Wahlkampf an Schulen: In der Aula mit der AfD
Im hessischen Alsfeld sprachen Schüler*innen mit Politikern über die Wahl. Besonders kritisch waren die Fragen an AfD-Mann Robin Jünger.
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Ihre Namen wollen sie nicht verraten. Alle drei dürfen in diesem Jahr zum ersten Mal wählen bei einer Bundestagswahl. Und alle drei bewegt, was vergangene Woche in Berlin passiert ist: das Buhlen der Union um Mehrheiten, und sei es mit der AfD.
Wie so viele Schulen quer durchs Land hat auch die Albert-Schweitzer-Schule in der hessischen Kleinstadt Politiker eingeladen, um über die anstehende Wahl zu diskutieren. Die Autorin dieses Textes hat hier vor Jahren selbst Abitur gemacht, man kennt sich. Das Interesse ist groß, die Aula voll besetzt, auch von Schulen in der Nähe sind Gäste gekommen.
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Klassenbucheintrag für die freien Wähler
Kandidaten von sechs Parteien stellen sich an diesem Morgen den Fragen der Schüler*innen. Es geht um die Themen, die auch sonst den Wahlkampf bewegen: Wirtschaft und Umwelt, Sozialpolitik, Außenpolitik und Migration. Die Fragen haben die jungen Leute selbst gesammelt, in den Politik-und-Wirtschaft-Kursen, kurz Powi, moderiert wird von zwei Schülern des Leistungskurses.
Antworten kommen von SPD, Grünen, CDU, FDP, Linken und AfD. Das BSW hat auf die Einladung nicht geantwortet, die Freien Wähler fehlen unentschuldigt – das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch. Ob die AfD dabei sein solle oder nicht, darüber habe es keine Diskussionen gegeben, erklärt Schulleiter Christian Bolduan. „Da sind wir als Schule zur Neutralität verpflichtet.“ Er finde es richtig, wenn die Schüler*innen sich selbst eine Meinung bildeten und wenn die AfD sich selbst entzaubere.
Was gar nicht so einfach ist auf einem Podium mit gleich sechs Gästen. Gestandene Journalist*innen scheitern bei diesem Versuch regelmäßig, Caren Miosga hatte es im Gespräch mit Alice Weidel am Vorabend erst vorgemacht. Und der Schulleiter kündigt es zu Beginn der Veranstaltung selbst an: Einen Faktencheck können sie an der Schule schlicht nicht liefern.
Eine Minute, nicht mehr
Noch dazu ist die Veranstaltung so aufgebaut, dass jeder Redner gerade mal 60 Sekunden hat, um zu antworten, und eine Diskussion zwischen den Politikern eigentlich gar nicht vorgesehen ist.
Was die Redezeit der Panelgäste angeht, sind die Moderatoren durchaus streng. Einmal drehen sie dem CDU-Direktkandidaten Frederik Bouffier – nein, der Name ist kein Zufall, er ist der Sohn des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier – sogar das Mikrofon ab. Und so müssen sich die Kandidaten der anderen Parteien ein ums andere Mal entscheiden, ob sie nun eigentlich etwas zu ihren eigenen Inhalten sagen wollen oder ob sie dem AfD-Mann Robin Jünger Paroli bieten.
Regeln: Schulen sollen neutrale Orte der politischen Bildung sein. Ob sich Kandidaten der Parteien dort präsentieren dürfen, entscheiden die Schulleitungen. Die AfD darf man nicht einfach aussperren. In NRW wird das „Neutralitätsgebot“ mit einer strengen Empfehlung verbunden: Viele Schulen halten den Wahlkampf aus ihren Räumen fern.
Zoff: Die Schulleitung des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums in Berlin hat zu einer Podiumsdiskussion am 11. Februar mit Kandidat:innen auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch eingeladen. Dagegen formiert sich Protest. Hans und Hilde Coppi gehörten zum kommunistischen Widerstand in der NS-Zeit.
Der arbeitet schon längst im Bundestag, als Mitarbeiter eines Abgeordneten, und kennt die Fraktion und ihre regelmäßigen menschenfeindlichen Ausfälle insofern gut. Er selbst tritt an diesem Tag vor den Schüler*innen betont gemäßigt auf – eine häufig beobachtete Taktik der AfD. Er sei bei der AfD vor allem wegen Themen wie Digitalisierung und Steuergerechtigkeit. Das Wort „Migration“ taucht in seinem Eingangsstatement nicht einmal auf. Und auf „Remigration“ angesprochen, soll das doch alles gar nicht so wild sein, es gehe doch nicht um die „Bestandsbürger“.
Der SPDler Felix Döring wartet daraufhin mit Zitaten von Jüngers Parteikollegen auf, die den rassistischen Charakter der Pläne klar erkennen lassen. Und auch sonst übernimmt das Podium öfters den Faktencheck: Wenn etwa der Linke Dietmar Schnell klarstellt, dass die AfD keineswegs Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen entlasten will, sondern das Gegenteil.
„Die AfD wird’s nicht“
Auch viele Schüler*innen, das wird klar, haben sich extrem gut vorbereitet. Sie fragen, wie die Union denn ihre Pläne zu Steuererleichterungen ohne neue Schulden finanzieren will oder ob sie wirklich auch Kinder in Abschiebehaft nehmen wolle. Sie wollen wissen, warum die Grünen nicht geschafft haben, Subventionen für E-Autos nach Einkommen zu staffeln.
Eine Schülerin spricht AfDler Jünger auf ein Zeitungsinterview an, in dem er sagte, er habe Björn Höcke zwei Mal bei Veranstaltungen gesehen und kenne „keinen Rechtsextremen in der AfD“. Seine Erklärung: Höcke habe da nichts Rassistisches gesagt, und was er sonst so sage, wisse Jünger ja nicht.
Immer wieder geht es auch um die vergangene Woche, um den Antrag zum Fünfpunkteplan der Union, der mit den Stimmen der AfD angenommen wurde, und um den letztlich gescheiterten Versuch, gar ein Gesetz auf diese Weise zu verabschieden. Bouffier hat das öffentlich verteidigt – im Gegensatz zu seinem Vorgänger im Wahlkreis, Helge Braun, der der Abstimmung ferngeblieben war. Als der SPDler Döring sagt, nun müsse die CDU entscheiden, ob sie an der Seite von Rechtsextremen stehe oder nicht, wird Applaus laut.
Was Redezeit und Aufmerksamkeit angeht, hat die AfD diesen Tag dominiert. Noch nach der Veranstaltung wird Jünger umringt von jungen Leuten, die ihm weiter Fragen stellen wollen – vor allem kritische. Punkten kann er bei den Schüler*innen kaum. „Er hat unserer Mitschülerin alles im Mund herumgedreht“, sagt eine der drei Schülerinnen vom Beginn dieses Texts. Was sie wählen, wollen sie nicht verraten. „Aber die AfD wird’s nicht.“
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