Wahlen in Malaysia: Erster Machtwechsel seit 61 Jahren
Die Menschen hatten genug von ihrer korrupten Regierung und stimmten, trotz Manipulation, für die Opposition. Die Hoffnungen sind immens.
„Das ist der glücklichste Tag meines Lebens“, strahlt Zunar. Die politischen Cartoons Zunars mit pointiertem Spott über Najib, seine luxusversessene Gattin Rosmah und die Korruption in Malaysia brachten ihm neun Anklagen wegen Volksverhetzung und Computerkriminalität ein – mehr als jedem anderen Regierungskritiker. Am Donnerstagmorgen gestand Najib auf einer Pressekonferenz in Kuala Lumpur die schwere Wahlklatsche ein. Politische Ränkespiele und Gemauschel hinter verschlossenen Türen verzögerten aber die Vereidigung von Oppositionsführer Mohamed Mahathir zum 7. Premierminister Malaysias, das der 92-jährige von 1981 bis 2003 schon einmal regierte.
„Malaysia wird wieder ein Rechtsstaat sein“, versicherte Mahathir am Donnerstagmittag auf einer Pressekonferenz. Das gelte auch für die Verwicklung in den Skandal um die verschwundenen Milliarden des Staatsfonds 1MDB von Ex-Premierminister und Exminister Najib. „Wir sinnen nicht auf Rache. Aber wenn Najib das Gesetz gebrochen hat, muss er sich den Konsequenzen stellen.“ Mahathir kündigte zudem die Abschaffung der von Najib eingeführten Mehrwertsteuer und die „Überprüfung“ der massiven chinesischen Investition in Malaysia an.
Die Wahlniederlage der bisherigen Regierungspartei BN ist total. Acht Minister wurden abgewählt, statt der bisher 131 verfügt die BN nur noch über 79 Sitze im Parlament. In den parallel stattfindenden Landtagswahlen verlor die BN zudem die Macht in ihrer bislang als uneinnehmbar geltenden Hochburg Johor und wird insgesamt in sechs Bundesstaaten die Regierung stellen.
In zwei Bundesstaaten wird wohl die Scharia umgesetzt
Der zweite Wahlsieger ist die islamistische Partei PAS, die im neuen Parlament mit 18 Abgeordneten, fünf mehr als bisher, vertreten ist. Zudem wird die PAS in zwei Bundesstaaten regieren und ihre Vorstellung einer islamischen Gesellschaft mit Scharia umsetzen. Als erste Amtshandlung kündigte Mahathir ein Gnadengesuch an den König für den wegen angeblicher Homosexualität inhaftierten eigentlichen Oppositionschef Anwar Ibrahim an, der dann Premierminister werden soll.
Der Treppenwitz der Geschichte: das hätte schon vor rund 20 Jahren passieren können, wenn der damalige Premierminister Mahathir seinen Stellvertreter Anwar nicht wegen politischer Differenzen hinter Gitter gebracht hätte – ebenfalls wegen angeblicher Homosexualität. Am Wahlabend und am Tag danach schwirrten durch Kuala Lumpur so viele Gerüchte über Aufstände und Truppenbewegungen, dass die Menschen sicherheitshalber zu Hause blieben. Die Straßen der malaysischen Hauptstadt waren am Donnerstag wie ausgestorben und in den prächtigen Shopping Malls langweilten sich mangels Kundschaft die Verkäufer. Ahmad Azmin, Barista in einem Café in der IT-Mall Low Yat, reckt den blau gefärbten Finger als Zeichen dafür, dass er gewählt hat, und sagt: „Alles wird gut, sobald Mahathir unser Premierminister ist.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen