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Waldbrände in der TürkeiMit Teebeuteln gegen das Feuer

Erdoğan behauptet, oppositionelle Bürgermeister in den Brandgebieten seien verantwortlich für das Löschen der Brände. Den Betroffenen schenkt er Teebeutel.

Menschen beobachten die Löscharbeiten eines Waldbrandes in Koycegiz Foto: dpa

F ast zwei Wochen wütet das Feuer an der türkischen Mittelmeerküste und der Ägäis. Wie in Griechenland und in Italien gehen Wälder in Flammen auf. Extreme Temperaturen über 40 Grad, geringe Luftfeuchtigkeit und Winde befeuerten die Katastrophe: Die von Menschenhand gemachte Klimakrise zeigte ihre zerstörerische Wucht.

Über Tage hinweg waren in der Türkei die Menschen nahe den Waldgebieten auf sich selbst gestellt. Die Notrufnummern reagierten nicht, es kamen keine Flugzeuge und Helikopter. Menschen, Tiere, Bäume, Häuser und Felder verbrannten. Die sozialen Medien sind voll von Videoaufnahmen, wie die ansässige Bevölkerung und freiwillige Helfer aus dem gesamten Land mit Schaufeln, Sägen, Traktoren und Wassertanks versuchen, die Brände unter Kontrolle zu bringen.

Sehr schnell offenbarte sich das Missmanagement des türkischen Staats. Die Türkei verfügt gerade einmal über 3 Löschflugzeuge. Das viel kleinere Griechenland hat 39 Löschflugzeuge. Die schon 1925 von den Republikgründern ins Leben gerufene, öffentlich finanzierte Luftfahrtgesellschaft THK, die über Jahrzehnte Waldbrände bekämpfte, wurde aus politischen Gründen von der Regierung Erdoğan kaputtgespart und war nicht einsatzfähig.

Hinzu kommt die systematische Zerstörung der Ökosysteme der Wälder durch Gesetze und Verordnungen der Regierung. Ganze Teile zusammenhängender Waldgebiete wurden dem Energiesektor, dem Bergbau und der Bebauung durch Tourismus geöffnet. Während die Feuer im gesamten Land tobten, trat mit der Unterzeichnung von Präsident Erdoğan ein Gesetz in Kraft, das ihm die alleinige Vollmacht gibt, Waldgebiete Investitionen und Bebauung zu öffnen.

Fake News und „Terroristen“

Doch wie kommuniziert man einen Waldbrand? Tagelang bombardierten die gleichgeschalteten Medien die Bevölkerung mit Fake News, dass „Terroristen“, die kurdische PKK, Brandstifter seien. „Die Brände sind ein Terroranschlag auf die Regierung Erdoğan und die türkische Ökonomie“, so ein Abgeordneter der Regierungspartei.

Dann ließ Erdoğan verlauten, die Bürgermeister der betroffenen Mittelmeerküste, alle geführt von der Opposition, seien verantwortlich für die Bekämpfung der Waldbrände. Hilfsangebote ausländischer Staaten, Löschflugzeuge zu schicken, wurden zuerst einmal abgewiesen. Die Rundfunk- und Aufsichtsbehörde RTÜK wies die Sendeanstalten an, keine negative Berichterstattung über die Waldbrände zuzulassen.

Wie das Feuer waren auch die Nachrichten aus den Waldgebieten nicht unter Kontrolle zu bringen. Millionenfach wurde das Video einer 42-jährigen Köchin geteilt, deren Bruder 2017 bei einem Waldbrand ums Leben gekommen ist: „Wir haben alles Hab und Gut verloren. Tretet zurück“, ruft die Frau dem Forstminister zu. Sie wurde mittlerweile wegen Beleidigung des Staatspräsidenten festgenommen. Auch der Twitter Hashtag #HelpTurkey, von prominenten Schauspielern und Künstlern geteilt, erreichte Millionen.

„Die starke Türkei“ sagt Erdogan

Mittlerweile hat die Generalstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Präsident Erdoğan hatte gesagt: „Um die Türkei als mittellos und arm zu denunzieren, haben sie die Kampagne #HelpTurkey gestartet. Wir sagen: Die starke Türkei. Wir sind stark.“

Unvergesslicher Höhepunkt ist die Stippvisite des Präsidenten in der vom Feuer umgebenen Mittelmeerstadt Marmaris. Er sagt Menschen, deren Häuser abgebrannt sind, Hilfe zu. Dann bewirft er einige Hundert Zuhörer mit Teebeutelgeschenken. Ein Lokalpolitiker seiner Partei legt nach. „Wäre bloß auch unser Haus abgebrannt, werden die Menschen sagen.“ Es erinnert an den US-Präsidenten Donald Trump, der im Jahr 2017 ebenfalls auf Stippvisite in dem vom Hurrikan zerstörten Puerto Rico die Menschen mit Toilettenpapier bewarf.

Schließlich nahm die Türkei doch Hilfe an, auch von der EU. Es kamen 3 Löschflugzeuge. Und plötzlich ist das Foto da, das die endgültige Niederlage der staatlichen Kommunikation besiegelt: Eine junge Spanierin, Pilar Martin, im Cockpit des Löschflugzeugs. Nach geflogenem Einsatz macht sie das Siegeszeichen. Millionen Türken vergöttern sie nun, während sie ihren frauenfeindlichen Präsidenten verabscheuen.

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