Wahlergebnis in Ecuador: Wirtschaftsliberaler Sonnyboy
Daniel Noboa, Sohn eines erzkonservativen Bananen-Milliardärs, gewinnt die Stichwahl in Ecuador. Er sieht sich als „moderaten Sozialdemokraten“.
Hamburg taz | Luisa González, die in den Umfragen über Wochen geführt hatte, war die Erste, die dem 35-jährigen designierten Präsidenten Ecuadors am Sonntagabend zum Wahlsieg gratulierte. Auf der Zielgeraden hatte Daniel Noboa, der älteste Sohn des Bananenmilliardärs Álvaro Noboa, die Kandidatin der Revolución Ciudadana, der Bürgerrevolution, noch abgefangen.
Mit 52,2 Prozent der Stimmen lag Noboa nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen vor González mit 47,8 Prozent von der „Bürgerrevolution“. Die gilt als die Partei des Mannes, der über Jahre selbst an der Spitze des Landes stand und die Politik der „Bürgerrevolution“ mittlerweile aus Belgien prägt: Rafael Correa.
Die Nähe zu dem Ex-Präsidenten (2007–2017), ihrem wichtigsten Berater, hat der 46-jährigen González, alleinerziehende Mutter und Anwältin, wahrscheinlich den Wahlsieg gekostet. Entscheidend dafür könnte der Zeuge sein, der bei der Staatsanwaltschaft wenige Tage vor dem Wahlgang seine Aussage hinterlegte und das Umfeld Rafael Correas oder womöglich ihn selbst für den Mord an dem Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio Anfang August verantwortlich machte.
Am 9. August war der investigative Journalist Villavicencio von Auftragskillern mit drei Kopfschüssen exekutiert worden. Einen Tag vor dem Mord hatte der 59-Jährige noch eine Anzeige gegen Rafael Correa und mehrere Ex-Minister bei der Staatsanwaltschaft gemacht, in der er Beweise für Korruption im Erdölsektor des Landes hinterlegte.
Daniel Noboa: wirtschaftsliberal, mit sozialpolitischen Ideen
Folglich lag das Motiv auf der Hand, und obwohl Luisa González zumindest verbal etwas zu ihrem politischen Mentor auf Distanz gegangen war, polarisiert Correa das Land. Für die einen ist er das Sinnbild der Korruption, die Ecuador seit Jahren prägt, für die anderen der Vater des ecuadorianischen Sozialstaats, den González wiederaufbauen wollte.
Von dieser Konstellation profitierte Daniel Noboa, der sich vor allem in den sozialen Netzen als erfolgreicher Unternehmer und Sonnyboy inklusive Spotify-Playlist in Szene setzte. Ökonomische Kompetenz erhoffen sich viele der jungen Wähler:innen des designierten jüngsten Präsidenten Ecuadors, der sich für ein Ende der Erdöl-Förderung im Yasuní-Nationalpark ausgesprochen hatte – allerdings allein aus ökonomischen Gründen. Die Förderung des schweren Erdöls rechne sich nicht, hatte der in den USA an Eliteuniversitäten wie Havard ausgebildete Manager argumentiert.
Noboa tritt wirtschaftsliberal auf, hält gleichzeitig aber auch progressive Ideen hoch: mehr Sozialausgaben, Umweltschutz, Frauenrechte. Natürlich verspricht er „mehr Arbeitsplätze, Sicherheit, öffentliche Gesundheit und öffentlich Bildung“. Doch die Konzepte dafür hat er nicht vorgelegt, und seine Vizepräsidentin Verónica Abad, eine rechte Geschäftsfrau, nennt als Vorbilder den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro.
Den Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Rohstoffförderung, den sich viele Ecuadorianer:innen von Noboa erhoffen, hält der Nachhaltigkeitstheoretiker und ehemalige Bergbauminister Alberto Acosta für unrealistisch: „Dafür ist Noboa bisher ein Konzept schuldig geblieben. Gleiches gilt für die Sicherheit“, kritisiert er und verweist darauf, dass Noboa Anstalten macht, auf den umstrittenen Kupfer-Bergbau zu setzen.
Hinzu kommt, dass der Sonnyboy aus der ökonomischen Drehscheibe des Landes, Guayaquil, der Elite angehört, die in Ecuador in aller Regel keine Steuern zahlt. Das hat zur massiven ökonomischen Krise beigetragen, die Noboa nun genauso wie die gravierende von etlichen Drogenkartellen mitverursachte Sicherheitslage, lösen soll. Mehr Mittel für Polizei und Militär lautet seine Devise.
Doch die greift zu kurz: Sowohl das Attentat auf Fernando Villavicencio als auch die Ermordung der sieben Auftragskiller in ecuadorianischen Gefängnissen vor einer Woche offenbaren, dass die Ordnungskräfte von Korruption durchsetzt sind. Antworten auf diese Herausforderungen muss der designierte Präsident nun schnellstmöglich finden.
Leser*innenkommentare
Ardaga
Das sind wir wieder, bei den Etiketten. Wenn es „moderate SozialdemokratInnen“ gibt, wer und was sind dann die radikalen Pendants?
Und abgesehn von der Torheit eine Bifurkation von moderaten und radikalen SozialdemokratInnen herbeizufantasieren: welcher genuine Sozialdemokrat würde mit einer Vize kandidieren, die Trump und Bolsonaro anhimmelt? Erstaunlich ist es dennoch nicht, dass dieses Tandem gewählt wurde, denn die Alternative „roch“ allzustark nach Correa reloaded. Mensch muss nicht in Abya Yala (= Südamerika im Kolonialsprech) leben, um die Gewissheit zu verspüren, dass alles weiter bergab gehn wird. Und mit Luisa González hätten wir genau die selbe Sicherheit verspürt. Haben doch wirkliche gute und fähige Mit-Menschen schon lange kaum mehr eine Chance zu KandidatInnen zu werden. Dafür sorgt einerseits das Mafia-„Parteien“-System, und andererseits der dieses finanzierende Turbokapitalismus. Seien es Bananenmilliarden, oder die des Öls, des Bergbaus, jedweder Umweltvernichtungsgeldmaschine.