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Wahlkampfstrategie der SPDEin dünner Strohhalm

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD setzt im Wahlkampf auf die Themen Ökologie und Soziales. Gut so. Auch Olaf Scholz ist der richtige Kandidat. Doch ob das reicht? Zweifelhaft.

Suchen zwischen Öko und Sozialem ihren Wahlkampf-Wumms: Die SPD und ihr Kandidat Olaf Scholz Foto: pool via reuters

W enn es für eine Partei richtig mies läuft, dann muss sie etwas ändern. Die SPD war lange bloßes Anhängsel der SPD-Minister und der Fraktion. Daher war es überfällig, dass sie nicht Olaf Scholz, sondern ein eher linkes Duo an die Spitze setzte. Die SPD hat auch aus ihren handwerklichen Fehlern 2013 und 2017 gelernt. Damals nominierte sie chaotisch einen Ex-Finanzminister und einen verdienten Europapolitiker. Leider fanden sich im Willy-Brandt-Haus keine Programme, die zu den Kandidaten passten.

Jetzt hat die Partei früh Scholz nach vorn gerückt. Auch wenn man den Vizekanzler politisch für zu rechts oder ansonsten für zu spröde hält, muss man anerkennen: Die SPD hat ihren aussichtsreichsten Mann nominiert. Die Partei ist nun auch mit ihrem Wahlprogramm früh dran – anders als 2017, als der Schulz-Zug zum Stehen kam, weil niemand wusste, wohin die Reise eigentlich gehen sollte.

Die Scholz-SPD setzt, neben sozialem Ausgleich, auf eine Renaissance des bundesrepublikanischen Korporatismus – grün eingefärbt. Öffentliche Investitionen sollen einen „privatwirtschaftlichen Investitionsschub auslösen“, so steht es in einem SPD-Papier. Viel Staat also, aber nicht in erster Linie als Umverteilungsmaschine, sondern, um in den Fabriken Jobs und der deutschen Wirtschaft in Zukunft Märkte zu sichern.

Scholz als Merkel-Imitator

Ökologie ist kein originelles Wahlkampfthema, aber ein Muss. In den Konzernetagen und in der Union redet man fast fiebrig von ökologischer Marktwirtschaft. Die Grünen wollen längst nicht mehr gegen, sondern mit der Industrie Ökoziele anpeilen. Die SPD setzt auf einen modernisierten Etatismus – der Versuch, die digital-ökologischen Umwälzungen in eine sozialdemokratische Erzählung zu weben. Und damit einen etwas anderen Punkt zu setzen als Grüne und Union.

Die SPD hat in den letzten zwei Jahren im Rahmen des Möglichen viel richtig gemacht. Sie hat ihren Zwist um die Groko professionell beigelegt. Sie ist vorsichtig nach links gerückt und hat sich (wenn auch zu spät) von der Agendapolitik befreit, die wie ein Klotz an ihr hing.

Genau das ist derzeit das Drama der SPD. Würde sie in die falsche Richtung segeln, ließe sich der Kurs korrigieren. Wäre der Kapitän unfähig, man könnte ihn durch einen Fähigeren ersetzen. Aber die SPD macht kaum Fehler, es scheint ihr laut Umfragen nur nichts zu nützen. Die letzte Hoffnung ist, dass die WählerInnen irgendwann merken, dass Merkel weg ist, und Olaf Scholz für den besten Merkel-Imitator halten. Aber dieser Strohhalm ist sehr dünn.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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15 Kommentare

 / 
  • Na Servus

    Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an!



    “ Es schwimmt ein Strohhalm auf der Spree,



    der trägt sogar die SPD.



    Ist schon vobei am Kanzleramt.



    Verdammt!“

    kurz - Liggers.



    Kanns euch Griffellutschern Tintenklecksern nicht ersparen:



    Schon Georg Grosz' kluge Worte waren:



    “Eure Pinsel und Federn, die Waffen sein sollten, sind leere Strohhalme! “



    & eh er wieder gleich geht gen 🌴- wa!



    “ Aufrecht stehen, nicht auf Knien, das muss der zeitgenössische Journalismus erst üben“ - Robert Misik misik.at/



    Ooch wieder wahr - 🥳 -

    Schon Georg Grosz Freund Tucho aber auch befand - einst sodessen: - 😱 -



    “Laßt sie doch ihren Weichfraß fressen“



    & sodele -



    Eur Immergriiens Bayernkurier Schwatz-Grün-Gepampe - Das! Aber ja!



    Kippt euch noch fein vonner - Rampe 👹 •

    Na Mahlzeit

  • Olaf Scholz ist der richtige Kandidat? Scholz führte im Juli 2001 als Hamburger Innensenator die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln zur Beweissicherung bei mutmaßlichen Drogendealern ein. Scholz hielt auch nach dem Todesfall Achidi John im Dezember 2001 an der Richtigkeit seiner Entscheidung fest. Im Juli 2006 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den deutschen Brechmitteleinsatz als menschenrechtswidrig. Beim Versagen beim G20-Gipfel ist er leider nicht zurück getreten. Er sagt ja selbst nur "Bei G20-Toten wäre ich zurückgetreten“. Während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders setzte er sich für die unselige Agenda 2010 ein. Dann ist da noch der Cum-ex-Skandal. Das Hamburger Finanzamt hätte seit 2016 von der Hamburger Privatbank M.M.Warburg & CO 47 Millionen Euro zurückfordern können, die die Bank durch illegales Dividendenstripping (Cum-Ex), dem größten Steuerskandal der deutschen Geschichte, erhalten hatte, ließ diese Millionenforderung aber verjähren. Scholz in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs dreimal mit dem Mitinhaber der Warburg Bank, Christian Olearius, in der Sache getroffen hatte. Zwei dieser Treffen hatte Scholz der Öffentlichkeit verschwiegen. Da Olearius die Steuerrückzahlung verweigerte, verwies ihn Scholz nach diesen Gesprächen zwecks Vorzugsbehandlung an den Finanzsenator der Stadt Hamburg, dem Olearius sein Argumentationspapier zum Thema CumEx kommentarlos aushändigen sollte. Das Papier gelangte zur Hamburger Steuerverwaltung, und kurz danach erhielt M.M. Warburg den Bescheid, dass die Stadt Hamburg auf die Rückzahlung der ihr zustehenden 47 Millionen Euro verzichtet. Scholz behauptete im Nachgang sich nicht mehr an die diesbezüglichen Gesprächsinhalte erinnern zu können. Im vergangenen Jahr wollte Scholz Wirecard mit Corona-Geld retten. Der Mann ist IMHO mindestens unfähig, wenn nicht korrupt. Die SPD hätte gute Kandidat*innen für einen glaubhaften Neuanfang gehabt. Z.B. Kevin Künert. Chance vertan meine ich

    • @Kai Nothdurft:

      "Chance vertan meine ich"

      Meine ich auch, vielmehr befürchte ich es.



      Kühnert aufs Schild zu heben, wäre in der Tat ein (ge)kühn(ert)er Schritt gewesen ... aber seien wir ehrlich: viel zu verlieren hat die SPD eh nicht mehr.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das wird nichts, Genosse Olaf und du weißt es längst.

  • RS
    Ria Sauter

    Sie haben sich von der Agendapolitik verabschiedet?



    Wann?



    Wurde das Rentenniveau wieder angehoben? HartzIV?



    Was unter rot/grün angerichtet wurde ist immer noch Realität!

  • wieviel prozent muss die "s"pd noch verlieren bevor sie sich von prokapitalistischen neoliberalen hartzist*innen wie Olav Scholz trennt?

    dieser mann steht für genau das was die "s"pd ruiniert hat.

    mir ihm steuert die "s"pd auf eine weitere niederlage bei den wahlen zu

    er ist für viele potentielle "s"pd wähler*innen ein grund nicht waehlen zu gehen

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die SPD tritt nicht als eine Partei an die eine Regierung stellen will. Die Union verkauft keine Politik die Union verkauft ein Gefühl - Stabilität, die SPD verkaufte mal ein Gefühl - das morgen besser wird als heute, sie war die Partei des sozialen Aufstiegs und Fortschritts. Aber was bietet sie einem wenn man als erster in der Familie studiert hat? Was bietet sie dem Kind aus einer H4 Familie der es bis zum Meister gebracht hat und jetzt seinen eigenen Betrieb eröffnen will? Sie arbeitet sich an H4 ab aber das betrifft sehr wenige Wähler (es betrifft viele Menschen aber von denen gehen viele nicht wählen). Die SPD muss eine Wirtschaftspolitk entwickeln die Aufstieg ermöglicht und fördert. Sie muss in der Außenpolitik mehr bieten als heiße Luft und gute Handelsbzeihungen zu Russland. Sie muss eine Partei werden die sich kümmert aber die die Leute auch ernst nimmt und ihnen nicht warme Märchen erzählt.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Die vergangenen Wahlen haben dem Wähler gezeigt: Wer keinen Kanzler der Union will, der darf nicht SPD wählen.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Nun gut, demnächst aber wird es heissen: wer keinen Kanzler der Union will, der darf nicht Grüne wählen. Und nicht SPD, und nicht FDP ... in Zukunft vielleicht auch nicht AfD, wer weiß?



      Hat insofern wenig Aussagekraft, Ihr Kommentar ist wohlfeiles, wenn auch nicht gänzlich ungerechtfertigtes SPD-Bashing. Das Problem ist doch wohl eher, das wir - egal, welche Regierungskonstellation wir im Herbst bekommen - kein Weg an der Union und an einem Unionskanzler vorbeiführen wird.



      Also weiter Stillstand hinsichtlich der drängenden Zukunftsfragen mit einem CDU/CSU-Dauerabonnement als die bundesrepublikanische Staatspartei.



      Auch Linke scheinen diese Aussichten ganz sexy zu finden, sonst würden sie sich nicht beständig Sorgen darüber machen, wer in der CDU denn nun Parteivorsitzender und wer Kanzlerkandidat wird oder gegen die SPD mobben ... sondern sich vielleicht mal ausnahmsweise um den desolaten Zustand der Linkspartei kümmern.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Abdurchdiemitte:

        Sie lägen nur dann richtig, wenn eine Koalition zwischen Union und SPD die einzige, rechnerische Mehrheit ergeben würde und vor allem, die SPD nicht als Hauptkontrahent der Union im Wahlkampf auftritt, d.h. mit eigenem Kanzlerkandidaten.

        Angela Merkel wurde 2005 das erste mal von einer SPD gewählt, die eine rotrotgrüne Mehrheit mit eigenem SPD Kanzler gehabt hätte.

        Sie sieht es aus.

        Und hören Sie mit ihren Bashingvorwürfen auf, weil das Unsinn ist.

        • @05838 (Profil gelöscht):

          Wir wissen doch beide, dass eine Mitte-Links-Koalition aus Linken, SPD und Grünen im Bund für lange, lange Zeit keine Option mehr sein wird ... der Drops ist zuletzt 2005 gelutscht worden, da stimme ich zu, obwohl ich nicht sicher bin, dass in der damaligen Situation allein der SPD die Schuld daran zugeschrieben werden kann, dass keine rot-grün-rote Machtperspektive zustande kam. Da muss man sich das Handeln der beteiligten Akteure nach der verlorenen BTW 2005 im einzelnen genauer anschauen, um jedwede Legendenbildung zu vermeiden.



          Hilft aber alles nichts, wenn eine solche Konstellation aktuell nur noch etwas über 40% in die Waagschale wirft ... und in allen drei Parteien (nicht nur in der SPD!) die das Mitte-Links-Spektrum repräsentieren, niemand mehr eine Reformperspektive für dieses Land, geschweige denn, damit verbundene inhaltliche/programmatische Konzepte, offensiv bewirbt.



          Die Zustimmungswerte für die Linkspartei gehen bundesweit aktuell auch Richtung 5% ... woran das wohl liegen mag? Womöglich auch Schuld der SPD?

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Die SPD könnte nur mit eigenen Themen punkten.

  • SPD hat wieder alles getan, nur nichts geändert. Sie reagiert als Partei die nichts ändert auf alles, was sich ändert. Die HartzIV-Schikanen plus Umverteilung (Agendapolitik) hat die Partei nicht abgelegt, bleiben fester Bestandteil der Inhalte. Ich sehe da wenig Chancen, und um sich die SPD schönzureden brauche ich die Partei nicht.

  • Die Leute wollen ökologische Marktwirtschaft. Öko bekommen sie von den Grünen, Marktwirtschaft von der CDU. Die SPD hat zwar auch beides im Programm, aber sie hat sich in den letzten Jahren einfach zu oft und zu ausgiebig mit sich selbst beschäftigt, und das wirkt nach. Die Partei ist unsexy.

    Spannend wär's geworden, wenn die Union Merz zum Parteichef gemacht hätte. Dann würde vielleicht so mancher dem seriöseren Scholz den Vorzug geben. Jetzt heißt das voraussichtliche Duell Laschet gegen Scholz, und da dürften sich Vor- und Nachteile aus Sicht des deutschen Wählers die Waage halten. Im Zweifelsfalle wählen die zahlreichen Anhänger des Mythos "Soziale Marktwirtschaft" dann wohl doch eher CDU. Wie immer.

    Doch ganz egal, wie's kommt, turbulent wird es auf jeden Fall zugehen. Denn die vielbeschworene "ökologische Marktwirtschaft" ist gar nicht machbar. Wenn's wirklich ökologisch werden soll, muss man das Wachstum abschaffen, also genau das abräumen, an dem wirtschaftlich alles hängt. Keine Regierung wird das tun, erst recht nicht nach Corona - nichts braucht die Wirtschaft derzeit dringender als Wachstum. Nicht, damit wir alle immer mehr haben, sondern weil sonst die Wirtschaft abstürzt. Es klingt pervers und verrückt, ist im Kapitalismus aber so.

    • @zmx52:

      Ich teile Ihre Einschätzung, dass die CDU mit der Wahl Laschets zum Parteivorsitzenden - und damit ersten Anwärter auf die Kanzlerkandidatur in der Union - die SPD-Pläne, mit Scholz bis zur BTW noch Fahrt aufzunehmen, gehörig durchkreuzt hat.



      Nun müssen die Sozialdemokraten ihren Wahlkampf sowohl gegen Schwarze wie gegen Grüne führen ... eigentlich eine spannende Herausforderung, die Widersprüche dieser neuen neoliberalen Allianz herauszuarbeiten um v.a. die Grünen, gemessen an deren eigenen hohen Ansprüchen, genüsslich vorführen zu können.



      Aber angesichts der in Zement gegossenen sozialdemokratischen Mutlosigkeit und mit dem Kandidaten Scholz ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Die mit RGR, GRR oder wie auch immer verbundene Reformperspektive hat ihren Glanz längst verloren, die Grünen setzen jetzt auf ein anderes Pferd, die Linkspartei schmiert momentan in der Wählergunst (nicht nur im Bund) deutlich ab, muss am Ende womöglich fürchten, an der 5%-Hürde zu scheitern und die SPD will/kann einfach nicht in die Puschen kommen.



      Keine berauschenden Aussichten ... bleibt zu hoffen, dass die SPD wenigstens in der Opposition der AfD nicht die Meinungsführerschaft überlässt und im Bundestag als stärkste Oppositionsfraktion deutlich Paroli gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Intoleranz gibt ... allein das wäre schon ein vornehmer Auftrag für eine sozialdemokratische Partei, die momentan nicht mehr als 15% erreicht.



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