Sponsoring in Bautzen: Wohltäter mit Schlagseite

Ein Bautzener Unternehmer unterstützt den lokalen Fußballklub, hilft Kindergärten. Doch es gibt bei Jörg Drews’ Engagement noch eine andere Seite.

Mann mit grauen Haaren und Brille verschränkt die Arme

Will nichts mit Rechten zu schaffen haben: der Bautzener Unternehmer Jörg Drews Foto: xcitepress/imago

BAUTZEN taz | Wenn man sich in der 40.000-Einwohner-Stadt Bautzen nach dem Bauunternehmer Jörg Drews erkundigt, fällt eine allgemeine Zurückhaltung auf, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Kaum jemand möchte sich zur Person äußern, obschon ihn jeder kennt.

Nicht das Kulturzentrum Steinhaus, nicht das Bürgerbündnis „Bautzen bleibt bunt“, nicht einmal Lutz Hillmann, der sonst nie um ein knackiges Statement verlegene Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters. Wer aber den Mut aufbringt, auch nur wägend den Kopf schräg zu legen, oder Drews gar mit rechtsgerichteten Kreisen in Verbindung bringt, besteht auf seiner Anonymität.

Jörg Drews ist der größte Steuerzahler der ostsächsischen Stadt. Wer ihn kritisiert, steht offenbar in dem dringenden Verdacht, Bautzen beleidigen zu wollen. Was Drews denkt und welche Kreise er fördert, tritt hinter dem materiellen Wohltäter zurück.

Der ehemalige Taktstraßenleiter im DDR-Wohnungsbau, der mangels einer SED-Mitgliedschaft nicht Bauleiter werden durfte, beteiligte sich 1992 über Treuhand-Restitutionen am Traditionsbetrieb Hentschke-Bau. Heute ist er dessen Hauptgeschäftsführer. Mit etwa 700 Beschäftigten und einem Jahresumsatz um die 200 Millionen Euro ist das Unternehmen in Sachsen eine große Nummer. Seine Bauwagen und Maschinen stehen an der Augustusbrücke in Dresden, in Erfurt oder an der Ostseeküste.

Wohltäter und politischer Einflussnehmer

Doch Jörg Drews genügt dieser unternehmerische Erfolg nicht. Sein darüber hinausgehendes Engagement hat zwei Seiten. Die eine kann man dem bodenständigen 61-Jährigen ehemaligen Lausitzer Bauernjungen getrost abnehmen. Dazu zählt seine Unterstützung für Bautzener Einrichtungen wie den Fußballklub Budissa, dem er erst im Juni einen Rasentraktor spendete, den Rechentechnikverein Zuseum, Jugendfeuerwehren, Kindergärten bis zu einer Schulsternwarte. Drews kaufte und sanierte den heruntergekommenen Bahnhof, Hentschke-Bau schuf im Kupferhammer und überall in der Stadt Wohnungen.

Auf die andere Seite weisen mehrere Anschläge auf Baustelleneinrichtungen hin, verübt von Linksextremisten, wie Bekennerschreiben vermuten lassen. Der Wohltäter bietet zugleich ein Feindbild. Drews sei auch zur „Leitfigur einer Bewegung geworden, die die Bevölkerung polarisiert“, distanzierten sich 2019 nicht etwa die Antifa, sondern die sechs Enkel des ehemaligen Firmeninhabers Ernst-Hans Hentschke. Sie sind allerdings schon lange nicht mehr an der Firma beteiligt, die in der DDR verstaatlicht und nach deren Ende wiedergegründet wurde.

Überregionale Medien haben einiges über Drews geschrieben und gesendet, manche von ihnen handelten sich einen Rechtsstreit ein. Das Landgericht Frankfurt (Oder) lehnte es im Januar allerdings ab, einer Bautzener Bürgerin die auf Twitter gebrauchte Bezeichnung „Reichsbürger“ für Drews zu untersagen.

Eine Audienz ist selten beim großen Drews. Wenn doch, dann sind in der Hentschke-Firmenzentrale Pressesprecher Falk Al-Omary und zwei weitere Öffentlichkeitsmitarbeiter anwesend. Das Eis schmilzt ein wenig, wenn man Regionalkenntnisse nachweisen kann.

Auf gutbürgerlichem Boden

Glaubt man dem Unternehmer, so polarisiert er wider Willen. Auch die meisten Bautzener würden Spaltungsabsichten bestreiten. Denn die verbreiteten „Versatzstücke rechter Ideologie“, wie sich Linken-Kreisvorsitzender Silvio Lang ausdrückt, sind in Bautzen zumindest populär, wenn nicht mehrheitsfähig. Dazu zählen etwa Äußerungen Drews’ gegen Kanzlerin Angela Merkel und deren Weg, „unser Volk einfach zu überschwemmen“.

Drews sagt, er stehe auf einem gutbürgerlichen Boden, der nach seinem Empfinden aber ins Schwanken geraten ist. „Ich hatte das Gefühl, dass viele gesellschaftliche Entwicklungen nicht in die gewünschte Richtung gingen“, sagt er. Die „gewünschte Richtung“, das ist für Drews das CDU-Parteiprogramm aus dem Jahr 2002. Dort fand er noch die von ihm geschätzten Tugenden Eigenverantwortung, Selbstständigkeit, Fleiß und Disziplin wieder, nicht zu vergessen „ein vernünftiges Verhältnis zur Nation und zur Einwanderungspolitik“.

„Wieder auf konservative Grundwerte zurückführen“ möchte er die Gesellschaft. Zugleich bestreitet er, einen entsprechenden Plan, gar eine Mission zu verfolgen. „Ich bin kein Umstürzler!“ Wirklich nicht?

Beginnend 2016 erscheint anfangs in Papierform und nunmehr online das Magazin Denkste?!, im Untertitel „Zeitung zur Meinungsbildung der unabhängigen Bautzener Bürgerinitiative,Wir sind Deutschland'“. WSD verstand sich damals als etwas zivilere Alternative zu Pegida und brachte vorübergehend in einigen sächsischen Städten Demonstranten auf die Straße. Welche Meinung Denkste?! dabei abbildet, ist offensichtlich – gegen die antirassistische Arbeit der Amadeu-Antonio-Stiftung, gegen die sächsische Regierung, deren „Kampf gegen rechts als verlogene Strategie entlarvt“ wird. Entlarvt wird auch „Das Klima als Mittel politischer Beeinflussung“. Das Magazin bietet Querdenkern und Impfgegnern ein Forum.

Jörg Drews räumt ein, „am Anfang Geld gegeben“ zu haben, nimmt aber nach seinen Worten keinen Einfluss mehr auf redaktionelle Inhalte. Unwirsch kontert er den Hinweis auf eine Spende in Höhe von 19.500 Euro an die AfD im Bundestagswahlkampf 2017, nachdem er früher in kleineren Stückelungen die CDU unterstützt hatte. Er habe sich „teilweise mit der AfD identifizieren können“, zum Beispiel mit deren Kritik an der EU-Finanzpolitik. Inzwischen hält er sich zugute, durch seine Kandidatur für das Bürgerbündnis Bautzen bei der Kommunalwahl im Jahr 2019 verhindert zu haben, dass die AfD stärkste Fraktion im Stadtrat wurde.

Dieses Bürgerbündnis bezeichnet die ehemalige Grünen-Stadträtin Annalena Schmidt als „typische Querfront“. Die Aktivitäten von Drews seien überhaupt „gut getarnt“, sagt die junge Historikerin, die sich an ihrer konservativen Lausitzer Wahlheimat wundgerieben hat, auf Diskussionen niedergeschrien und im Netz beschimpft und bedroht wurde. Nach Ende ihrer Bautzener Stelle lebt sie mittlerweile in Dresden und betreibt Bildungsarbeit bei der Diakonie.

Referenten vom rechten Rand

Bis zur 2019 verkündeten Trennung unternehmerischer und politischer Aktivitäten organisierte Hentschke-Bau die gut besuchten Bürgerforen im Bautzener Hotel Residence. Drews bestätigt, dass er das Forum ins Leben gerufen habe und die Referenten auswähle. Unter diesen Vortragenden befindet sich etwa der Psychiater Hans-Joachim Maaz, der die Pegida-Bewegung in Schutz nimmt, oder der zur AfD desertierte ehemalige Dresdner CDU-Mann Maximilian Krah. Der Journalist Christoph Hörstel bezeichnete die deutsche Israelpolitik schon mal als Hochverrat und redete jahrelang auf dem Berliner Al-Quds-Tag. Der ebenfalls referierende ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer schreibt für das rechte Compact-Magazin, seine Bücher erscheinen in einem einschlägigen Verlag.

Jörg Drews, Unternehmer

„Ich soll Gutes tun und Steuern zahlen, aber ansonsten gefälligst meine Fresse halten?“

Einige diese Figuren sind zudem mit dem Bautzener Friedenspreis belohnt worden. Letzter Preisträger war der Schweizer Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser. Finanzberater Thorsten Schulte, Vorsitzender des Vereins Pro Bargeld, drehte ein Video mit Drews unter dem Titel „Gegen Merkel – für Sachsen“. Die Vorträge werden von Denkste?!, Ostsachsen TV, dem Bautzener Boten oder dem Blog „Für unsere Zukunft“ beworben.

„Ich versuche keine Gegenöffentlichkeit zu schaffen“, sagt Drews dennoch. Welche Bedeutung es hat, wenn der einflussreichste Mann in der Kreisstadt sich politisch rechts positioniert, darüber kommt ein Gespräch mit ihm nicht zustande. Erregt braust der Bauunternehmer auf, als er nach dem politischen Nutzen seines Einflusses gefragt wird: „Ich soll Gutes tun und Steuern zahlen, aber ansonsten gefälligst meine Fresse halten?“ Verdächtigungen erregen Drews maßlos, etwa dass der bis heute nicht aufgeklärte Brand eines als Asylbewerberheim vorgesehenen Hotels etwas mit der damaligen ausländerfeindlichen Stimmung zu tun gehabt haben könnte.

Dem Opfermythos leistet kurz vor Weihnachten 2020 ein Drohanruf bei Drews Vorschub: „Die Sachsensau Drews wird sterben!“ Die sächsische AfD-Landtagsfraktion ließ daraufhin verbreiten, es sei offenbar nur noch eine Meinung zulässig. Dass eineinhalb Jahre zuvor auch die grüne Annalena Schmidt „vergiftet werden und langsam und qualvoll sterben“ sollte, daran wird selbstverständlich nicht erinnert.

Solidarität ist Drews sicher. „Das fällt auf fruchtbaren Boden“, kommentiert Linken-Kreisvorsitzender Silvio Lang die erstaunliche Anschlussfähigkeit der von Drews vertretenen Haltungen. Die erscheinen in Verbindung mit seinem Wohltäterbonus als ganz normal. „Die Leute durchschauen das nicht, alle knicken ein“, fühlt sich Annalena Schmidt an sektenähnliche Verhältnisse erinnert. Ein Milieu und sein Dominator haben sich gefunden. Schmidt spitzt zu: „Drews hat die Stadt gekauft!“

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