Walpurgisnacht in Berlin: Klassenkämpferischer Auftakt
Die Walpurgisnachtdemo im Wedding gab den Startschuss in den Berliner 1. Mai. Kritisiert wurden eine neoliberale Krisenpolitik und die Immobilienkonzerne.
BERLIN taz | Am Weddinger Leopoldplatz startete Berlin mit einer kämpferischen, antikapitalistischen Walpurgisnachtdemo in den 1. Mai. „Von der Krise zur Enteignung“ lautete das Motto. Laut einer Sprecherin der Organisator:innen beteiligten sich bis zu 2500 Menschen; schnellen Schrittes zogen sie quer durch den Wedding in Richtung Gesundbrunnen. Ein Sprecher der Polizei ging gegenüber der taz von einer Zahl „im unteren vierstelligen Bereich“, die 1500 nicht überschritten habe, aus.
Der Protest war jung, radikal – und konkret. Plumpe antikapitalistische Parolen fehlten weitestgehend, dafür wurde verstärkt eine linke Kritik am Kapitalismus unter den Bedingungen der Pandemie formuliert. Nur „nach Feierabend“ gäbe es einen Lockdown, so eine Rednerin auf der Demo. Sie kritisierte ein „willkürliches Corona-Management“, das die Menschen zwinge, weiter für das Kapital zu arbeiten, ihnen aber verbiete, „draußen im Freien mit Freunden und Familien Zeit zu verbringen“. Im Konflikt um die „Verteilung der Kosten der Pandemie“, so ein weiterer Redner, gelte deshalb: „Die Reichen sollen zahlen!“.
Zur Demonstration aufgerufen hatte die linke Stadtteilgruppe „Hände weg vom Wedding!“. Die Initiative organisiert die Walpurgisnachtdemo, seit diese sich 2012 aus Friedrichshain in den Wedding verlagerte. Auch in diesem Jahr setzte sich dabei der Trend hin zu einem gewaltfreien Verlauf fort. Lediglich am linken Hausprojekt an der Schererstraße Ecke Adolfstraße kam es zu etwas revolutionärer Ästhetik durch das Zünden von Nebeltöpfen und Pyrotechnik.
Winkende Anwohner:innen und lächelnde Passant:innen ließen auf viel Zustimmung aus dem Kiez schließen. Dazu wird wohl auch das kürzliche Kippen des Berliner Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht beigetragen haben. Immer wieder skandierten die Demoteilnehmer:innen Sprüche wie „Alle zusammen gegen Spekulanten“ oder „Das ist unsre Stadt – macht die Deutsche Wohnen platt“. Auch das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ war präsent: „Wir kommen gerade vom Kurt-Schumacher-Platz und haben dort 250 Unterschriften gesammelt“, erzählt ein junger Mann in der Weste der Initiative. Nun gelte es, „den Kampf auf die Straße zu tragen“.
Die Initiative „Hände weg vom Wedding!“ spann die Forderung nach der Vergesellschaftung der größten Wohnungskonzerne derweil weiter. So forderte einer ihrer Redner die „bedingungslose und entschädigungsfreie Enteignung der großen Pharma- und Immobilienkonzerne“. Auf Transparenten wurde auch „Impfnationalismus und neokoloniale Ausbeutung“ kritisiert. Impfpatente müssten freigegeben werden, hieß es in einem weiteren Redebeitrag. Auch in Deutschland würden marginalisierte Gruppen wie queere und migrantische Menschen von der Pandemie am härtesten getroffen.
Pünktlich um 19 Uhr endete die Demonstration mit dem Aufruf, am 1. Mai um 11 Uhr zur Demonstration vor der DGB-Zentrale am Hackeschen Markt und um 17 Uhr zur Revolutionären 1. Mai Demonstration am Hermannplatz zu erscheinen. So manch ein:e Demoteilnehmer:in wird wohl noch zur feministischen „Take back the night“-Demo in Kreuzberg gezogen sein. Der Abschied vom Lautsprecherwagen: „Ruht Euch aus und bleibt kämpferisch!“.
Leser*innenkommentare
92293 (Profil gelöscht)
Gast
Dass der Verlauf der Demonstration in andere Straßenzüge verlegt wurde finde ich interessant, damit setzt man Augenmerk auf den unterschiedlichen Reichtum der Stadt Berlin genauso wie die ungelösten Probleme wie Görlitzer Park.