Wahlkampfmotto der SPD: Das Wir entgleitet
Ausgerechnet eine Leiharbeitsfirma nutzt Steinbrücks Wahlkampfslogan – und zwar schon seit 2007. Trotzdem hält die Partei an dem Motto fest.
BERLIN taz | Für Peer Steinbrück ist spätestens jetzt Mitgefühl angesagt. Der SPD-Kanzlerkandidat ist seit einem halben Jahr im Rennen ums Kanzleramt und hat seiner Partei bisher vor allem Negativschlagzeilen beschert. Ein Fehltritt jagt den nächsten, die Umfragewerte bröckeln von Woche zu Woche dramatisch. Am liebsten würde Steinbrück all das abschütteln, neu durchstarten. Doch es gelingt ihm nicht.
Am Dienstag stellte er vor Journalisten in Berlin sein Wahlkampfmotto vor: „Das WIR entscheidet“. Stolz hielt sein Sprecher Michael Donnermayer das Plakat in die Luft. Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit will die Partei in den Mittelpunkt stellen. Doch die Freude über das neue Wahlkampfmotto währte genau einen Tag.
Denn der Werbespruch wird seit Jahren von der Firma propartner benutzt, einer Leiharbeitsfirma aus Weil am Rhein. Sie gehört zur Groupe Crit, einem führenden Leiharbeitskonzern aus Frankreich. Auf der Homepage von propartner heißt es: „Das WIR entscheidet! Die flexible Personallösung“.
Die Firma wurde am Mittwoch von Presseanfragen überrannt und wollte sich gegenüber der taz nicht mehr äußern. Geschäftsführer Christophe Cren sagte der Welt und Zeit Online, dass er sich über den Werbeeffekt freue. „Jedes Plakat ist uns sehr willkommen.“ Rechtlich sei der Spruch nicht geschützt, weshalb es keinen Rechtsstreit darum geben werde.
Keine Aufregung im Willy-Brandt-Haus
Die SPD hat den Slogan in Zusammenarbeit mit der Agentur Super J+K erarbeitet. Deren Geschäftsführer Karsten Göbel sprach von einem „gelungene medialen Coup“. „Noch nie hatte ein Wahlkampfclaim eine so starke mediale Aufmerksamkeit“, sagte er der taz. Jetzt werde zudem überall die Position der SPD zur Leiharbeit diskutiert.
Der Slogan wurde ausführlich getestet, beteiligt waren Mitarbeiter aus dem Willy-Brandt-Haus und dem Umfeld von Steinbrück. Unklar ist dennoch, wie den Werbe- und Politikprofis übersehen konnte, dass der Spruch vergeben ist. Eine kurze Google-Suche hätte genügt, um auf propartner im Netz zu stoßen. „Wir haben das vorher recherchiert“, sagte eine SPD-Sprecherin der taz. Dass die Firme propartner den Slogan auch nutze, habe man nicht gewusst. „Man kann so etwas aber auch nie ausschließen.“ Die SPD werde an dem Motto festhalten.
Im Willy-Brandt-Haus soll es am Mittwoch nicht hektischer als sonst zugegangen sein, allzu große Aufregung soll das Mottogate nicht verursacht haben.
Dennoch: Es muss die Genossen wurmen, dass propartner ausgerechnet Leiharbeiter vermittelt und nicht etwa Futtermittel herstellt. Plädiert die SPD doch für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und dafür, den „Missbrauch von Leiharbeit und Niedriglohnbeschäftigung“ zu korrigieren. Dafür sollen Stammbelegschaft und Leiharbeiter gleich bezahlt, der Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher soll verboten werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links