Waldbrände in Italien und der Türkei: Es brennt am Meer
Mehrere Tote in der Türkei, dramatische Szenen am Strand von Sizilien: Eine Hitzewelle sucht Italien, Griechenland und die Türkei heim.
Die Waldbrände in der Türkei, in Italien und in Griechenland nehmen kein Ende. Sobald ein Feuer gelöscht ist, lodert es an anderer Stelle wieder auf. So musste am Wochenende in der türkischen Urlaubsregion Antalya erneut ein Dorf evakuiert werden. Weitere Menschen starben in den Flammen. Damit erhöht sich die Todeszahl in der Türkei auf acht.
Schlimmer noch als in Antalya erwischte es Urlauber im Ferienort Bodrum. In einer Bucht rückte das Feuer so nah an Hotels heran, dass 540 Menschen in Panik ans Meer flüchteten und mit Booten gerettet werden mussten. Auch in der Region Marmaris brennt es weiter. Mehrere Fischer- und Urlaubsorte sind von der Außenwelt abgeschlossen beziehungsweise können nur noch per Boot erreicht werden.
Neben den Toten und über 100 Verletzten sind nach offiziellen Angaben bereits jetzt 95.000 Hektar Wald abgebrannt – rund zehnmal so viel, wie in den letzten 20 Jahren im Jahresschnitt durch Brände verloren ging.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan besuchte am Samstag die Katastrophenregionen und flog per Hubschrauber einige Gebiete ab. Seine Regierung habe nach den bereits vor zwei Tagen in Russland gecharterten Löschflugzeugen weitere Flugzeuge in der Ukraine und Aserbaidschan mobilisiert, verkündete er.
Bis zu 45 Grad
In sozialen Netzwerken wird die Regierung seit Tagen angegriffen, weil sie eigene Löschflugzeuge jahrelang nicht instand gesetzt oder durch neuere Modelle ausgetauscht habe. Stattdessen, so der Vorwurf, halte sich Erdoğan mehrere Flugzeuge und Hubschrauber zur persönlichen Verfügung. Um von dieser Debatte abzulenken, behaupten regierungsnahe Medien, die Brände seien von „Terroristen“ gelegt worden – gemeint ist die kurdische PKK. Obwohl es keinerlei Belege dafür gibt, hieb auch Erdoğan am Samstag in diese Kerbe.
Wie unsinnig der Vorwurf ist, zeigt die Situation in Griechenland und Italien, wo es ebenso brennt. Verantwortlich für die Brände sind eine Hitzewelle, ausgedörrte Wälder und heftige Winde. Am Wochenende waren es in der Südtürkei und in Griechenland 42 bis 45 Grad. Für kommende Woche erwarten Meteorologen noch höhere Temperaturen.
In Griechenland mussten mindestens 16 Menschen wegen Atemwegsbeschwerden in Krankenhäusern der Halbinsel Peloponnes behandelt werden. Mehrere Häuser im Raum der Kleinstadt Egion wurden zerstört. Die Brände konnten hier am Sonntag jedoch eingedämmt werden.
In Italien ist vor allem Sizilien betroffen. Am stärksten hat es Catania und Umland getroffen, die zweitgrößte Stadt der Insel. Dort drangen die Flammen bis an den Rand einiger Stadtviertel vor. Mehrere Dutzend Personen mussten in Notunterkünften untergebracht werden. Angesichts der Rauchentwicklung kam zeitweise auch der Verkehr auf dem Flughafen zum Erliegen.
Dramatische Szenen spielten sich direkt am Strand ab: Mehrere Strandbäder gingen in Flammen auf, verkohlte Sonnenschirme blieben übrig. Auch hier mussten etwa 200 Badegäste über See evakuiert werden. In der Provinz Palermo wurde die Gedenkstätte von Portella della Ginestra verwüstet, wo 1947 Banditen im Auftrag der Mafia elf Menschen erschossen hatten, die zu einer Gewerkschaftskundgebung gekommen waren.
Feuer absichtlich gelegt
Schon jetzt ist die Zahl der Waldbrände im gesamten Süden Italiens laut Zivilschutz überdurchschnittlich hoch; so wurde letzte Woche auch Sardinien von Bränden getroffen. Bis zu 99 Prozent der Feuer seien vorsätzlich gelegt worden. In den Medien wird spekuliert, ob Platz für Photovoltaikanlagen oder Weidegebiete geschaffen werden soll.
Auch Forsthelfer*innen geraten ins Visier. Sizilien beschäftigt ein Heer von fast 20.000 Personen, teils nur im Sommer, das für die Prävention zuständig ist, etwa für das Legen von Brandschneisen oder die Säuberung des Unterholzes. Doch Siziliens Regionalregierung hat erst im Juni, als erste Brände schon ausgebrochen waren, die nötigen Haushaltsmittel bereitgestellt – und dies auch nur zum Teil.
Statt sich dazu zu äußern, legte sich Nello Musumeci, Präsident der Region Sizilien, lieber mit anderen an. Es gebe „Tausende unverantwortlicher Bürger“, beschwerte er sich, „die, statt sich um Prävention zu kümmern, hinterher rumjammern“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel