Ergebnisse des Koalitionsausschusses: Für jeden etwas dabei
Die Regierung setzt auf Kompromiss und noch nicht auf Wahlkampf. Sie demonstriert Handlungsfähigkeit, die Milliarden Euro kostet.
N ur gut vier Stunden hat der Koalitionsausschuss am Abend gedauert, und die Selbsteinschätzungen danach könnten viel freundlicher nicht sein. „Harmonisch“ sei das Gespräch verlaufen, so die TeilnehmerInnen von allen Seiten, „konstruktiv“ und in „guter Atmosphäre“. Auch hat die große Koalition ein neues Paket zur Bekämpfung der Pandemiefolgen beschlossen.
Das Signal, das die Koalition damit sendet, war notwendig und richtig: Die Regierung setzt noch auf Kompromiss und nicht auf Wahlkampf, wie zuletzt einige Attacken der SPD auf den Koalitionspartner vermuten ließen. Zwar wäre deutliche Abgrenzung zwischen Union und SPD zu Beginn eines Superwahljahrs in normalen Zeiten nachvollziehbar, aber normal sind die Zeiten eben nicht.
Mitten in einer Pandemie, in der das Leben der Bevölkerung stark eingeschränkt ist, braucht es keine Regierung, die gegeneinander Wahlkampf macht, sondern eine, die Lösungen für die dramatischen Probleme sucht. Streit und Blockade hätten das Gegenteil signalisiert – und das derzeit so notwendige Vertrauen in die Regierung geschwächt.
Handlungsfähigkeit demonstriert die Koalition noch einmal mit Milliarden Euro – von denen sie auf allen Seiten etwas verteilt: Die Union hat den erweiterten Verlustrücktrag für Unternehmen – also die Verrechnung von coronabedingten Verlusten mit früheren Gewinnen – und eine Verlängerung des verringerten Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie durchgesetzt, die SPD Coronaboni für Kinder und EmpfängerInnen von Grundsicherung.
Dass die SPD damit stark hinter den Forderungen der Sozialverbände zurück bleibt, die sich zu Recht für eine coronoabedingte, begrenzte Aufstockung des Regelsatzes ausgesprochen hatten – das wird nur im kleinen Kreis für Proteste sorgen. Unterstützung für Familien, Geringverdiener, Unternehmen, Gastronomie und Kultur, da ist schließlich für fast jeden etwas dabei.
Vielsagend aber ist auch, welches Thema die Koalition wieder einmal verschoben hat: Eine Einigung zum umstrittenen Lieferkettengesetz gab es nicht. Ob die Regierung auch jenseits akuter Pandemiebekämpfung noch zum Handeln bereit und in der Lage ist, wird sich genau an Fragen wie diesen zeigen. Dann allerdings könnte es schnell mit der oberflächlich harmonischen Atmosphäre vorbei sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe