Wahlen in Dänemark: Aus mit Hygge
Trotz Wahlsieg dürften die gemütlichen Zeiten für Mette Frederiksen vorbei sein. Die von ihr angestrebte breite Koalition verheißt nichts Gutes.
M it Hygge – der Begriff für dänische Gemütlichkeit schlechthin, die ein fester Bestandteil der kulturellen DNA ist – ist es wohl erst einmal vorbei. Als wären Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation nicht schon Herausforderung genug, könnten nach der vorgezogenen Parlamentswahl am Dienstag jetzt auch innenpolitisch unruhige Zeiten in Kopenhagen anbrechen.
Zwar haben sich die Sozialdemokraten von Regierungschefin Mette Frederiksen als stärkste Kraft behauptet und es gerade noch einmal geschafft, mit ihren Juniorpartner*innen eine hauchdünne Mehrheit für den roten Block zusammen zu zimmern. Die Suche nach Koalitionären könnte jedoch eine zähe Angelegenheit werden, wenn Frederiksen nicht wortbrüchig werden will. Denn anstatt eines Weiter so mit einer sozialdemokratisch geführten Minderheitsregierung, strebt sie eine breite Koalition der Mitte an.
Offensichtlich können auch viele Wähler*innen dieser Idee etwas abgewinnen, wie das Ergebnis der drittplatzierten noch jungen Partei „Die Moderaten“ von Lars Løkke Rasmussen zeigt. Dänemarks ehemaliger Regierungschef, der als knallharter Verhandler mit Steherqualitäten gilt, kann sich zumindest schon einmal das Verdienst ans Revers heften, die Parteienlandschaft in Dänemark tüchtig durcheinander gewirbelt zu haben.
Ob das für mehr reicht, als einen Platz auf der Oppositionsbank, ist fraglich. Zumal es Rasmussen ist, der bei der rigorosen Ausländer- und Migrationspolitik auf die Bremse treten will. Die spielte zwar im Wahlkampf eine eher marginale Rolle. Doch sie ist nicht nur Konsens über Parteigrenzen hinweg, sondern auch in großen Teilen der dänischen Gesellschaft.
Das magere Ergebnis für die Dänische Volkspartei, die sich nur knapp über die Zweiprozenthürde rettete, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Folketing, dem dänischen Parlament, mehrere rechtspopulistische Parteien einziehen – allem voran die Dänendemokraten von Inger Støjberg. Die Hardlinerin in Sachen Asylpolitik war 2021 zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil sie als Ministerin für Ausländer*innen und Integration die Zwangstrennung mehrere syrischer Paare verfügt hatte.
Aber Nulltoleranz gegenüber Neuankömmlingen ist ja auch bei Frederiksen Programm. Sie dürfte, sollte sie wieder in Regierungsverantwortung kommen, ihren radikalen Kurs fortsetzen. Und so könnte nach der Entscheidung, 300 ausländische Strafgefangene in ein Gefängnis im Kosovo auszulagern, vielleicht auch der Plan ins Werk gesetzt werden, Asylsuchende nach Ruanda zu schicken. Und das ist eine der wirklich schlechten Nachrichten dieser Wahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana