, wieder zu gehen, andere gehen trotzdem rein. Vorm Kino stehen zwei junge Frauen, die Gästen eine Gegendarstellung der Yorck-Geschäftsführung in die Hand drücken, sich aber gegenüber der Presse nicht äußern mögen. Im Kino scheint der Betrieb normal zu laufen; nicht streikende Mitarbeitende, die ebenfalls keine Auskunft geben wollen, verkaufen Tickets und Getränke.

Ein junges Paar in schicken Mänteln berät über das Getränk, das sie gleich erwerben werden. Auf Nachfrage sagen sie, der Kinobesuch sei lange geplant gewesen, die Tickets würden ja sicher nicht rückerstattet.

„Mindestlohn ist ja nicht viel“

Eine Gruppe von vier Menschen um die 60 steckt die Köpfe über die beiden Zettel von Verdi und der Yorck-Kinogruppe zusammen. „Mindestlohn ist ja nicht viel“, sagt eine von ihnen zögerlich. Andererseits kenne sie Selbstständige im Freundeskreis, die weniger verdienen. Eigentlich würden sie gern heute zusammen ins Kino gehen, sie hatten sich so darauf gefreut, sind sich aber noch unsicher.

Die Yorck-Kinogruppe argumentiert auf ihrer Darstellung am Samstagabend mit einer Lohnerhöhung im August um 15,4 bis 22,7 Prozent auf mindestens 12,50 Euro Einstiegsgehalt. Das entspreche allerdings, wie die Streikenden sagen, lediglich etwa der Erhöhung des Mindestlohns von zuletzt 10,40 auf 12 Euro ab Oktober.

Gegenüber der taz argumentiert Geschäftsführer Christian Bräuer am Sonntag mit dem Einbruch bei Ticketkäufen um 50 Prozent bei den deutschen Programmkinos im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit – „und dass eine Erholung angesichts möglicher Corona-Varianten, neuer Auflagen und der Fußball-WM unmöglich“ sei. Auch wenn der Rückgang bei der Yorck-Kino GmbH mit etwa 25 Prozent geringer sei als im bundesweiten Arthouse-Sektor, so Bräuer weiter, „sind die Einbußen dramatisch“. Die Energiekrise betreffe die Kinos besonders hart.

Das aggressive Verhalten von Verdi und der Warnstreik habe ihn „hart getroffen“. Man sei dreimal auf die Forderungen der Gewerkschaft eingegangen und nun einfach am Limit. Außerdem gibt Bräuer zu bedenken, dass sich Verdi in Berlin mit zwei Mutiplexkonzernen, die laut Bräuer den Programmkinos „mit Preisdumping das Leben zusätzlich schwer machen“, auf deutlich weniger Lohn geeinigt hat. Im Cinestar in der Kulturbrauerei beträgt der Einstiegslohn ab 1.Oktober 12,27 Euro inklusive Weihnachtsgeld, im Cinemaxx 12,35 Euro inklusive Weihnachtsgeld.

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