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Wahlen im KosovoIm Pulverfass

Die Wahlen sind nur das Vorspiel. Schon bald wird die neue kosovo-albanische Regierung die Unabhängigkeit ausrufen. Die aber ist für die serbischen Nationalisten undenkbar.

Selbst wenn ein unabhängiges Kosovo vom Westen anerkannt wird, interessiert es die nationalistischen Serben noch lange nicht. Bild: reuters

PRISHTINA taz Es ist kalt im Sportzentrum von Prizren, doch ein Schlager hält die Menge in Bewegung. Dann kommen die Geländewagen mit den Politikern. Unter dem Bild des legendären 2005 verstorbenen Präsidenten Ibrahim Rugova bricht die Menge schließlich in Jubel aus. Die führenden Männer der LDK, der Demokratischen Liga Kosova, der bisher größten Partei des Landes, schreiten auf das Podium. Im Zentrum Fatmir Sejdiu, der jetzige Präsident, und auch Bujar Bukoshi, der ehemalige Premier des Untergrundstaates der 90er-Jahre.

Wahlen im Kosovo

Bei den am Samstag stattfindenden Wahlen treten im Kosovo 25 Parteien und zwei unabhängige Personen an, um in das 120 Sitze umfassende Parlament zu gelangen. Das Kosovo hat 2 Millionen Einwohner. Die beiden größten Parteien sind die Demokratische Liga Kosova LDK und die Demokratische Partei Kosova PDK. Die serbische Regierung hat die 100.000 in Kosovo lebenden und die mehr als 100.000 wahlberechtigten Flüchtlinge in Serbien zur Wahlenthaltung aufgerufen. Wahlwillige Serben werden von Radikalen unter Druck gesetzt, beklagt die UNO. Den Minderheiten stehen zwanzig Sitze zu, davon den Serben zehn. Würden die Serben wählen, könnten sie zusammen mit den anderen Minderheiten der Roma, Bosniaken und Gorani eine Zweidrittelmehrheit der Albaner verhindern. Seit dem Einmarsch von Nato-Truppen 1999 steht das Kosovo unter Aufsicht der UN. Sie sollen bleiben, bis die Statusfrage des Kosovo geklärt ist.

Bukoshi ist zurückgekehrt in seine alte Partei, die er nach einer Kritik an der Tatenlosigkeit der alten Führung nach dem Einmarsch der Nato 1999 verlassen hatte. Jetzt möchte er helfen, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Denn die einstmals stolzen Ergebnisse von über 50 Prozent sind für die sich als konservativ darstellende Partei Vergangenheit. Die PDK, die eher sozialdemokratische Demokratische Partei Kosova des früheren politischen Führers der Befreiungsorganisation UCK, Hashim Thaci, liegt nämlich nach den Umfragen mit 31 Prozent knapp vor der LDK mit 29 Prozent. Und Hashim Thaci erhebt den Anspruch, nach den Wahlen das Amt des Premierministers einzunehmen.

Die neue Regierung soll als eine Art Regierung der nationalen Einheit das Land endgültig in die Unabhängigkeit von Serbien führen. In der UN-Mission des Kosovo wäre man damit einigermaßen einverstanden. Denn Hashim Thaci war in den letzten Jahren in der Opposition, hat die Partei reformiert und sich zudem als verlässlicher Partner der internationalen Gemeinschaft etabliert. Mehr Sorgen macht der UN-Mission und ihrem Chef, Joachim Rückert, die Haltung der serbischen Politiker.

Belgrad hat die rund 100.000 Serben im Kosovo zum Wahlboykott aufgerufen. Sie leben in 13 Enklaven und der Region nördlich von Mitrovica, es sind etwa 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Serbien vergab damit die Chance, im Parlament zur drittstärksten Kraft aufzusteigen, zumal auch mehr als 100.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo in Serbien mitwählen dürfen.

Die serbische Führung setzt alles auf die Karte, die Unabhängigkeit des Landes mit Unterstützung Russlands noch zu verhindern. Sie akzeptiert keine der Selbstverwaltungsinstitutionen, die seit dem Einmarsch der Nato mit Hilfe der UN-Mission im Lande entstanden sind. Im Gegenteil hat sie parallele Strukturen aufgebaut. Das Gebiet nördlich von Mitrovica, das direkt an Serbien grenzt, funktioniert wie Serbien. Als Geld fungiert der Dinar, nicht der sonst im Kosovo übliche Euro. Das Schulsystem, die Post, das Gesundheitswesen, alles ist serbisch. Und die rund 60.000 Menschen dort stehen hinter der serbischen Regierung. Nur in den serbischen Enklaven gibt es Proteste. Die Menschen dort sehen sich bei steigenden Spannungen, wie bei den Unruhen 2004, in Gefahr. Doch als sich vor zwei Monaten einige serbische Oppositionelle treffen wollten, sprengten serbische Radikale die Versammlung. UN-Missionschef Rückert beklagt denn auch die Repressionen gegen jene Serben, die an den Wahlen teilnehmen wollen und damit einer friedlichen Entwicklung zustimmen.

Dennoch: Der Zug läuft in Richtung Konfrontation. Die Troika, bestehend aus je einem Vertreter der EU, Russlands und der USA, wird scheitern. Allen politischen Akteuren im Kosovo ist dies klar. Die Troika war nach dem russischen Veto im Weltsicherheitsrat gegen den Ahtisaari-Plan - einer durch die EU kontrollierten begrenzten Unabhängigkeit des Kosovo - gegründet worden. Sie versuchte zwar in den letzten Wochen noch Pläne etwa nach dem Vorbild des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und BRD aus dem Hut zu zaubern. Doch das alles hat keine Basis. Es wird sowohl von serbischer als auch albanischer Seite abgelehnt.

Am 10. Dezember läuft das Mandat der Troika aus. Wird bis dahin keine einvernehmliche Lösung gefunden, wird die neue kosovoalbanische Regierung die Unabhängigkeit einseitig ausrufen. Das hat Hashim Thaci in den letzten Tagen nochmals betont. Die Ausrufung der Unabhängigkeit hat jedoch nur dann einen Sinn, wenn Kosovo auch diplomatisch anerkannt wird. Da aber US-Präsident George W. Bush die Unabhängigkeit des Kosovo noch in diesem Jahr versprochen hat, scheint die amerikanische Anerkennung sicher. Wenn noch einige europäische Länder hinzukommen, ist die Sache für die Albaner durch.

Nicht aber für die Serben. In den letzten Wochen sind vom Norden her serbische Kämpfer in die Region Nordmitrovica eingesickert. Eine Zar-Lazar-Brigade droht mit Anschlägen. Für serbische Nationalisten ist die Unabhängigkeit Kosovos undenkbar, es sei serbisches Land, die Wiege der Nation im Mittelalter. Sie werden kräftig von der orthodoxen Kirche unterstützt.

Auch die albanische Seite spielt schon mit militärischen Mitteln. In einem Video, das derzeit kursiert, zeigen sich Dutzende martialisch bewaffnete und vermummte Kämpfer der AKSH, der Albanischen Kosovoarmee. Das Gebiet um Mitrovica und die serbischen Enklaven könnten so zu Brennpunkten von Kämpfen werden, meinen Militärexperten. Die von der UN und EU aufgebaute Kosovo-Polizei und die 16.000 Mann der KFOR-Truppen müssten dann notfalls gegen beide Gruppen vorgehen.

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