Wahlkampf in Italien: Walter Veltroni will aufholen
Der Kandidat der neuen Demokratischen Partei will das italienische Parteienpatchwork überwinden. Gegner Berlusconi führt gemäßigten Wahlkampf.
Am Sonntag und Montag wählt Italien ein neues Parlament. Vor allem aber haben die Wähler die Frage zu beantworten: Soll der fast 72-jährige Silvio Berlusconi zum dritten Mal nach 1994 und 2001 Regierungschef werden?
Vor exakt zwei Jahren abgewählt, hat Berlusconi nun wieder beste Chancen, an die Macht zurückzukehren. Alle Meinungsumfragen sahen bis vor 14 Tagen den Medienmogul mit etwa 45 Prozent für sein Bündnis klar vorn vor seinem gemäßigt linken Gegner Walter Veltroni, der zwischen 5 und 9 Prozentpunkte zurücklag.
Wenn die Linke überhaupt noch eine Chance hat, dann liegt das an Veltroni, dem bisherigen Bürgermeister Roms. Der 52-Jährige ist der womöglich einzige Politiker von der Linken, der Berlusconi das Wasser reichen kann. Es gelang ihm, dem Wahlkampf seinen Stempel aufzudrücken. Veltroni wurde erst im Oktober zum Chef der neu zusammengefügten Demokratischen Partei gewählt. Von Romano Prodis "Union", dem breiten Wahlbündnis, dem Kommunisten genauso wie Christdemokraten angehörten, wollte Veltroni nichts mehr wissen. Er werde sich alleine mit seinen Demokraten den Wählern stellen - dann wüssten sie wenigstens, dass sie eine Reformregierung mit klarer Ausrichtung bekommen statt einer durch gegenseitige Vetos gelähmten Koalition. Einen einzigen Bündnispartner akzeptierten die Demokraten dann doch noch: die für 2 bis 4 Prozent gute Partei "Italien der Werte" des früheren Anti-Korruptions-Staatsanwalts Antonio Di Pietro.
Zudem verordnete Veltroni seinem Lager einen radikalen Wechsel im Ton. Keine Lust mehr habe er, das 15 Jahre alte Ritual mitzumachen und im Wahlkampf bloß über Berlusconi zu rechten, verkündete der Spitzenkandidat der gemäßigten Linken: Er wolle die Hoffnungen der Italiener, sein eignes Programm, seine eigene Person zum Thema machen.
Beide Schachzüge erwiesen sich als erstaunlich erfolgreich. Veltroni gelang es, den in der Offensive befindlichen Berlusconi unter Zugzwang zu setzen. Auch Berlusconi sah sich gezwungen, statt mit einer Allianz aus 8 oder 10 Parteien mit der neuen Einheitsliste "Popolo della libertà" ("Volk der Freiheit") anzutreten, an deren Seite als Bündnispartner bloß noch die rechtspopulistische Lega Nord steht. Und er sah sich genötigt, seinerseits auf allzu schrille Töne zu verzichten. Gewiss, den eigenen Wählern ist er es immer noch schuldig, die "kommunistische Gefahr" zu beschwören oder Psycho-Tests für die - seiner Meinung nach seelisch gestörten - Staatsanwälte zu fordern. Doch der Wahlkampf blieb weit hinter den bisher gewohnten Schlammschlachten zurück.
Er blieb in dem von wirtschaftlicher Stagnation gebeutelten Land auch weit hinter jenen Kampagnen zurück, in denen den Italienern wahre Wunder versprochen worden waren. Beide Kandidaten stellen das Ziel in den Vordergrund, dem Land endlich eine effiziente Führung zu verschaffen. Beide mochten aber auch nicht darauf verzichten, diverse - angesichts der Haushaltslage unfinanzierbare - Wahlversprechen zu platzieren, von 1.000 Euro Mindestrente (Berlusconi) bis zum Bau von 700.000 neuen Sozialwohnungen (Veltroni). Diese Versprechen spielten in der öffentlichen Debatte praktisch keine Rolle.
Eine Reform ist den beiden Kontrahenten unter der Hand schon jetzt gelungen: Im nächsten Parlament werden statt 23 Parteien wohl nur noch 6 sitzen. Da Veltroni und Berlusconi sich der Allianz mit den zahlreichen Mini-Parteien schlicht verweigerten, haben neben den beiden Großen und ihren zwei Alliierten nur zwei weitere Kräfte die realistische Chance auf den Einzug ins Parlament, der für alleine antretende Parteien an die Überwindung der Sperrklausel von 4 Prozent im Abgeordnetenhaus und 8 Prozent im Senat gebunden ist. In der politischen Mitte verweigerte sich die christdemokratische UDC unter Pierferdinando Casini dem Beitritt zu Berlusconis Sammelliste. Und auf der radikalen Linken fanden die zwei Kommunistischen Parteien, eine linkssozialistische Gruppierung und die Grünen in der Liste "Die Linke - der Regenbogen" zusammen. Sowohl diese linke Liste als auch die UDC werden von den italienischen Meinungsforschern mit etwa 8 Prozent gehandelt.
Und damit könnten sie bei einem knappen Resultat zum Zünglein an der Waage werden. Im Abgeordnetenhaus werden die Verhältnisse auch diesmal wieder klar sein: Das Wahlrecht sieht vor, dass die siegreiche Liste automatisch 55 Prozent der Sitze erhält. Anders im Senat: Dort wird der Mehrheitsbonus Region für Region gewährt: Es ist deshalb gut möglich, dass zum Beispiel ein siegreicher Berlusconi dort bloß eine knappe Mehrheit hat - oder sich sogar in der Minderheit wiederfindet.
Italien spekuliert deshalb seit Wochen darüber, ob "una große Koalition" wie in Berlin auch in Rom der Ausweg sein könnte. Veltroni erteilte solchen Spekulationen eine klare Absage. Mehr als einen Kompromiss über ein neues Wahlrecht sowie über einige die Effizienz von Regierung und Parlament steigernde Verfassungsreformen kann er sich mit Berlusconi nicht vorstellen.
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