Wahlwiederholung in Berlin: Berliner Grüne mächtig unter Druck
Sie hätten Platz eins haben können, doch es hat wieder nicht gereicht. Welches Bündnis werden die Grünen nun eingehen?
Frenetischen, am Ende aber verfrühten Jubel hatte es auch vor anderthalb Jahren gegeben, damals bei der gemeinsamen Wahlparty von Bundes- und Landespartei. Für eine Stunde hatte es so ausgesehen, als habe Spitzenkandidatin Bettina Jarasch das Rennen gemacht. Ob sie es im zweiten Anlauf geschafft hat, muss sich nun zum zweiten Mal in einer langen Wahlnacht herausstellen.
Für Jarasch wäre ein Erfolg eine echte Genugtuung. Zum ersten Mal wollte sie die Grünen in ihrer Hochburg Berlin ins Rote Rathaus führen, den Sitz der Regierenden Bürgermeisterin. Zwei Mal schon war die Partei damit gescheitert, trotz anfangs teils spektakulär guter Umfragen: 2011 schien Renate Künast der Sieg schon sicher, am Ende musste sie sich Klaus Wowereit (SPD) geschlagen geben.
Im September 2021 hatte es Jarasch noch selbst in der Hand. Doch auch damals zog am Ende die SPD knapp an ihr vorbei. Spitzenkandidatin Franziska Giffey, dann Regierende Bürgermeisterin, profitierte dabei auch vom Boom von Olaf Scholz bei der parallelen Bundestagswahl.
Von der Hinterbänklerin zur Supersenatorin
Immerhin wurde Jarasch unter Giffey grüne Supersenatorin mit einem breiten Aufgabenspektrum von Verkehr und Umwelt über den Verbraucher- bis zum Klimaschutz – ein großer Schritt für die heute 54-Jährige, die zuvor eher eine Hinterbänklerin im Abgeordnetenhaus gewesen war. Jarasch hatte zwar die Berliner Grünen von 2011 bis 2016 in einer Doppelspitze angeführt; stand dann aber lange im Schatten anderer prominenter Frauen bei den Berliner Grünen.
Im Wahlkampf hatte sie stärker als andere Kandidat*innen versucht, die für Berlin nötigen Veränderungen zu betonen. So kündigte sie in einem taz-Interview erstmals an, beim anstehenden Klimavolksentscheid mit Ja zu stimmen. Dessen Ziel, die Stadt bereits bis 2030 und damit 15 Jahre früher als vom Senat geplant klimaneutral zu machen, hatte sie als zuständige Senatorin wenige Monate vorher noch abgelehnt – weil es nicht umsetzbar sei.
Geradezu für Aufruhr sorgte Jarasch, als sie mitten in der heißen Wahlkampfphase die erneute Sperrung der zentralen Friedrichstraße für Autos ankündigte – selbst Regierungschefin Giffey kritisierte den Schritt als „nicht abgesprochen“. Jarasch hatte die Umwandlung von Teilen der Edeleinkaufsmeile zwar bereits im vergangenen Jahr angekündigt, wusste aber natürlich, welche Wellen ihr Schritt zu diesem Zeitpunkt schlagen würde.
Denn die Straße war zuvor bereits eineinhalb Jahre autofrei gewesen; allerdings hielten selbst viele Grüne diesen Verkehrsversuch für höchstens in Teilen geglückt. Daher nutzten Jaraschs Gegner die Friedrichstraße als vermeintliches Symbol für eine Verkehrswende, die gegen den Willen der Bevölkerung umgesetzt werde.
Duell Jarasch vs. Giffey schadete Ansehen der Parteien
Wirklich punkten konnte Jarasch damit im Wahlkampf jedoch nicht. In Umfragen hatte nach der Debatte um die Silvesterrandale schnell die CDU die Führung übernommen, Grüne und SPD lieferten sich ein enges Rennen um Platz zwei mit jeweils knapp unter 20 Prozent – das entsprach zumindest bei den Grünen dem Ergebnis von 2021.
Nach Meinung des Politologen Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin war dieses harte Duell problematisch für beide Parteien und das Ansehen des Senats insgesamt. „Es entsteht der Eindruck, dass es kein Bündnis ist, das in eine Richtung zieht“, sagte Faas vor der Wahl. Das habe dazu geführt, dass die Werte weder für Giffey noch für Jarasch richtig gut waren.
Jarasch hatte früh angekündigt, das bisherige Bündnis mit SPD und Linken fortsetzen zu wollen – nur eben unter ihrer Führung. Die Linken signalisierten tendenziell Zustimmung – die Partei von Spitzenkandidat Klaus Lederer hat aber auch keine andere Machtoption. Bei der SPD, die seit 2001 die Regierungschef*in stellt, bliebt die Position dazu unklar. Die Grüne hatte daher auch eine Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen, zugleich aber klargemacht, dass dies nur die letzte Option wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht