Wahlkampf um Verkehrspolitik in Hamburg: Die SPD entdeckt ihr Herz für Autofahrer
Die Hamburger SPD setzt im Wahlkampf plötzlich wieder auf das Auto. Will sie damit der CDU den Wind aus den Segeln nehmen oder meint sie das ernst?
Mit dem „Masterplan Parken“ hat die SPD das Gegenteil vor: In der anhaltenden Debatte um eine Neuverteilung des öffentlichen Verkehrsraums setzt sie sich für Autofahrer*innen ein, die um den Wegfall von Parkplätzen fürchten. Mit einem Moratorium soll der Wegfall nämlich gestoppt werden und da, wo nötig, wolle man Quartiersgaragen bauen, um Abhilfe zu schaffen. Kommt mit der Hamburger SPD also bald der Rollback in der Verkehrswende?
Einen Rollback würde es Ole Thorben Buschhüter nicht nennen wollen. „Wir setzen uns mit unterschiedlichen Lebensrealitäten in der Stadt auseinander“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.
Schließlich gebe es Stadtteile mit zu hohem Parkdruck; außerdem hatte die Stadt vor einigen Jahren die Stellplatzpflicht aufgehoben, nach der beim Bau von Wohnhäusern auch eine bestimmte Zahl an Parkplätzen auf den Grundstücken geschaffen werden muss. Das müsse gegebenenfalls wieder in Teilen rückgängig gemacht werden.
Umweltverbände warnen vor Rollback
Auch auf der Bezirksebene hat die SPD wieder ihr Herz fürs Auto entdeckt: Im größten Bezirk Wandsbek will die SPD zusammen mit der FDP – und den Grünen – „notwendige Korrekturen in der Verkehrspolitik zugunsten des Autos“ vornehmen, wie der SPD-Kreisvorsitzende und Finanzsenator Andreas Dressel jüngst erklärte. Auch im Bezirk Nord soll unter SPD-Führung die „Leistungsfähigkeit der Hauptverkehrsstraßen“ gesichert werden; auch hier will man dafür sorgen, dass keine Parkplätze mehr wegfallen.
Ein breites Bündnis – vom Fahrradverband ADFC über den Nabu und Greenpeace bis zum Fachverband Fußverkehr – forderte deshalb zuletzt ein Bekenntnis zur Mobilitätswende. Aus der Sicht Buschhüters ist das gar nicht nötig. „Wir wollen ja unverändert den Anteil des Autoverkehrs auf 20 Prozent senken“, beteuert er. Die Weichen dafür seien in der vergangenen Legislatur mit den Grünen gestellt worden – sowohl mit der Verwirklichung mehrerer S- und U-Bahn-Projekte wie auch beim Radwegeausbau. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagt Buschhüter.
Der Druck auf die SPD kommt aber vor allem von anderer Seite: Tagein, tagaus poltert CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering gegen die „autofeindliche Politik von SPD und Grünen“, die Hamburg zur Stauhauptstadt mache. Darunter leide nicht zuletzt die Wirtschaft. Und von unkoordinierten Baustellen seien alle in der Stadt doch nur noch genervt.
Dass Thering hier eine Angriffsfläche und ein Potenzial sieht, verärgerte SPD-Wähler:innen zur CDU zu locken, entspricht der Stimmung in der Stadt über alle Bezirke hinweg: In einer Umfrage im Auftrag des Hamburger Abendblatt erachteten 80 Prozent der Befragten den Verkehr als größtes Problem in Hamburg.
Hamburg vor der Wahl
Am 2. März wird die Hamburgische Bürgerschaft neu gewählt. Wir berichten in loser Folge über die Ideen der Parteien zu verschiedenen Politikfeldern
Blinkt die SPD demnach nur, dem Wahlkampf geschuldet, Richtung Autolobby, um hier keine offene Flanke zu haben? Dafür, dass die SPD direkt von einem „Masterplan“ beim Parken spricht, wären die Folgen wohl überschaubar. Und ohnehin dürften nach der Wahl die Grünen mit Anjes Tjarks weiter den Verkehrssenator stellen.
„Wir und die Grünen wollen ja dasselbe, nur manchmal auf unterschiedlichen Wegen“, sagt Buschhüter. Und auch Bürgermeister Tschentscher (SPD) wiederholte mehrfach, an der Verkehrswende festhalten zu wollen– nur vielleicht langsamer als es auch angesichts der selbst gesteckten Klimaziele nötig wäre.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig