Wahlkampf im Netz: Kurzer Weg zum Kandidaten
Auf einem Internet-Portal sollen Politiker und Bürger miteinander in Dialog treten. Die Hoffnung: Die Schranken zwischen beiden Seiten lösen sich auf.
Die Spitzenkandidaten sind fast alle noch graue Silhouetten. Klaus Wowereit von der SPD genauso wie Renate Künast von den Grünen und Frank Henkel von der CDU. Von den Bürgermeisterkandidaten der Parteien, die es voraussichtlich in der kommenden Legislaturperiode ins Abgeordnetenhaus schaffen werden, ist kurz nach dem Start der Internetseite abgeordnetenwatch.de am Donnerstag einzig Harald Wolf von der Linkspartei bereits mit Foto zu sehen.
Es ist das zweite Mal, dass das Projekt eine Abgeordnetenhauswahl in Berlin begleitet. Bereits 2006 konnten Bürgerinnen und Bürger über die Seite Fragen an die Kandidaten stellen - und von ihnen Antworten erhalten. 3.692 Fragen kamen im vergangenen Wahlkampf zusammen, 3.347 davon beantworteten die Politiker.
"Damit liegt Berlin deutlich über dem Bundesdurchschnitt", sagt Gregor Hackmack, der das Projekt mitgegründet hat. Auf den Einwohner gerechnet würden Berliner häufiger fragen und die Politiker auch häufiger antworten. So lag die Antwortquote in Berlin 2006 bei 90 Prozent, im Bundesdurchschnitt betrage sie knapp über 80 Prozent.
Wer eine Frage stellen will, wird nach Name, E-Mail-Adresse und Stadtteil gefragt. Der Name des Absenders erscheint auch unter der Frage auf der Seite - allerdings als Bild. So kann er nicht über Suchmaschinen aufgefunden werden. Die Frage ist nicht direkt nach dem Abschicken auf der Seite zu sehen. Ein Moderator muss sie erst freigeben. So wollen die Macher verhindern, dass beispielsweise sexistische oder rassistische Kommentare auf die Seite gelangen. Auch Fragen zum Privatleben der Politiker schalten die Moderatoren nicht frei. Die Kandidaten für den eigenen Wahlkreis lassen sich in einer Auswahl über Postleitzahl und Straße ermitteln.
Schirmherr des Projekts ist der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper (SPD). Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki (SPD) lobt das Projekt als "zusätzliches Medium, mit dem Bürgerinnen und Bürger in Kontakt treten können" - neben Bürgersprechstunden, Straßenwahlkampf und der schriftlichen Korrespondenz.
So sieht das auch Anne Dänner vom Verein Mehr Demokratie, in dessen Umfeld die Idee einst entstand. "Ich glaube, dass es den Kontakt zwischen Bürgern und Politikern enger macht", sagt sie. Gerade auch für Menschen, die sich sonst nicht für Politik interessierten: "Man muss eben nicht wissen, wo das Amt ist oder welches Sekretariat zuständig ist." Für junge Menschen, die sich selbstverständlicher im Internet bewegen, könne die Seite als Anlaufpunkt dienen.
Den Betrieb trägt der gemeinnützige Verein Parlamentwatch, der sich über Spenden finanziert. Ein Zuschuss kam von der Landeszentrale für politische Bildung. Und auch die Kandidaten selbst werden gebeten, etwas beizutragen - und dafür mit mehr Funktionen gelockt. Wer sein Foto auf dem Profil haben will und eine Verlinkung zu Twitter oder Facebook, zahlt derzeit 149 Euro, regulär sind es 179.
"Ich finde, es gehört zum guten Ton, dass man sich daran beteiligt", sagt Joschka Langenbrinck, der im Neuköllner Wahlkreis 3 für die SPD antritt. Er ist einer der Wenigen, der schon zu Beginn mit vollem Profil zu sehen ist. Auch Christoph Huhn, der für die Grünen im Wahlkreis 5 in Marzahn-Hellersdorf antritt, stellt sich mit Foto vor. "Es geht darum, die eigene Person ein wenig transparent zu machen", sagt er - und zwar jenseits von eigenen Jubelwebseiten. "Ob das am Ende mehr Wähler bringt - ich weiß nicht." Kritisch äußert er sich allerdings über die Höhe des Betrags, den die Kandidaten für ein volles Profil zahlen sollen.
Fragen und Antworten sollen auch nach der Wahl stehen bleiben. "So haben die Bürger auch zwischen den Wahlen die Möglichkeit, ihren Abgeordneten über die Schulter zu schauen", sagt Hackmack. Zusätzlich soll das Abstimmungsverhalten im Parlament dokumentiert werden - damit sichtbar ist, ob Wahlversprechen eingehalten wurden. Bis zur darauf folgenden Abgeordnetenhauswahl will Hackmack Abgeordnetenwatch auch für die Wahl der Bezirksverordneten anbieten. Das sei bislang daran gescheitert, dass beispielsweise Kontaktdaten viel schwieriger zu recherchieren seien. Denn anders als im Abgeordnetenhaus arbeiten die Bezirksverordneten ehrenamtlich.
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