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Wahlen in der OstukraineNatürlich sind Separatisten vorn

Nach den Abstimmungen in der Ostukraine zeichnet sich wie erwartet ein Sieg der Separatistenführer ab. Teils standen vor den Wahllokalen bewaffnete Rebellen Wache.

Stimmenauszählung nach der Wahl in Donezk. Bild: reuters

DONEZK ap | Bei den international geächteten Regionalwahlen in den ostukrainischen Rebellengebieten zeichnet sich wie erwartet ein Sieg der Separatistenführer ab. In Donezk wurde Alexander Sachartschenko zum Chef der dortigen Volksrepublik gewählt. Wahlkommissionschef Ljagin sagte, Sachartschenko liege nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmen mit mehr als 70 Prozent vorn. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kritisierte die Abstimmungen als „Scheinwahlen“.

Bei den Wahlen vom Sonntag war eine rege Beteiligung zu beobachten. Teils standen mehr als 200 Menschen vor Wahllokalen im Osten von Donezk Schlange. Der sichtbar hohe Andrang könnte aber auch mit der relativ geringen Zahl von Wahllokalen zusammenhängen.

Nach Angaben des Leiters der Wahlkommission der Separatisten, Roman Ljagin, gab es 1,4 Millionen Wahlberechtigte und 350 Wahllokale. Kritikern zufolge könnte eine laxe Kontrolle der Wahlberechtigung – wozu die Anmeldung eines Wohnsitzes gehört – die Teilnahme von Ortsfremden ermöglichen. Ein Rebell in Kampfanzug sagte der AP, er habe abgestimmt, obwohl er aus Odessa sei. „Sie kämpfen und sterben hier. Wie kann es dann sein, dass sie hier nicht wählen?“, fragte er. Er durfte schließlich seine Stimme abgeben.

Die Rebellen hatten zu Wahlen in den von ihnen ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Lugansk aufgerufen. Gewählt wurden die Präsidenten dieser Volksrepubliken und deren Parlamente. Damit sollen nach Vorstellung der Separatisten die weder von der Zentralregierung in Kiew noch von der EU, den Vereinten Nationen oder den USA anerkannten Volksrepubliken legitimiert werden.

In Donezk drückte Rebellenführer Sachartschenko seine Hoffnung aus, dass die Abstimmung Frieden bringen werde. „Wenn sie uns anerkennen und uns das Land zurückgeben, das wir verloren haben, werden wir die normalen Beziehungen (mit der Ukraine) wiederherstellen und wie gleichberechtigte Wirtschaftspartner zusammenleben.“

Kiew: Verstoß gegen Verfassung

Kiew, EU, UN und die USA lehnen den Urnengang als Verstoß gegen die ukrainische Verfassung und das im September geschlossene Waffenstillstandsabkommen ab. Die Vereinbarung sieht Wahlen in der gesamten Ostukraine nach ukrainischem Recht vor.

Poroschenko erklärte nach Angaben seines Pressebüros: „Die Farce unter dem Lauf von Panzern und automatischen Waffen, die zwei Terrororganisationen in dem Teil von Donbass arrangiert haben, ist ein schreckliches Ereignis, das nichts mit einer realen Wahl zu tun hat.“

Am Samstag hatte es in der Nähe des Donezker Flughafens trotz einer im September vereinbarten Waffenruhe Kämpfe gegeben, am Sonntag blieb es ruhig. In dem Konflikt wurden bisher etwa 4000 Menschen getötet. Ukrainische Sicherheitsbeamte meldeten am Sonntag massive Bewegungen von Waffen und Truppen aus Russland. Moskau hatte solche Vorwürfe in der Vergangenheit stets zurückgewiesen.

Teils standen vor den Wahllokalen bewaffnete Rebellen Wache. Ein russischer Wahlbeobachter, der Abgeordnete Alexej Schurawlew, sagte: „So merkwürdig es klingen mag: Es ist gut, unter diesen Bedingungen Wahlen abzuhalten.“ Es sei der erste Schritt zur Stabilisierung der Lage. „Wenn wir es nicht machen, geht dieser Krieg weiter.“

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4 Kommentare

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  • Ja natürlich sind die Separatisten vorn. Nachdem die ukrainische Armee monatelang Wohnviertel bombardierte, die westukrainischen rechtsextremen Schlägerbanden ‘‘Rechter Sektor‘‘, ‘‘Swoboda‘‘, ‘‘Nationalgarde‘‘ usw. die besetzten Gebiete plünderten und die Einwohner terrorisierten und tausende von Einheimischen umgebracht wurden, will niemand im Donbass auch nicht das Geringste mit der Ukraine zu tun haben.

     

    Noch im Frühling wäre der Donbass mit ein bisschen Autonomie und Russisch als Amtssprache zufrieden gewesen. Jetzt reicht ihm nur noch die völlige Unabhängigkeit. Die Kiewer Junta hat ihr bestes getan, um die Einwohner der ehem. Südostukraine zu überzeugten Separatisten werden zu lassen.

    • @Frotzelphilip:

      Auf Propaganda folgt gegen Propaganda.

      Das Volk im Osten der Ukraine und auf der Krim haben keine Change sich eine freie Meinung zu bilden.

      Lösungen ......?

      Fehlanzeige.

      Ich bin kein Diplomat, polit Profi oder (selbst ernannter) Kenner der Region, doch erdreiste ich mir eine Meinung zu diesem schweren Thema.

       

      Alle Militäreinheiten raus aus der Region und Blauhelme rein. Ost Ukraine und Krim unter Un-Verwaltung. Rückführung aller Fluchtlinge und Wideraufbau.

      Verbot aller Extremisten Parteien.

      Sonderstatus der Gebiete bis in zehn Jahren das Volk bei einem International organisierten Referendum frei über Ihre Zugehörigkeit abgestimmt hat.

      • @Jörg 70:

        JA klar findet von jeder Seite Propaganda statt. Allerdings sind die Leute nicht blöd, und sie sehen auch die Lebenswirklichkeit. Und angesichts der von Frotzelphilip genannten Handlungsweise der UA und der rechtsextremen Banditen wissen die Bewohner des Donbass sehr genau, wohin sie NICHT mehr wollen.

        Und ist die ukrainische Propaganda besser ? Fehlanzeige. Kiew muß sich ohnehin seiner Sache sehr unsicher sein, daß es sämtliche russischen Sender auf dem von ihm kontrollierten Gebiet verboten hat und Journalisten, die für russische Agenturen arbeiten, regelmäßig die Einreise verwehrt.

        • @Der_Peter:

          @Jörg70

          Nun, die Bewohner des Donbass müssen sich nicht aus Medien- egal ob aus ukrainischen oder separatistischen- informieren. Die haben nämlich den Krieg vor der Haustüre und kommen genau mit, wer Wohnviertel beschoss, welche Seite sie für vollwertige Menschen und wer nur für Bürger 2.Klasse hält, wer ihre Wohnungen plündert und wer Hilfsgüter schickte. Angesichts des brutalen Vorgehens der ukrainischen Soldaten und der offenen Verachtung, die Westukrainer für den Donbass und russischsprachige Bürger hegen, ist es klar für die Donbasser Sympathien haben.

           

          Aber dem zweiten Absatz ihres Kommentares kann ich schon einiges abgewinnen. Die Krim hat sich unterdessen für Russland entschieden, das wird nicht rückgängig gemacht. Aber den Donbass für 10 Jahre unter UN-Verwaltung stellen und danach abstimmen lassen (Zurück zur Ukraine - eigener Staat - oder Wiedervereinigung mit Russland), würde den Konflikt tatsächlich lösen. Ich denke aber, dass die Ukraine nicht für so ein Vorgehen zu haben ist. Der ukrainische Politiker, der so etwas vorschlägt, würde die geballte Wut der ukrainischen Nationalisten zu spüren bekommen. Zudem ist man sich ja auch in Kiew bewusst, dass der Donbass kaum für eine Rückkehr zur Ukraine stimmen würde.