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Waldbesetzung lohnt sichHamburger Senat stoppt Hafenfraß

Der Vollhöfner Wald ist endgültig dem Hamburger Hafen entzogen. Ein später Sieg für die Be­set­ze­r*in­nen von damals – doch mit einer Schattenseite.

Die Wald­beset­ze­r*in­nen im Vollhöfner Wald haben jetzt ihr Ziel erreicht Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Hamburg taz | Der Hamburger Hafen ist ein gefräßiges Tier. Er nimmt eine riesige Fläche mitten in der Stadt ein, auf der ein Sonderrecht gilt, sodass die Planer großzügig von Auflagen befreit, schalten und walten können. Neben diesem eigentlichen Hafenareal gibt es ein Hafenerweiterungsgebiet – Flächen, die für eine künftige Expansion des Hafens freizuhalten sind.

Nach jahrelangen Protesten ist es Naturschützern jetzt gelungen, eine dieser Flächen den langen Fingern des Hafens und seiner Lobbyisten zu entwinden. Der Vollhöfner Wald, „Völli“, wie ihn die Aktivistenszene nennt, soll das 38. Hamburger Naturschutzgebiet werden. SPD und Grüne setzen damit eine Vereinbarung aus ihrem Koalitionsvertrag vom Juni 2020 um.

Die Geschichte beginnt 2015, als die Hamburg Port Authority (HPA) ihre „Hafenplanungsverordnung Altenwerder-West“ öffentlich auslegte. Damit sollte das offiziell „Vollhöfner Weiden“ genannte Gebiet Teil des Hafens werden. Alternativen dazu gebe es nicht, beschied die Hafenbehörde, weil es keine ähnlich großen zusammenhängenden Flächen mehr im Hafen mit guter Verkehrsanbindung gebe.

Die Umweltverbände Nabu und BUND klagten dagegen 2016 vorm Verwaltungsgericht. Der BUND wies darauf hin, dass es um „eine der wenigen Waldstrukturen im Biotopverbund des Süderelberaums“ gehe. Auf der insgesamt 74 Hektar großen Fläche gibt es Röhricht, Laub- und Auwälder. Hier gedeihen Rote-Liste-Pflanzen wie das Fluß-Greiskraut und die Sumpf-Gänsedistel. In den Baumhöhlen wohnen gefährdete Fledermäuse wie der Große Abendsegler und im Weidengebüsch baut die Beutelmeise ihre Nisthöhlen.

„Friedlich, aber bestimmt“

Drei Jahre später – in Sachen Klage hatte sich noch nichts getan – rückten Arbeiter an, um den Baugrund zu untersuchen. Die Umweltverbände schlugen Alarm. Das Kommunalparlament des Stadtteils Harburg sprach sich für den Erhalt des Waldes aus. Die „Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald“ protestierte mit Sonntagsspaziergängen „friedlich, aber bestimmt“ gegen die Vernichtung des Waldes.

Schließlich einigten sich der SPD-nahe Wirtschaftssenator und der grüne Umweltsenator auf ein mehrmonatiges Fällmoratorium bis zur nächsten Bürgerschaftswahl. Einigen Aktivisten erschien das nicht sicher genug: Sie bauten ein Baumhaus im Dickicht, das eine Woche später geräumt wurde.

Doch der Protest war erfolgreich. Bei den Koalitionsverhandlungen Anfang 2020 erreichten die Grünen, dass der Wald erhalten bleiben sollte. Im Gegenzug gaben sie ihren Widerstand gegen eine neue Autobahn, die A26 Ost, durch den Süden Hamburgs auf. Das entsprach einem Deal, den Nabu und BUND Jahre zuvor dem Senat vorgeschlagen hatten.

Der Nabu wertete die Unterschutzstellung als „erfreuliches Zeichen, auch wenn dafür an anderer Stelle wertvolle ökologische Flächen verloren gehen“. Er forderte den Senat auf, innovativer und sparsamer mit den reichlich vorhandenen Flächen im Hafen umzugehen. Ziel müsse es sein, gar keine Naturareale im Hafen zu planieren.

Denn leider hat der jetzige Senatsbeschluss einen Pferdefuß: Im Gegenzug für die Erhaltung des Waldes dürfen zwei ähnliche, wenn auch etwas kleinere Gebiete innerhalb des Hafens plattgemacht werden. Zudem sind auf einem Teil des geschützten Areals Standorte für Windräder vorgesehen.

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14 Kommentare

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  • Ich finde das schon merkwürdig.



    Der Hafen ist doch ein riesiger Drogenumschlagsplatz.



    Jede Kneipe würde geschlossen werden und die Verantwortlichen erhielten langjährige Haftstrafen.



    In Hamburg durften die Verantwortlichen bisher schalten und walten wie sie wollten und den Drogenumsatz durch Erweiterungen noch erhöhen und Kontrollen uneffektiver machen..



    Wieso fordert so ein herr Söder nicht sofort die Schließung des Hamburger Hafens? Oder sind Scheuers Autobahn-AG oder andere bayerische Firmen und Politker beteiligt?

    • @StefanMaria:

      Oh Mann. In welchem Hafen der Welt werden wohl keine Drogen oder andere illegale Güter umgeschlagen? Wollen Sie alle Häfen schließen, nur weil die Unterwelt diese als Möglichkeit für sich entdeckt hat, dort ihren Geschäften nachzugehen?

    • @StefanMaria:

      Sollte „das Internet“ auch geschlossen werden, weil es ein riesiger Drogenumschlagplatz ist? Sind alle Smartphone-Hersteller sofort zu verhaften, weil sie überhaupt erst ermöglichten, dass die Konsumenten und die Dealer sich gegenseitig kontaktieren? Kurz: Völlig daneben.

  • Na guck! Das ist ja mal was!

    Schade nur für die Grünen dass es bis zur Wahl noch so lange hin ist.

    Denn bis dahin haben die Wählerinnen diesen bahnbrechenden Erfolg der Grünen längst vergessen ...

  • Bewegungsromantische Sicht



    Wird da im Text das von ebendiesem selbst als "ein Baumhaus" für "eine Woche" beschriebene Besetzertum nicht in seinem Beitrag zur Gesamtwirkung des Protests etwas zu sehr herborgrhoben - schon in der Überschrift ?

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Der Hamburger Hafen ist eine traurige Lachnummer - wo auf der Erde gibt es einen Hafen dieser Dimension und weit weg vom Meer? Wieviel Milliarden wurden und werden da versenkt wo es doch genügend preiswert ausbaufähige, nationale Haefen an Nord und Ostsee gibt? Hinzu kommt das die Hamburger Regional Politiker regelmaessig in der Bundesregierung sind und dort vergleichbar duemmlich und Steuergelder verschleudert agieren!

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Der Hamburger Hafen liegt zweifelsohne weit im Landesinnern, hat aber trotzdem eine immense Bedeutung für den Handel. Denn von Hamburg aus können Waren viel schneller nach ganz Europa verteilt werden als von jedem Küstenhafen. Darum ist nach wie vor von zentraler Bedeutung und nicht ohne Grund der drittgrößte Hafen in Europa.

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Einer dieser Regionalpolitiker ist - wie auch immer - Bundeskanzler geworden und hat sich leider nie von seiner ... Heimattreue lösen können.



      Immer, wenn ich diesen Menschen im Fernsehen sehe, denke ich mir so, wenn er wieder so duckmäuserisch herumflüstert : was muß dieser Mann für politisch/gesellschaftliche Leichen in seinem Keller liegen haben ! Möglicherweise stimmt es ja gar nicht - aber genau so kommt er rüber. Würden die Wähler anderer Länder auch ausgerechnet einen Ex-Finanzminister zum Chef der Regierung machen ??? Das kann ich mir kaum vorstellen.

      • @Zebulon:

        Dann blicken Sie mal gen Westen, über den Kanal, da haben sie unlängst "einen Ex-Finanzminister zum Chef der Regierung" gemacht. Trotz des vermeintlich mahnenden Beispiels Scholz.

        • @TheDigit:

          Tja, ne ... multipliziert mit dem Brexit kommt so etwas natürlich wieder ins Plus. Er kann auch sehr schön lächeln ... da ist er viel besser als Scholz.

  • Damit kein falscher Eindruck entsteht, das ist ein "winziges Wäldchen", kein Wald.



    Trotzdem richtig, dass er stehen bleibt.

    • @Rudi Hamm:

      Es gab die Flächenangabe von 74 Hektar. Das ist dort definitiv eine bedeutsame Landfläche - gerade, wenn sie noch eine gesunde Artenvielfalt aufweist.

      Besser weit links als rechts !

  • "Zudem sind auf einem Teil des geschützten Areals Standorte für Windräder vorgesehen."



    Aber Windstrom ist doch umweltfreundlich ,oder?

    • @Mustardmaster:

      Innerhalb der allgemeinen Umweltschutz- Bewegung gibt es verschiedene Gruppen. NABU schützt vor allem viele kleine Natur- Flächen vor Ort.



      Umweltschutz kann man mit besserer Technik schützen. Oder mit St. Florian Prinzip. Oder mit Askese und Schrumpfen der Wirtschaft.