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Wahlkampf in ThüringenAusweg aus der rot-roten Blockade

Alte Feindseligleiten zwischen SPD und Linken könnten dafür sorgen, dass die CDU in Thüringen doch weiter an der Macht bleibt. Deshalb hat der Spitzenkandidat der Linkspartei einen Plan B.

Will den Machtwechsel mit allen Mittel: Bodo Ramelow. Bild: ap

DRESDEN taz | "Wechsel wählen - Matschie wählen!" wirbt die Thüringer SPD auf Wahlplakaten. Der 48-jährige Christoph Matschie möchte erklärtermaßen den CDU-Politiker Dieter Althaus als Ministerpräsident ablösen. Das Format dazu bringt der Kandidat mittlerweile mit. Er beherrscht den Umgang mit den Wählern einerseits, und demonstrierte andererseits seinen ausgeprägten Machtwillen als er den parteiinternen Widersacher Richard Dewes kalt stellte.

Doch bei Umfrageergebnissen von weniger als 20 Prozent für die SPD wird ein Wechsel nur gemeinsam mit der Linken und wahrscheinlich auch den Grünen gelingen. In einer Infratest-dimap-Umfrage favorisieren tatsächlich 28 Prozent der Thüringer eine rot-rot-grüne Koalition, deutlich mehr als alle anderen Konstellationen. In einer solchen Koalition wäre aber die Linke mit Umfrageergebnissen um 25 Prozent die stärkste Kraft. "Der Stärkere lädt ein", beharrt deren Frontmann Bodo Ramelow denn auch auf einem ungeschriebenen Gesetz und will selbst die Althaus-Nachfolge antreten.

Eine Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten aber schließt Matschie aus, obschon sein SPD-Bundesvorsitzender Franz Münterfering dem Landesverband formal Entscheidungsfreiheit zugesichert hat. Für die Grünen hat Bundeschef Cem Özdemir bereits die Direktive ausgegeben: Nicht mit Ramelow! "Dazu müssen die Grünen erst einmal in den Landtag kommen", sagt Ramelow. Matschie sieht er in einer selbst gestellten Falle: "Die SPD muss sich entscheiden, ob sie 80 Prozent ihres Programms mit uns realisieren will oder 20 Prozent mit der CDU."

Wie konnte die Linke in Thüringen so stark werden? Dieter Althaus rechnet falsch, wenn er deren nominellen Stimmenzuwachs nur der gesunkenen Wahlbeteiligung zuschreibt. Ende 2008 lag die Linke mit mehr als 30 Prozent in Umfragen kurzzeitig sogar vor der CDU, eine Verdreifachung des PDS-Stimmenanteils von 1990. Ramelow bemüht zur Erklärung des Linkstrends die Historie, wenn er an die linkssozialistische Regierung Frölich von 1923 erinnert. Die Gründerzeiten der SPD im roten Thüringen mit ihren Programmen von Gotha, Eisenach und Erfurt liegen immerhin um die 130 Jahre zurück.

Plausibler sind Gründe, die der linke Fraktionsvorsitzende im Landtag Dieter Hausold nennt: Kontinuität der Präsenz in Verbänden und Vereinen, Volkstümlichkeit, kaum interne Kämpfe zwischen Fundis und Realos wie in Sachsen. CDU-Rechtsaußen Peter Krause meint sogar, die SED-PDS-Linke sei eine ebenso strukturkonservative Partei wie die seine, fische also im gleichen Teich.

Eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb scheint in Thüringen rechnerisch möglich. Die Wechselstimmung dafür ist bei dem Gegenwind, den Althaus im Wahlkampf erlebt, durchaus vorhanden. Scheitert der Wechsel nach dem 30. August an der gegenseitigen Blockade?

Bis zum Wahlabend werden alle bei ihrer Linie bleiben. Zumindest bei Ramelow vernimmt man aber Nebensätze und Untertöne, die auf einen Plan B großzügiger personeller Konzessionen im Interesse eines Politikwechsels hinweisen. Matschie indessen dürfte kaum über seinen Schatten springen. Wenn er damit den möglichen Wechsel verspiele, so Ramelow, "dann bekommt er kräftigen Ärger mit seiner SPD".

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10 Kommentare

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  • HU
    Hinz und Kunz

    Wenn die SPd so weiter macht, dann hat sie jeden verlorenen Prozentpunkt, jede Wahlklatsche doppelt und dreifach verdient. Sie wirft sich lieber der CDu an den Hals, anstatt mit den programmatisch viel näheren Linken zusammenzuarbeiten. Und dann dieses geeier von "Koalition ja, aber nur wenn wir der Stärkere sind". Das ist doch lachhaft. Entweder die gemeinsamkeiten reichen für eine Koaltition, dann in egal welcher Konstellation,oder eben nicht. Die SPD ist wieder mal auf dem allerbesten Weg, eine aussichtsreiche Wahlchance zu versauen und der CDu das Feld zu überlassen.

  • O
    obscurist

    Was für eine Eierei in Türingen. Gemeinsames Ziel von SPD, Grünen und Linke: Althaus ablösen. So weit, so... inhaltsleer. Dann aber geht es erst richtig los. "Rot-Rot-Grün nur unter SPD-Herrschaft", "Den Linken kann man die Führung einer Regierung nicht anvertrauen" (Matschie in der Süddeutschen), "Ramelow denkt nur an Posten" (Trittin). Wie armselig und arrogant sich hier Matschie und Trittin äußern. Entweder ist die Linke nicht fähig zum Regierungsamt - dann auch keine Koalition, oder aber sie ist es und wird stärker als SPD, dann hat sie selbstverständlich das Recht, den MP vorzuschlagen und m.E. auch zu stellen. Die SPD ist jedenfalls bis heute den Beweis schuldig gelieben, daß sie über den besseren Kandidaten verfügt. Rat an die Wähler: SPD abwählen!

  • P
    Peter

    Ich kann die SPD einerseits verstehen. Man möchte nicht der kleine Partner sein - die Partei ist momentan auf dem besten Wege in die Bedeutungslosigkeit. Mal abwarten, wie es dann am Sonntag abend aussieht. Was wäre denn, wenn Herr Matschie jetzt äußern würde, dass er einen Ministerpräsidenten Ramelow akzeptieren würde. Das würde doch viele noch mehr verschrecken. Es geht doch für die SPD um jede Stimme. Ich denke, dass nach der Wahl vieles möglich sein wird (selbst mit den Grünen) - man denke nur an Frau Ypsilanti.

    Es ist der SPD ganz bestimmt klar, dass man den Wechsel nur zusammen mit den Linken zustande bringen wird - und ich bin fest davon überzeugt, dass wir das dann auch erleben werden.

  • J
    josenz

    seh ich genauso!!! was SPD und Gruene machen ist echt schon peinlich. wie kann man sich so offensichtlich von den medien manipulieren lassen. programmatisch stimmt man doch mit der linken ueberein. na gut die spd ist beleidigt... aber das darf doch niemals ueber den wille des souveraens gestellt werden.

    sobald die ausage kommt, dass man fuer eine koalition mit der linken bereit ist, wird es mit der spd wieder aufwaerts gehen.

  • A
    A.Kauz

    Nichts begriffen!

    Weder SPD, schon gar nicht Die Grünen werden mit Ihrer Blokadehaltung einen Blumenstrauß gewinnen.

    Beide Agenda 2010 und Kriegseinsatz Parteien sollten wahrhaftig einmal ein bisschen ruhiger sein.

    Sollte Ihnen wirklich an einem grundsätzlichen Wandel der Landes - wie Bundespolitik gelegen sein, dann müssen Sie Zeichen setzen. Eine Abkehr vom neolineralen Mainstream im Interesse der Menschen und Ökologie wird nur mit den Linken gelingen

    Thüringen - wie das Saarland - könnte ein Startsignal sein. Doch dazu scheint Matschie, Özdemir, Maas und Künast der Mumm zu fehlen.

    Folglich bleibt nur: Wer den Wechsel möchte sollte DIE LINKE wählen. Das haben (leider) führende Sozialdemokraten und Grüne nicht begriffen.

    Stattdessen suhlen sie sich in Argumenten aus anderen Zeiten und machen sich aus meiner Sicht auf Bundesebene absolut regierungsunfähig.

  • HU
    Hinz und Kunz

    Wenn die SPd so weiter macht, dann hat sie jeden verlorenen Prozentpunkt, jede Wahlklatsche doppelt und dreifach verdient. Sie wirft sich lieber der CDu an den Hals, anstatt mit den programmatisch viel näheren Linken zusammenzuarbeiten. Und dann dieses geeier von "Koalition ja, aber nur wenn wir der Stärkere sind". Das ist doch lachhaft. Entweder die gemeinsamkeiten reichen für eine Koaltition, dann in egal welcher Konstellation,oder eben nicht. Die SPD ist wieder mal auf dem allerbesten Weg, eine aussichtsreiche Wahlchance zu versauen und der CDu das Feld zu überlassen.

  • O
    obscurist

    Was für eine Eierei in Türingen. Gemeinsames Ziel von SPD, Grünen und Linke: Althaus ablösen. So weit, so... inhaltsleer. Dann aber geht es erst richtig los. "Rot-Rot-Grün nur unter SPD-Herrschaft", "Den Linken kann man die Führung einer Regierung nicht anvertrauen" (Matschie in der Süddeutschen), "Ramelow denkt nur an Posten" (Trittin). Wie armselig und arrogant sich hier Matschie und Trittin äußern. Entweder ist die Linke nicht fähig zum Regierungsamt - dann auch keine Koalition, oder aber sie ist es und wird stärker als SPD, dann hat sie selbstverständlich das Recht, den MP vorzuschlagen und m.E. auch zu stellen. Die SPD ist jedenfalls bis heute den Beweis schuldig gelieben, daß sie über den besseren Kandidaten verfügt. Rat an die Wähler: SPD abwählen!

  • P
    Peter

    Ich kann die SPD einerseits verstehen. Man möchte nicht der kleine Partner sein - die Partei ist momentan auf dem besten Wege in die Bedeutungslosigkeit. Mal abwarten, wie es dann am Sonntag abend aussieht. Was wäre denn, wenn Herr Matschie jetzt äußern würde, dass er einen Ministerpräsidenten Ramelow akzeptieren würde. Das würde doch viele noch mehr verschrecken. Es geht doch für die SPD um jede Stimme. Ich denke, dass nach der Wahl vieles möglich sein wird (selbst mit den Grünen) - man denke nur an Frau Ypsilanti.

    Es ist der SPD ganz bestimmt klar, dass man den Wechsel nur zusammen mit den Linken zustande bringen wird - und ich bin fest davon überzeugt, dass wir das dann auch erleben werden.

  • J
    josenz

    seh ich genauso!!! was SPD und Gruene machen ist echt schon peinlich. wie kann man sich so offensichtlich von den medien manipulieren lassen. programmatisch stimmt man doch mit der linken ueberein. na gut die spd ist beleidigt... aber das darf doch niemals ueber den wille des souveraens gestellt werden.

    sobald die ausage kommt, dass man fuer eine koalition mit der linken bereit ist, wird es mit der spd wieder aufwaerts gehen.

  • A
    A.Kauz

    Nichts begriffen!

    Weder SPD, schon gar nicht Die Grünen werden mit Ihrer Blokadehaltung einen Blumenstrauß gewinnen.

    Beide Agenda 2010 und Kriegseinsatz Parteien sollten wahrhaftig einmal ein bisschen ruhiger sein.

    Sollte Ihnen wirklich an einem grundsätzlichen Wandel der Landes - wie Bundespolitik gelegen sein, dann müssen Sie Zeichen setzen. Eine Abkehr vom neolineralen Mainstream im Interesse der Menschen und Ökologie wird nur mit den Linken gelingen

    Thüringen - wie das Saarland - könnte ein Startsignal sein. Doch dazu scheint Matschie, Özdemir, Maas und Künast der Mumm zu fehlen.

    Folglich bleibt nur: Wer den Wechsel möchte sollte DIE LINKE wählen. Das haben (leider) führende Sozialdemokraten und Grüne nicht begriffen.

    Stattdessen suhlen sie sich in Argumenten aus anderen Zeiten und machen sich aus meiner Sicht auf Bundesebene absolut regierungsunfähig.