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Wahre Liebe von FußballfansFußball muss romantisch sein

Es macht unglücklich, immer Meister werden zu wollen. Stilvoll verlieren zu können, ist besser. So wird man am schönsten mit seinem Verein alt.

Irre Träume: Gewisse Kölner Anhänger hegen sie in jeder Lebens- und Tabellenlage Foto: Action Pictures/imago

D as ist doch nett vom Fußball, dass die beiden Klubs aus den großen Karnevalsstädten schon nach drei Spieltagen mitten im Abstiegskampf stecken und deren Anhängern nun trotz der bald beginnenden, aber weitgehend ausfallenden Jeckenzeit viel Beschäftigung und Aufregung haben werden und nicht mal auf Kopfweh nicht verzichten müssen. Na gut, und die diesem königsblauen Klub Zugeneigten auch – wofür die entschädigt werden, weiß man allerdings noch nicht genau.

Der Rest kann sich derweil auf eine der üblichen Spielzeiten einrichten, in denen eigentlich nichts weiter passiert, als dass Bayern Meister wird und alle anderen nicht, außer es handelt sich um eine der Saisons (oder Saisonnen, was sich eigentlich viel hübscher anhört), in denen mal ganz wer Unvermutetes Bundesligagewinner wird, aber damit warten wir, bis der MSV Duisburg wieder ganz oben mitspielen darf. (Höhö, das glaubt die ja wohl selber nicht, dass die Zebras das mal schaffen – richtig.)

Dafür glaubt sie fest daran, dass im Fußball alles immer so kommt, wie man es nun grad gar nicht gebrauchen kann. Das ist schlecht, wenn man gern auch mal freudetrunken durch eine Innenstadt torkeln möchte, und, angetan mit einem objektiv sehr unkleidsamem Vereinstrikot, laut schlecht gereimte Lieder singen möchte, deren Refrain aus dem stakkatoartig vorgetragenen Wort „Meister“ besteht.

Abgesehen davon, dass die Zeiten nicht so sind, dass man seine womöglich hochinfektiösen Spucketröpfchen wahllos auf Unbeteiligten verteilen sollte, ist Meisterwerden aber sowieso nicht das, was man vorrangig beim Fußball lernen kann oder lernen sollte. Stilvoll verlieren schon eher. Zumal anderen Leuten wegen dreier verlorener Punkte nicht auf die Nerven zu gehen, nun auch nichts ist, was zu lernen Jahre dauert.

Nie gewinnen wollen

Jedenfalls ist das ständige Gewinnenwollen aus einem ganz anderen Grund sehr schade: Weil diese Leute den allerschönsten Moment im Leben eines Fußballfans nicht kennen und womöglich auch nie kennenlernen werden, nämlich den, in dem einem klar wird, dass der Verein, den man mag, niemals Meister werden und gleich doppelt niemals Champions-League-Gewinner oder (abgesehen von Spielen gegen den örtlichen Lokalmatadoren im Trainingslager) in irgendeinem Ausland international spielen wird.

Dieser glückliche Moment ist dann erreicht, wenn man die allerneuesten Pläne und Ideen aus dem Management seines Lieblingsklubs liest, mit denen diesmal aber wirklich große Ziele erreicht werden sollen, und wenn mann weder begeistert noch kritisch reagiert, sondern sich denkt: „Schön, dass es dich gibt, aber du kannst auch ruhig die Klappe halten und wir haben es bloß einfach so nett miteinander.“

Wenn der Verein in diesem Moment auf einer Bank neben einem säße, würde man ihn dann anschauen wie einen Menschen, den man schon sehr lange liebt, aber über dessen Unzulänglichkeiten man sich nach all den Jahren keinerlei Illusionen mehr macht. Und dann würde man zugleich ein bisschen weinen, weil es doch so schwer zu ertragen ist, dass er immer noch Dinge verspricht, von denen man weiß, dass er sie nicht halten kann, und gleichzeitig würde man ein wenig lächeln, weil es zwar herzzerreißend, aber auch sehr schön ist, dass er nicht aufgibt und immer noch träumen kann.

Und dann würde man ihm über den Arm oder übers Haar streichen und sagen: „Ja, das wird bestimmt wunderbar.“ Doch keinesfalls würde man zuhören, weil man sonst zu traurig werden würde. Nicht über die unerfüllten Träume, natürlich, sondern darüber, dass man nicht bloß nett zusammen dasitzen und alt werden kann, weil dieser Blödmannsverein offenkundig glaubt, einfach er selbst zu sein, genüge nicht.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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