Waldbrände in Russland: Flammeninferno über Sibirien

In Sibirien wüten die schlimmsten Brände seit Jahrzehnten. Das liegt nicht nur am Klimawandel, sondern auch an falschen politischen Entscheidungen.

Männer stehen vor hohen Flammen

Löscharbeiten im Gebiet Gorny Ulus westlich von Jakutzk Foto: Ivan Nikiforov/ap

KIEW taz | Orange und fast sonnenlos ist der Himmel über der russischen Teilrepublik Sacha, auch unter dem Namen Jakutien bekannt, im Nordosten Russlands. Grund sind die Waldbrände, die Jakutien, aber auch anderen Gebieten von Russland den Atem rauben.

16,6 Millionen Hektar Wald brannten und brennen in Russland seit Jahresbeginn, berichtet Greenpeace Russland. Zum Vergleich: Deutschland ist 35,7 Millionen Hektar groß. Schon jetzt werde deutlich, dass die diesjährigen Waldbrände in Russland die größten in diesem Jahrhundert seien, so Greenpeace.

Inzwischen habe der Rauch den Nordpol erreicht, berichtet die russische Zeitung Nowaja Gaseta. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Menschheit. Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua ist Rauch aus Sibirien auch in der Mongolei angekommen.

„Jetzt kann ich auf die Sonne so schauen, wie ich sonst auf die Sterne schaue“, berichtet Alexej Tarassow von der Nowaya Gaseta von seinem Leben in Krasnojarsk, das ebenfalls vom Rauch der sibirischen Waldbrände eingehüllt ist. Alle Gesundheitsdienste rieten der Bevölkerung, die Aufenthalte im Freien auf ein Mindestmaß zu beschränken, sich mehrmals am Tag zu duschen, Nase und Rachen immer wieder durchzuspülen, so Tarassow.

Radioaktivität frei gesetzt

Jakutien ist am stärksten von den Bränden betroffen. In dem Dorf Byas-Kyuyol sind den Flammen 40 Häuser, 15 Garagen und ein Stall mit hundert Kühen zum Opfer gefallen. 13 weiteren Ortschaften in der Region könnte ein ähnliches Schicksal drohen. Der Waldbrand setzt auch Radioaktivität frei.

In Jakutien hatte die Sowjetunion Atomexplosionen zu nichtmilitärischen Zwecken durchgeführt. Dabei, so die Nowaja Gaseta, sei auch Radioaktivität freigesetzt worden. Und in unmittelbarer Nähe dieser Gebiete brenne nun die Taiga, was automatisch eine erneute radioaktive Belastung bedeute.

Fast stündlich berichtet Polina Pawlowa, Bewohnerin der 6.000-Seelen-Gemeinde Berdigestjach, auf ihrer Facebook-Seite über die Lage in ihrem vom Smog eingehüllten Ort. Pawlowa arbeitet als Freiwillige bei der Evakuierung von Bewohnern gefährdeter Häuser. In einer Sporthalle seien 168 Schlafplätze vorbereitet, Bewohner bringen Lebensmittel, Liegen und Decken vorbei.

Nicht alle Plätze seien derzeit belegt, aber da man davon ausgehe, dass weitere Häuser evakuiert werden müssen, sei man auf eine größere Zahl von Evakuierten eingerichtet. Wahrscheinlich müssten noch weitere Stützpunkte eingerichtet werden. Noch seien die Brände 50 Kilometer von Berdigestjach entfernt.

Verbrannte Hunde

„Evakuierte berichten mir von verbrannten Hunden am Weg und einem Bären, der ins Dorf gekommen sei und wegen dem sich die Menschen nicht mehr aus ihren Häusern trauten.“ Gleichzeitig hilft sie mit bei der Organisation von Erholungsaufenthalten obdachlos gewordener Kinder im südrussischen Sotschi.

Mit an vorderster Front bei der Bekämpfung der Flammen ist Greenpeace Russland. Wolle man jedoch verhindern, dass sich derartige Waldbrände wiederholten, müsse man auch deren Ursachen analysieren und auf gesetzgeberischem Weg einiges verändern, meint Greenpeace.

Grigorij Kuksin, Leiter der Abteilung Waldbrandbekämpfung bei Greenpeace, sieht ein Zusammenwirken mehrerer Gründe als Ursache der Waldbrände. Bedingt durch den Klimawandel breite sich der Seidenspinner immer mehr in den russischen Wäldern aus. Durch dessen Massenvermehrung könne es zum Kahlfrass ganzer Wälder kommen. Die seien dann viel anfälliger für Brände. Hinzukomme die Praxis, sich bei der Bekämpfung auf die Brände zu konzentrieren, die direkt Menschenleben gefährden.

Das heißt aber auch im Umkehrschluss, so Kuksin gegenüber der Nowaja Gaseta, dass einige Brände überhaupt nicht bekämpft werden. Derzeit betreffe das 157 Brände in Jakutien. Eine weitere Fehlentscheidung sei die Abschaffung der unabhängigen Umweltbehörde gewesen. Als Folge hätten Qualität und finanzielle Ressourcen der Waldbrandbekämpfung sehr gelitten. Die staatliche Waldbrandbekämpfung sei personell und materiell völlig unzulänglich ausgerüstet, so Kuksin.

Aufklärung der Bevölkerung

Greenpeace Russland hat für die Regierung einen Forderungskatalog formuliert, dessen Umsetzung einen besseren Waldschutz garantieren würde. So will Greenpeace die Praxis, gewisse Brände überhaupt nicht zu löschen, weitgehend verbieten lassen, eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über Waldbrandbekämpfung sicherstellen, die finanziellen Mittel für Waldschutz erhöhen und die freiwilligen Feuerwehren ausbauen.

Von staatlicher Seite müssten mindestens 1,1 Milliarden Euro pro Jahr für den Schutz vor Waldbränden ausgegeben werden. Derzeit erhalten die russischen Regionen ein Drittel dieser Summe.

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