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Wahlschlappe für Grüne in MVEin Hauch von Tragik

Die Niederlage der Ökopartei bei der Landtagswahl liegt auch an der mangelnden Wählerschaft in der Fläche. Es kamen zwei spezielle Effekte hinzu.

Nach kurzem Zwischenspiel wieder raus: die Grünen in Schwerin Foto: dpa

Berlin taz | Für die Grünen ist es ein harter Schlag: Die Ökopartei scheiterte bei der Landtagswahl knapp an der 5-Prozent-Hürde und wird nicht in den neuen Landtag einziehen. „Es ist bitter. Offensichtlich zählen in Mecklenburg-Vorpommern nicht Inhalte, sondern es sind Frust und Unzufriedenheit, die die Menschen an die Wahlurne bringen“, sagte Spitzenkandidatin Silke Gajek am Sonntagabend in Schwerin. Damit ist das Zwischenspiel der Grünen, die es 2011 erstmals seit der Wende ins Parlament in Schwerin schafften, beendet.

Die Grünen haben in Ostdeutschland traditionell Probleme. Themen wie Klimaschutz, ökologische Landwirtschaft oder gutes Essen ziehen nicht so wie im Westen der Republik. Außerdem spielte die kleine Ökopartei in der Polarisierung über die Flüchtlingspolitik keine große Rolle. Die nach Berlin gereiste Gajek schob am Montag der in Schwerin regierenden Großen Koalition die Schuld für das schlechte Abschneiden zu. Jene bedeute Stillstand und vernachlässige die ländlichen Räume. „Gerade die Menschen in der Fläche haben Protest gewählt.“

Die Grünen sind in Großstädten stärker als auf dem Land. Ganz gut stehen sie in Städten wie Rostock da, in Greifswald stellen sie seit einem Jahr sogar den Oberbürgermeister. Allerdings ist die Schicht des gebildeten, ökoaffinen Bürgertums dünn. Im Wahlkreis Greifswald kam die Ökopartei auf 9,4 Prozent, in den vier Rostocker Wahlkreisen lag sie zwischen 4,2 und 11,5 Prozent. Doch in der Fläche lagen die Werte viel niedriger.

Die Grünen litten unter zwei Effekten, auf die sie wenig Einfluss hatten. Zum einen saugte der beliebte SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering rot-grüne Wechselwähler an wie ein Staubsauger. 10.000 Wähler wechselten von den Grünen zur SPD, das ist eine relevante Abwanderung. Das Kreuz bei Sellering war schließlich die beste Absicherung gegen einen AfD-Sieg, die Grünen spielten in dieser Abwägung keine Rolle.

Außerdem war die gestiegene Wahlbeteiligung entscheidend. Diese lag mit 61,6 Prozent deutlich über der von 2011 (51,5 Prozent), weil die AfD viele Nichtwähler zum Urnengang motivierte. Für eine Kleinpartei mit wenigen Stimmen ist das allerdings negativ, weil ihre absolute Stimmenzahl dann weniger ins Gewicht fällt. In der Niederlage der Grünen liegt also auch ein Hauch von Tragik.

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21 Kommentare

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  • Wo ist die Tragik?

     

    Das grüne Programm bzw. die grünen Spitzenkandidaten/innen haben in MV nicht genug Leute mobilisiert. Darüber könnte man nachdenken oder es bleiben lassen.

     

    Frau Gajek belässt es bei einer Wählerbeschimpfung.

  • „Die nach Berlin gereiste Gajek schob am Montag der in Schwerin regierenden Großen Koalition die Schuld für das schlechte Abschneiden zu“

     

    Jaja, wenn man nur einen Schuldigen für das eigene Versagen hat!

    Für wie dumm hält eigentlich Frau Gajek das Wahlvolk? Mal angenommen, die GroKo hätte erfolgreich getan, was MeckPomm voranbringt: Dann hätte es natürlich keinen Grund gegeben, AfD zu wählen. Warum auch? Aber dann wären die Stimmen bei SPD und CDU gelandet; die Grünen wären wiederum leer ausgegangen!

     

    Woher nimmt Frau Gajek bloß die Überzeugung, dass die politischen Gegner für den Erfolg der Grünen zu sorgen haben?

  • Die Grünen haben sich schon längst von sozialen Themen verabschiedet und sind dem alten Image entgegen eigentlich auch keine Umweltpartei im Sinne von Natur- und Biotopschutz mehr. Ganz strenggenommen sind die Grünen auch keine Partei für die Interessen der Migranten, denn sie machen Klientelpolitik für Bewohner*innen der gentrifizierten

    Stadtteile, aus denen die Migranten längst vertrieben wurden.

    Auch mit hochsubventionierten Solarzellen auf Dächern von Eigenheimen oder innovativen Gründerfirmen wird nur eine Klientel bedient, die es jedoch von der Alb nicht bis an die Ostseeküste geschafft hat.

     

    Sobald die sozialen Verwerfungungen in unserer Gesellschaft wieder gekittet sind, wird sich das Problem AfD ganz schnell erledigt haben, auch mit den Entsprechungen in Europa. Absurderweise würde eine regierende AfD mit ihrem extrem neoliberalen Kurs automatisch noch mehr Verlierer der Gesellschaft produzieren, nur fraglich wohin diese dann mit ihrem Frust sollen, wenn sie ihn nicht mehr bei den Geflüchteten abladen können.

  • „Es ist bitter. Offensichtlich zählen in Mecklenburg-Vorpommern nicht Inhalte, sondern es sind Frust und Unzufriedenheit, die die Menschen an die Wahlurne bringen“.

     

    Falsch. Dort zählten wohl auch Inhalte, aber mit den Inhalten, die die Grünen verkörpern, warin MV kein Blumentopf zu gewinnen.

     

    "Außerdem spielte die kleine Ökopartei in der Polarisierung über die Flüchtlingspolitik keine große Rolle."

     

    Falsch. Die "kleine" Ökopartei spielte in der Polarisierung eine sehr große Rolle. Denn sie verkörpert in der Debatte um Flüchtlinge, Multikulturalismus, Islam u. Burka gegnau die Gegenposition dessen, was gerade angesagt ist.

     

    "In der Niederlage der Grünen liegt auch ein Hauch von Tragik."

     

    Sollen mit dieser Aussage Sympathien für die Grünen geweckt werden ?

  • Klimawandel ist eines der zentralen Kernthemen der etwa 20% Prozent Arbeitslosen in Mecklenburg, der 20% im Niedriglohnsektor und der 25% Rentner. Genauso stark wie der Schutz des Juchtenkäfers sowie der Veggi-Tag in der nichtvorhandenen Knatine ihres nichtexistenten Arbeitgebers.

     

    Weil die Grünen stark blieben und sich auf solche Inhalte konzentriert haben, können sie nun den verdienten Erfolg errungen.

  • Nun ja, ob dies große Auswirkungen auf die kommende Schwarz-Grüne Koalition haben wird, ist sehr fraglich.

  • Ich kann auch sehr gut nachvollziehen, weshalb es die GRÜNEN in MW nicht geschafft haben. Und das wird vermutlich auch in anderen Bundesländern bzw. bei Wahlen so weitergehen. Die GRÜNEN sind eben doch der FDP näher als dem gemeinen Bürger.

     

    Zur SPD-GRÜNEN Hartz-Reform auch hier mehr interessante Kommentare:

    http://www.taz.de/Strengere-Hartz-IV-Sanktionen-geplant/!5336815/

    • @Hanne:

      Sehe ich auch so. Die Grünen sind eine FDP mit Fahrrad.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Die Grünen haben ein sehr grundlegendes Problem damit sich außerhalb ihrer traditionellen Themen zu etablieren.

    Die Zeiten in denen sie mal 20% bekommen haben sind lange vorbei, es kann ja nicht regelmäßig ein Atomkraftwerk in die Luft fliegen. Das Haupt-Thema, den Atomausstieg, hat ihnen die CDU abgejagt und was bleibt sind Themen die von vielen als Luxusprobleme wargenommen werden. Wer sich mit diesen beschäftigt wirkt schnell so als hätte er von der Lebensrealität des Durchschnittsbürgers keine Ahnung.

     

    Wer in der Großstadt wohnt, im Jahr 50.000€+ verdient und ungebunden ist der kann sich mit Veganismus, Gender und BIO-Lebensmitteln beschäftigen und das ist eben auch die typische Wählerschaft der Grünen. Auf dem Land oder in konservativen Kreisen wird man damit nichts,...

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Und nun ein paar Fakten:

      1. über 30% bekamen die Grünen vor ein paar Monaten in BW.

      2. Die CDU bastelt noch immer daran bei nächster Gelegenheit wieder eine Laufzeitverlängerung zu beschließen, die Energiewende wird von denen so gut blockiert wies eben geht.

      3. Die Lebensrealität der AFD Wähler kann kein vernünftiger Grüner verstehen, denn im MV geht die Welt unter weil dort inzwischen 1% Ausländer wohnen.

      4. Grüne Wähler kennzeichnet vor allem ein hoher Bildungsstand. Dass damit oft auch ein hohes Einkommen einher geht sollte nicht verwundern. Daraus zu schließen die Grünen seinen sowas wie die FDP ist allerdings lächerlich und zeugt eher von Ignoranz und virulenten Vorurteilen gegenüber den Grünen und ihren Wählern.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Grisch:

        Zu 1.: Ja mit einem Politiker und einer Politik die auch in den "linken" Flügel der CDU passen würde.

         

        Zu 2.: Das stimmt aber jetzt wo der große Brocken, also der Ausstieg selber, beschlossen ist zieht das Thema einfach nicht mehr so recht.

         

        Zu 3.: Diese Behauptung ist nicht überprüfbar. Es sei denn sie haben die Hoheit darüber zu definieren wie ein "vernünftiger Grüner" auszusehen hat.

         

        Zu 4.: Wissen Sie für mich ist ein hohes Einkommen im Vergleich zu vielen anderne taz-Lesern kein Markel. Ich habe das hohe Einkommen nur erwähnt um klar zu machen warum die Zielgruppe der Grünen so klein ist.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Gute Beschreibung. Wie wahr !

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Aber selbst jene, die sich wie auch immer mit ökologischen Lebensmitteln und der Umwelt UND zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Themen beschäftigen, können oft GRÜN nicht mehr wählen, obwohl sie das vielleicht 20 Jahre und mehr gemacht haben.

       

      Es bleibt seit einiger Zeit nur das große Fragezeichen: Wen bzw. welche Partei kann ich wählen?

       

      Viele können das für sich nicht mehr beantworten, obwohl sie aus einem politisch interessierten "Milieu" kommen und eigentlich gerne wählen möchten. Aber die Alternativen sind grausam...

       

      Gut, dass viele WählerInnen aus MV so klug waren und ihre Stimmen bedacht verteilt haben, so dass zumindest der anscheinend vertraute SPD-Mann mit seiner Partei weiterhin die größte Fraktion stellen kann.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        Nun die Frage wen man noch mit gutem Gewissen wählen kann stellen sich mit Sicherheit nicht nur ehemalige Wähler der Grünen. Ich habe auch keine Antwort darauf,... an besonders düsteren Tagen spiele ich mit dem Gedanken die PARTEI zu wählen.

      • @Hanne:

        Dann bleibt wohl nur noch die Linke, oder geht das nicht, weil man es dann Leuten gleichtun würde, die fleischlastige Massenlebensmittel von Aldi, Lidl & Co. konsumieren und nach billigem proletarischen Rasierwasser oder 4711 riechen ?

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @Nikolaj Nikitin:

          Naja wer sich die Partei nach dem Stilgefühl und der kulinarischen Versiertheit der Mitglieder auswählt landet aber auch nicht bei den Grünen. ;)

        • @Nikolaj Nikitin:

          Das wäre noch eine Option, aber auch eine mit Wenn und Aber, da auch hier je nach Mitglied und/oder lokaler Parteigemeinde gerne mal am rechten Rand entlang geschifft wird (zumindest im Osten der Republik).

           

          Vielen Linken würde ich auch tatsächlich meine Stimme geben. Ich wähle grundsätzlich nur noch nach Personen, wenn möglich.

           

          Zum Fleisch: Ich kenne viele GRÜNE (Parteimitglieder!), denen Öko-Essen so was von egal ist, das hält mich eher noch mehr vom Wählen der Partei ab als das Bekennen zu Discounterware. Ich steh nicht so auf Verlogenheit und Inkonsequenz. (Wie viele GRÜNEN-Veranstaltungen werden mit konventionellen Buffets und Billiglohnkräften organisiert?)

           

          Bei den GRÜNEN sind auch viele Narzissten, denen geht es hauptsächlich um sich selbst und dass sie toll sind. Und die GRÜNEN waren in den 90ern eben eine noch recht junge Partei, praktisch für Leute, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten und schnell aufsteigen. Ein gehobenes Außenseitertum also auf kommunaler Ebene. Gesichter für Plakate und Listen werden auch bei denen noch in der tiefsten Basis manchmal verzweifelt gesucht und hervorgekramt, um die Listen voll zu bekommen. Das Gesicht landet also, wenn gewünscht, recht schnell auf einem Wahlplakat.

      • @Hanne:

        Sie sagen also dass die WählerInnen nicht rassistischer werden sondern die Wähler schlicht nur immer weniger Vertrauen in die "Kuschel und Status Quo"-Politik der etablierten Parteien haben in Zeiten von Globalisierungsangst, Kapitalismus im Endstadium und weitreichendem Werteverlust.

        • @Chaosarah:

          Ich denke, dass das eine das andere nicht ausschließt. Auf jeden Fall bin ich der Ansicht, dass eine Abkehr von "etablierten" Parteien nicht automatisch auch eine rassistischere Einstellung mit sich bringen muss. Oft wird es der Fall sein, aber eben kein Automatismus. Damit machen es sich die "etablierten" Parteien und PolitikerInnen auch zu einfach.

  • "...nicht Inhalte, sondern es sind Frust und Unzufriedenheit, die die Menschen an die Wahlurne bringen“

     

    Tjo, den Satz sollte sich jeder Politiker der etablierten Parteien einrahmen und gut darüber nachdenken.

    Vielleicht kommt man ja dann auf die Frustrierenden Inhalte.

    Weil frustriert sind die Leute überall und nicht maßgeblich wegen Flüchtlingen!

  • „Es ist bitter. Offensichtlich zählen in Mecklenburg-Vorpommern nicht Inhalte, sondern es sind Frust und Unzufriedenheit, die die Menschen an die Wahlurne bringen“, sagte Spitzenkandidatin Silke Gajek.. Das sagt die Partei, die mit der SPD die Agenda 2010 durchgesetzt und mit dem Hartz-IV System einen menschenverachtenden Repressionsapparat eingeführt hat.Hier fragt man sich schon lange, wie passt dieses System, dass Millionen Menschen täglich unglaublichen Schikanen und Demütigungen aussetzt, überhaupt zur angeblichen Humanität, die das grün-bürgerlich-liberale Juste Milieu in der Flüchtlingsfrage so gerne propagiert? Dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern die Grünen aus dem Landtag gewählt haben, ist konsequent. Was hätten sie von der grünen Neobourgeoisie zu erwarten?