Wahlen in Polen: Warten auf den Scheck vom Tätervolk
Die Propaganda der polnischen Regierungspartei und ihrer Staatsmedien hatte in diesem Wahlkampf ein bevorzugtes Feindbild: Deutschland.
Eigentlich regieren in Polen gar keine Polen, sondern Deutsche, und das schon seit Jahrzehnten, verbreitet der polnische Staatssender TVP seit Monaten. Der größte „Volksverräter“, der sich seine Instruktionen regelmäßig in Berlin abhole, sei Donald Tusk, der dringend „zurück zu seinen Deutschen vertrieben“ werden müsse, hämmert Polens Premier Mateusz Morawiecki von der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) den polnischen Bürgern immer wieder ein. Zusammen mit Tusk sollte man auch gleich alle seine Anhänger mitvertreiben. Die Wähler müssten am Sonntag ihr Kreuzchen bei der PiS machen, da nur diese Partei ein Garant für die Sicherheit und Souveränität Polens sei.
Die permanente Feindpropaganda durch PiS und TVP scheint allerdings auf keinen fruchtbaren Boden gefallen zu sein. In einer letzten IBRiS-Umfrage vor den Wahlen am Sonntag verweisen knapp 58 Prozent der Befragten auf Russland als größte Bedrohung Polens, danach folgt mit knapp 11 Prozent die Feststellung „Aktuell bedroht uns niemand“ und erst an dritter Stelle mit knapp 8 Prozent die Deutschen als „größte äußere Gefahr für Polens Souveränität“.
Dabei hatten sich die PiS und die ihr nahestehenden Medien große Mühe gegeben, alte Wunden aus dem Zweiten Weltkrieg aufzureißen, die aktuelle Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich aus der Nazizeit gleichzusetzen und die Deutschen als ewiges Tätervolk zu brandmarken. Es war Jarosław Kaczyński, der sich ausdachte, dass Deutschland „nie“ Reparationen an Polen gezahlt hätte. Zwar wiesen polnische Historiker sofort nach, dass Polen nach der Sowjetunion die höchsten Reparationsleistungen für den Wiederaufbau des Landes bekommen hatte und dass auch polnische Kriegsopfer die höchste Summe an „humanitären Hilfen“ (Entschädigungen) nach Israel erhalten hatten.
Kaczyński und die PiS leugneten dies. Doch dann behaupteten sie plötzlich, dass Polen zwar 1953 „auf weitere Reparationen aus Deutschland“ verzichtet habe, so wie alle anderen Vertragspartner des Potsdamer Abkommens von 1945 auch, doch dieser Verzicht sei angeblich ungültig, da Polen damals kein „souveräner Staat“ gewesen sei und den Verzicht auf Druck Moskaus geleistet habe. Inzwischen ist die PiS wieder bei der Version angekommen, Polen hätte „nie“ Reparationsleistungen aus Deutschland bekommen. Für die Aufrechterhaltung dieses germanophoben Lügen-Gespinstes gibt die PiS Millionen an polnischen Steuergeldern aus.
Erneute Berechnung der Kriegsverluste
Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, beauftragte ein Fach-Ausschuss aus PiS-Abgeordneten Historiker, Politologen und Statistiker mit der erneuten Berechnung der Kriegsverluste. Zahlreiche Geschichtsinstitute wurden neu gegründet und mit der Aufgabe betraut, die PiS-Geschichtsideologie als „wahre Geschichte“ zu verbreiten. Es gibt sogar einen PiS-Minister, der allein für „Kriegsreparationen aus Deutschland“ zuständig ist, ebenfalls auf Kosten der Steuerzahler durch die Welt jettet und verblüfften Gesprächspartnern kiloschweres „Beweismaterial“ überreicht.
Das Gerücht, dass jeder polnische Bürger direkt aus Berlin einen „Reparationsscheck“ in Höhe von 20.000 oder sogar 40.000 Euro bekommen würde, weckt Begierden. Wer das Gerücht lanciert hat, ist unbekannt. Doch es hat dazu geführt, dass heute die meisten Polen auf ebendiesen Scheck aus Deutschland warten, ohne zu wissen, dass Reparationen immer nur von einem Staat an einen anderen geleistet werden, sie aber niemals in Form von Millionen Schecks an Bürger ausgezahlt werden.
Wie wenig Kaczyński seine antideutsche Phobie unter Kontrolle hat, zeigen nicht nur Sätze wie „Die Deutschen haben eine großartige demokratische Tradition. Mit Adolf Hitler an der Spitze“ oder sein bösartiger Kommentar zur deutschen Luftabwehrhilfe mit Patriot-Systemen, die Deutschland Polen samt 300 Soldaten zur Verfügung stellte: „Es gibt keine Grundlage anzunehmen, dass sie auf russische Raketen schießen werden.“ Gegen Ende des Wahlkampfs übertrieb Kaczyński allerdings so sehr, dass Gegner wie Anhänger sich den Bauch vor Lachen halten mussten.
Der PiS-Wahlspot war witzig gemeint. Jarosław Kaczyński sitzt zu Hause an seinem Schreibtisch, als das Telefon klingelt. Auf dem Fensterbrett spitzt sein schwarzer Kater die Ohren. Am Apparat ist der deutsche Botschafter in Warschau. Seltsamerweise spricht er aber wie ein Pole, der versucht, einen starken deutschen Akzent nachzumachen. Diese Stimme also erklärt Kaczyński, dass Kanzler Olaf Scholz gerne mit ihm über das Renteneintrittsalter in Polen sprechen würde: „Wir denken, dass es so sein sollte wie zu Zeiten von Premier Tusk“, sagt die Stimme. Mit unbewegtem Gesicht starrt Kaczyński in die Kamera vor seinem Schreibtisch: „Bitte sagen Sie dem Kanzler, dass die Polen darüber in einem Referendum entscheiden werden. Tusk gibt es nicht mehr. Und diese Angewohnheiten sind vorbei.“
Dann legt Kaczyński auf und macht eine Miene, als hätte er tatsächlich gerade Kanzler Scholz eine ordentliche Abfuhr verpasst und die Souveränität Polens verteidigt.
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