Wandel in der Klimapolitik: China röchelt etwas weniger
Das Riesenreich bläst fast so viel Feinstaub in die Luft wie der Rest der Welt zusammen. Nun ist die Fördermenge von Kohle erstmals leicht gesunken.
PEKING taz | Noch ist der Pekinger Luft der Wandel in der Klimapolitik nicht anzumerken. In der Nacht zu Montag legte sich einmal mehr dichter Nebel über die chinesische Hauptstadt. Die Kurve, die auf den speziellen Smartphone-Apps stündlich die Luftqualität anzeigt, kletterte bis zum Morgengrauen auf Werte von fast 400 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Das entspricht dem 15-Fachen des Grenzwerts, den die Weltgesundheitsorganisation WHO noch für unbedenklich hält.
Und doch gibt es erste Fortschritte: Der nationale Kohleverband teilte am Wochenende mit, dass 2014 zum ersten Mal seit 14 Jahren die Fördermenge gesunken ist. China produzierte in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 3,5 Milliarden Tonnen Kohle. Das seien 2,1 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.
Zwar betonte die Umweltschutzorganisation Greenpeace, dass von einem Durchbruch noch lange keine Rede sein könne. „China bläst auch weiter fast so viel Feinstaub in die Luft wie der Rest der Welt zusammen“, heißt es in einer Erklärung. Aber der geringere Kohleverbrauch wirke sich bereits positiv auf die Luftqualität aus. Die vor allem durch Kohleverbrennung verursachte Feinstaubbelastung habe in Peking um 7,7 Prozent abgenommen, in Schanghai um 14 Prozent. In der landesweit schmutzigsten Stadt Xingtai vor den Toren Pekings nahm die gefährliche Luftverschmutzung gar um mehr als 15 Prozent ab.
China stillt seinen Energiehunger nach wie vor zu zwei Dritteln mit Kohle. Die chinesische Führung hat zwar bereits vor einigen Jahren anerkannt, dass das Riesenreich nicht länger auf diesen fossilen Brennstoff setzen kann, und hat seitdem so viel in saubere Energiequellen wie Solar- und Windkraft investiert wie kein anderes Land auf der Welt. Der Kohleverbrauch war trotzdem bis 2013 weiter jährlich im Schnitt um 6 Prozent gestiegen.
392 Fabriken allein in Peking geschlossen
Seit 2014 hat die chinesische Führung die Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung aber deutlich verstärkt. Sie verpflichtete sämtliche Kommunen dazu, stündlich die Luftwerte zu veröffentlichen. Zudem definierte sie für das gesamte Land konkrete Klimaschutzziele, an die sich jede Provinzregierung zu halten hat.
In der Folge mussten landesweit Tausende von Stahlöfen, Kohlekraftwerke und Industrieanlagen dichtmachen. Allein im Stadtgebiet von Peking hat die Regierung 2014 eigenen Angaben zufolge 392 Fabriken schließen lassen. Bereits in zwei Jahren soll es in der Hauptstadt kein einziges mit Kohle beheiztes Werk mehr geben.
Mitte November 2014, wenige Tage vor Beginn der Klimakonferenz in Lima, kündigte Chinas Staatspräsident Xi Jinping bei einem Treffen mit US-Staatspräsident Barack Obama an, dass China spätestens ab 2030 seine Emissionen drosseln werde. So bleiben zwar noch 16 weitere Jahre, um unbegrenzt Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen. Aber immerhin hat sich der weltgrößte Emittent auf internationalem Parkett erstmals überhaupt auf ein verbindliches Ziel festgelegt. Klimaschutz ist in China damit Staatsdoktrin.
Die Umweltschützer von Greenpeace wissen die Bemühungen der chinesischen Führung durchaus zu schätzen. Und doch reichen ihnen die beschlossenen Maßnahmen bei Weitem nicht aus. Es sei einfach zu bedrückend, Kinder weiter „mit mehr Smog als frischer Luft und blauem Himmel aufwachsen zu sehen“, sagt Greenpeace-Klimaschutzexpertin Yan Li.
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