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Wanderwitz tritt nicht wieder an

Ex-Ostbeauftragter und CDU-Abgeordneter beklagt Drohungen

Von Sabine am Orde

Überraschend ist dieser Rückzug nicht, er hat sich lange angedeutet. Doch jetzt hat der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz (CDU) öffentlich angekündigt, bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar nicht erneut zu kandidieren. „Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen“, sagte Wanderwitz der Freien Presse. „Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden.“ Die Zivilgesellschaft habe es nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken.

Wanderwitz, der im Kabinett von Angela Merkel Ostbeauftragter war, wird seit Langem angefeindet und bedroht, die Scheiben seines Wahlkreisbüros wurden mehrmals eingeschlagen. Jetzt sprach er von einem Brief, in dem unter anderem seine Kinder mit dem Tode bedroht worden seien. Hass und Bedrohungen gehörten zum politischen Klima, seit die AfD in die Parlamente eingezogen sei, sagte Wanderwitz. Auch nach seiner Ankündigung häuften sich in den sozialen Netzwerken feindliche und gehässige Kommentare.

Wanderwitz ist mit Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas zusammen, sie hat bereits im Juli aus ähnlichen Gründen angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Ob die beiden, die eher zum liberalen Flügel der Partei zählen, von der konservativen sächsischen CDU wieder nominiert worden wären, ist unklar. Wanderwitz kommt aus dem Erzgebirge, er sitzt seit 2002 für die Christdemokraten im Bundestag. Bei der letzten Wahl verlor er das Direktmandat an den Gegenkandidaten der AfD. Das schlechte Abschneiden der CDU in Sachsen führte Landeschef Michael Kretschmer damals unter anderem auf Wanderwitz zurück. Der war, wie er es selbst damals nannte, gegen die AfD „in den Kampfanzug gestiegen“ und hatte Teilen der Ostdeutschen bescheinigt, derart „diktatursozialisiert“ zu sein, dass ihnen weiterhin das Verständnis für Demokratie fehle. Kretschmer setzte sich auch dafür ein, dass Wanderwitz den Vorsitz der sächsischen Landesgruppe im Bundestag verlor.

Der Jurist ist einer der Initiatoren des fraktionsübergreifenden Verbotsantrags gegen die AfD, für den es in Union bislang wenig Unterstützung gibt. Nach Willen der In­itia­to­r*in­nen soll dieser Antrag trotz des Endes der Ampelregierung im Bundestag diskutiert werden.

Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, äußerte sich mit Sorge zu Wanderwitz’ Erklärung. „Die Umstände seines Rückzugs aus dem politischen Leben sollten uns allen zu denken geben“, sagte Frei der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn die Stimmung derart verroht, dass demokratisch gewählte Abgeordnete sich Sorgen um ihre körperliche Unversehrtheit machen, ist die gesamte Gesellschaft gefordert.“

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