„Wann wenn nicht jetzt“ in Bautzen: Bunt in brauner Provinz

Die linke Konzerttour hat in Bautzen haltgemacht. Die sächsische Stadt ist sonst vor allem für ihre Neonazis bekannt.

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rassismus und Ausgrenzung, zu der das Bündnis #unteilbar aufgerufen hat, ziehen mit Schildern mit der Aufschrift "Vielfalt fordern Kultur fördern" und "Für Freiräume der Fantasie" durch die Stadt.

„Wann wenn nicht jetzt“ will ein buntes Sachsen Foto: #WannWennNichtJetzt

Bautzen taz | Dieter steht mit seinem Fahrrad am Rande des Bautzener Kornmarkts. Mit einigem Sicherheitsabstand beobachtet er, was da vor ihm auf der Open­air-Bühne vor sich geht. Der Rentner wirkt aufgebracht. „Was man sich alles in der eigenen Stadt gefallen lassen muss“, schimpft er. Dass man mit der AfD gleich Nazis wähle, würden die auf der Bühne sagen. Dabei wählten ja auch manche die Linke und „die richten mehr an als Nazis“, meint Dieter. Zwei ältere Damen sitzen ihm gegenüber auf einer Bank und nicken mit dem Kopf.

Es ist Samstagnachmittag, und die Sonne knallt auf den Bautzener Ortskern. Die sächsische Kreisstadt in der Oberlausitz ist die zweite Station der „Wann wenn nicht jetzt“-Konzerttour, mit der sich ein Zusammenschluss aus Linken und zivilgesellschaftlichen Ak­teu­r*in­nen gegen einen Rechtsruck vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen engagiert.

In Bautzen ist das nicht leicht. Die Stadt an der tschechischen Grenze ist bekannt für Überfälle von Neonazis auf Geflüchtete. Lokale Aktivist*innen berichten von einer schweigende Mitte, die bei rassistischen Übergriffen wegsieht und Hetzjagden von Rechtsextremen auf junge Geflüchtete als Streit unter Jugendlichen abtut.

„Wir sind zwar nicht mehr, aber wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt Bruno Rössel vom Organisationsteam ins Mikrofon auf der Openair-Bühne. Trotz allem gibt es auch in Bautzen Menschen wie Andrea, die sich als Patin für Geflüchtete engagiert. „Die Nazis bilden sich ein, dass sie die Hegemonie in Bautzen hätten. Es ist wichtig, dem etwas entgegenzustellen“, sagt sie.

Initiativen haben Infostände aufgebaut, Workshops werden angeboten. Am Abend rappt unter anderem der Künstler Matondo aus Berlin. „Gerade an Orten wie hier, wo es so viele Übergriffe auf Geflüchtete gab, ist es wichtig ein Zeichen zu setzten“, sagt er. Allerdings beteiligen sich nur wenige An­woh­ne­r*in­nen am Festival, viele Be­su­che­r*innen sind eigens angereist. Die Ver­an­stal­ter*in­nen sprechen von 500 Teil­neh­me­r*in­nen, es wirkt deutlich leerer.

Ganz friedlich bleibt es dann doch nicht

Ario vom „Unteilbar“-Bündnis, das für den 24. August in Dresden eine Großdemo plant, ist aus Berlin gekommen, um sich solidarisch mit den aktiven Bautzener*innen zu zeigen. „Die Politik unterstützt die Menschen hier nicht, es gibt viel Gegenwind“, sagt er.

Ganz friedlich blieb es am Ende dann doch nicht. Ein Rechtsradikaler soll einem Besucher ins Gesicht geschlagen haben, berichtet Organisator Dar. Die Polizei bestätigte eine „Rangelei“ am Rande des Kornmarktes, der Täter habe aktiv Widerstand geleistet und dabei einem Polizisten ins Gesicht gefasst, so dass dessen Sonnenbrille kaputt ging.

Aktivist*innen ­berichteten zudem von einer Frau, die beim Klimapodium der Fridays-for-Future-Gruppe das Mikrofon ergriffen habe. Als sie sagte, dass „wir alle“ doch mal vergessen müssten, dass es den Holocaust gegeben habe, sei sie direkt unterbrochen worden.

Dennoch sagt Mitorganisator Dar, dass er mit dem Ablauf des Festivals „sehr zufrieden“ sei, weil es ansonsten keine Übergriffe von Nazis gegeben habe. Sie hätten sich nicht blicken lassen – „wahrscheinlich weil heute linke und solidarische Menschen in der Mehrheit waren“.

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