Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Bauen, bauen, bauen

Beim Thema Wohnraum sind Schleswig-Holsteins Parteien in einem einig: Es muss mehr gebaut werden. Sie sind aber unterschiedlich regulierungsfreudig.

Häuserzeile mit Baustellenschild und Kran

Ziemlicher Bedarf: Wohnungsbau in Schleswig-Holstein Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Beim Thema Wohnen sind sich die großen Parteien in Schleswig-Holstein in einem Punkt einig: Es müsse mehr gebaut werden, um den Anstieg der Mieten zu bremsen. „Bauen, bauen, bauen“ heißt die Devise am plakativsten im CDU-Programm für die Landtagswahl am 8. Mai. Dazu gehören auch Sozialwohnungen und Eigenheime. Geht es jedoch darum, wie und ob der Markt reguliert werden soll, unterscheiden sich die Vorstellungen – auch innerhalb der zurzeit regierenden Jamaika-Koalition – erheblich.

Dass der Wohnungsmarkt im Land angespannt ist, davon gehen alle Parteien aus. „Schleswig-Holstein schiebt ein Defizit von 100.000 Wohnungen vor sich her“, hat Jochen Kiersch vom Deutschen Mieterbund (DMB) vergangene Woche vorgerechnet. Zwar gebe es rechnerisch mehr Wohnungen als Haushalte im Land, dem stehe jedoch eine große Zahl an Ferienwohnungen gegenüber. Dazu müsse eine Umzugsreserve gerechnet werden, Schrottimmobilien und Leerstände.

Um das Bauen voranzutreiben, wollen SPD und Grüne einer Forderung Kierschs und der Vorsitzenden des DGB Nord, Laura Pooth, nachkommen, eine Landesentwicklungsgesellschaft zu gründen, die entweder die Kommunen dabei unterstützt, bezahlbare Wohnungen zu bauen oder das gleich selbst tut. Der SSW will, dass das die Kommunen übernehmen.

SPD, Grüne und CDU wollen zudem einen Boden- oder Baulandfonds bereitstellen, mit dem Kommunen Grundstücke erwerben können. Die FDP setzt sich an diesem Punkt nur dafür ein, Bauland unbürokratisch auszuweisen – ganz ihrem Generalbass entsprechend: so wenig Regulierung wie möglich.

SPD, CDU, Grüne und FDP versprechen, das Wohneigentum fördern. Dazu soll die im Bundesvergleich hohe Grunderwerbsteuer für Familien gemildert werden: Wer zum ersten Mal baut oder kauft, soll in Zukunft weniger (SPD, FDP) oder gar nichts zahlen (CDU). Die Grünen sprechen sich für einen Zuschuss aus.

Die CDU hält die Mietpreisbremse für Symbolpolitik, die Wirtschaft hält sie für schädlich

Für das andere Ende des Einkommensspektrums wollen die in Fraktionsstärke im Landtag vertretenen Parteien den sozialen Wohnungsbau stärken. Nur die SPD nennt in ihrem Programm allerdings eine konkrete Zahl: 4.000 Sozialwohnungen im Jahr. Mindestens 30 Prozent der 100.000 Wohnungen müssten gefördert werden, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Andres Tietze auf Nachfrage.

Die Lage für schlecht verdienende Mieter ist fatal, weil Jahr für Jahr mehr Sozialbindungen wegfallen als nachwachsen. Wie die SPD-Landtagsabgeordnete Özlem Ünsal erfragt hat, sind von 2017 bis 2020 zwar 4.000 Sozialwohnungen gebaut worden, trotzdem waren es am Ende dieses Zeitraums 2.400 weniger. „Marktanspannung und Versorgungsengpässe treffen inzwischen auch mittlere Einkommensgruppen hart“, sagte Ünsal der Deutschen Presse-Agentur.

Einen scharfen Gegensatz innerhalb der Jamaika-Koalition gibt es bei der Mietpreisbremse, die Erhöhungen bei Neuvermietungen begrenzt und der Kappungsgrenze, die Bestandsmieten dämpft. Beides konnten die Grünen in der bestehenden Koalition gegen die FDP nicht durchsetzen. Die SPD ist dafür, die CDU hält die Bremse für „Symbolpolitik“, die Wohnungswirtschaft hält sie für schädlich.

Eine weitere Frage ist, wie mit den existierenden Wohnungen zu verfahren ist. Die SPD und auch die Grünen wollen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren. Für die FDP ist das ein No-Go.

Die Grünen wollen „die Vermietung von Wohnraum zu touristischen Zwecken regulieren“. Die SPD will den Beschäftigten in den Touristengebieten stattdessen einen Zuschuss zahlen, damit sie sich das Wohnen auf den Inseln und an der Küste leisten können. Der FDP dagegen geht es vor allem darum, die Akzeptanz des Tourismus in den Ferienorten zu verbessern.

Die Grünen wollen auch dem Leerstand zu Leibe rücken und festlegen, wie lange Wohnungen untervermietet bleiben dürfen. Um die Überwachung sicherzustellen, soll den Kommunen nahegelegt werden, Leerstandsabgaben zu fordern. Die SPD will leerstehende Gewerbeflächen zum Wohnen nutzen. Die CDU schlägt hierzu Flächenmanager vor, die die Objekte an den Mann bringen sollen.

60.000 Haushalte mehr bis 2030

Den Zahlen nach ist die Lage der Mieter im Land auf den ersten Blick nicht so übel. Laut dem Statistikamt Nord sind die Mieten von 2015 bis 2021 nur um knapp acht Prozent gestiegen. Das bildet aber nur den Durchschnitt sämtlicher Wohnungen ab: Je nachdem, ob es sich um einen Bestandsmietvertrag oder eine Neuvermietung handelt, die Küste oder das Binnenland und auch die Art der Wohnung, können die Preise stark davon abweichen.

So ist das vom Staat bezahlte Wohngeld ungefähr im gleichen Zeitraum (2015 bis 2020) um gut zwölf Prozent gestiegen. Neuverträge für kleine Wohnungen unter 40 Quadratmeter wurden in den Anzeigen des Internetportals Immowelt allein von 2017 bis 2019 um sechs Prozent teurer.

Der Druck könnte in den kommenden Jahren wachsen. Die Landesstatistiker schätzen, dass bis zum Ende des Jahrzehnts 60.000 Haushalte hinzukommen werden.

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