Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus: Grünenspitze will weitermachen
Nina Stahr und Philmon Ghirmai wollen erneut als grüne Doppelspitze antreten. Ihnen steht ein harter Wahlkampf zwischen CDU und Linkspartei bevor.
K ontinuität in schwierigen Zeiten ist, womit sie für sich werben. „Dieses Wahljahr, was vor uns liegt, das braucht eine ruhige Führung, eine erfahrene Führung in der Partei“, sagte Berlins Grünenchefin Nina Stahr am Sonntag der dpa. „Das bringen Philmon Ghirmai und ich mit.“
Stahr und Ghilmai bilden seit Dezember 2023 die Doppelspitze der Berliner Grünen. Nun kündigen die Reala und der Parteilinke an, beim Parteitag im November erneut kandidieren zu wollen. „Ich habe Bock, diese Rückschrittskoalition herauszufordern und zu sagen, diese Stadt kann so viel mehr“, sagt Stahr. „Diese Stadt hat verdient, die nächsten fünf Jahre wieder besser geführt zu werden. Und dafür werden wir kämpfen.“
Um den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) aus dem Rathaus zu werfen, brauche es starke Grüne, fügte Ghirmai hinzu. „Statt Berlin zukunftsfest aufzustellen, ziehen Kai Wegner und seine Rückschrittskoalition eine Schneise der Verwüstung durch unsere Stadt“, meinte er.
Doch wie stark müssen die Grünen werden, um Kai Wegner aus dem Rathaus zu werfen?
Laut der jüngsten Umfrage vom September liegen die Berliner Grünen nach CDU (25 Prozent), Linkspartei und AfD (jeweils 16) mit 15 Prozent auf Platz vier. Die SPD wäre mit 14 Prozent nur auf Platz fünf. Die seit Frühjahr 2023 regierende „große“ Koalition hätte im Abgeordetenhaus damit keine Mehrheit mehr.
Grüne weit entfernt vom Roten Rathaus
Damit setzen sich gleich mehrere Trends fort. Erstens bleibt die CDU derzeit deutlich vor den anderen Parteien auf Platz eins. Zweitens setzt sich der Höhenflug der Linkspartei (wenn auch etwas abgeschwächt) fort. Drittens schließlich sind Grüne und SPD derzeit weit davon entfernt, sich Hoffnungen aufs Rote Rathaus machen zu können.
Gerade für die Berliner Grünen ist der Ausgangspunkt für die Wahlen am 20. September kommenden Jahres deshalb alles andere als erfolgsversprechend. Im Gegenteil drohen sie in einem sich zuspitzenden Lagerwahlkampf zwischen CDU und Linkspartei zerrieben zu werden. Dazu kommt, dass sich ihr Spitzenkandidat Werner Graf bislang auch noch nicht richtig warmgelaufen hat.
Demgegenüber konnte der SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach mit seinen (auch kritisch an die eigene Partei gerichteten) Aussagen zur Wohnungs- und Mobilitätspolitik an Profil gewinnen. So gesehen sind die Kontinuität und Verlässlichkeit, mit der Nina Stahr und Philmon Ghirmai für sich werben, kein schlechtes Argument.
Denn genau diese beiden Eigenschaften muss die Linkspartei erst noch unter Beweis stellen. Die Frage, ob und wenn ja, wie die Partei in einem Bündnis mit Grünen und SPD regieren will, ist nach der Nominierung ihrer Spitzenkandidatin Elif Eralp offener denn je. Das gilt auch für die Frage, wie die künftige Fraktion der Linken aussehen wird. Sollte sie mit Bezirkslisten antreten, wonach es derzeit aussieht, wäre die Fraktion wohl eine Blackbox, schwer zu führen sowohl für die beiden Landesvorsitzenden als auch für die Spitzenkandidatin.
Was aber, wenn ein linkes Bündnis scheitert? An der Linkspartei? Am Nein der SPD zum Volksentscheid DW enteignen? Woran auch immer?
Noch redet im Wahlkampf niemand offen über eine Kenia-Koalition, die dann kommen könnte. In Brandenburg ist ein solches Bündnis zuletzt an der Hybris der SPD und dem Grünen-Bashing der CDU gescheitert. Das muss in Berlin nicht so sein. Kai Wegner will zwar keine Parkplätze hergeben, ein Grünenfresser ist er nicht. Und die Grünen dürften, wenn es um Machtoptionen geht, nicht nur auf Linke und SPD schielen.
Erst recht nicht mit einer neuen und alten Doppelspitze.
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