Wahlen im Kongo: Chaos spaltet das Land
Ordentliche Neuwahlen 2016 werden immer unrealistischer. Deswegen will die Opposition in Kinshasa wieder auf die Straße gehen.
Im Januar hatten Pläne der Regierung von Präsident Joseph Kabila, eine Volkszählung abzuhalten und dann ein neues Wahlregister zu erstellen, Massenproteste hervorgerufen, deren Niederschlagung mehrere Dutzend Tote in Kinshasa und Goma forderte. Das Vorhaben hätte nämlich wegen des logistischen Aufwands eine Wahlverschiebung erzwungen.
Jetzt wirft die Opposition umgekehrt der Regierung vor, am alten Wahlregister festzuhalten, das schon bei den letzten Wahlen 2011 als hoffnungslos veraltet und irregulär kritisiert worden war. Eine Korrektur des Wahlregisters vor dem nächsten Wahltermin 2016 war danach auf Druck der internationalen Gemeinschaft als Bedingung der Anerkennung von Kabilas zweifelhaftem Wahlsieg ausgemacht worden.
Doch bis heute seien nicht einmal Todesfälle, Umzüge und neue Erstwähler berücksichtigt, kritisiert das Bündnis radikaler Oppositionsgruppen, das jetzt zu Protesten aufruft. Es zirkulierten außerdem mehrere Millionen gefälschter Wählerausweise. Andererseits lehnt die Opposition jede Verschiebung des Wahltermins 27. November 2016 ab und pocht auch darauf, dass Präsident Kabila dann nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten darf – lauter Dinge, über die niemand wirklich weiß, wie Kabila sie plant.
Eine Provinzreform blockiert alle Wahlen
Verschärft wird der Streit dadurch, dass der Regierung vor einem halben Jahr eingefallen ist, die seit zehn Jahren immer wieder verschobene Neuaufteilung der 11 Provinzen des Kongo in 26 Provinzen endlich zu vollziehen und das Chaos in der Wahlvorbereitung zu komplettieren. Der geltende Kalender der Wahlkommission vom Februar sieht in enger Abfolge Provinzwahlen, Kommunalwahlen auf mehreren Ebenen und schließlich Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor.
Als Erstes werden am 25. Oktober Provinzparlamente und Gemeinderäte gewählt: Würde es sich einfach um die Neuwahl der 11 bisherigen Provinzparlamente handeln, wäre dies kein Problem; jetzt geht es aber um die Erstwahl der Parlamente vieler neuer kleinerer Provinzen.
Diese gibt es bisher nur auf dem Papier, außer in der Hauptstadt Kinshasa sowie im Osten des Landes, wo die Kivu-Provinzen weiterbestehen werden. Manche neue Provinzen im Urwald haben überhaupt keine Regierungsgebäude oder auch nur Straßen, geschweige denn funktionierende Verwaltungen. Vor einigen Wochen stellte die Wahlkommission daher fest, sie sei nicht in der Lage, die Provinzwahlen abzuhalten, und zog vor das Verfassungsgericht.
Die Opposition sagt einen Dialog ab
Dieses ordnete am vergangenen Dienstag an, die Regierung müsse der Wahlkommission die erforderlichen Mittel bereitstellen und außerdem „außerordentliche Maßnahmen“ treffen, um „die öffentliche Ordnung“ und die Kontinuität der öffentlichen Verwaltung in den neuen Provinzen zu gewährleisten. In jedem Falle sei der Wahlkalender zu respektieren; es müssten also die Provinzwahlen vor jedem anderen Wahlgang stattfinden.
So blockiert die Provinzreform jetzt alle anderen Wahlen, auch die von 2016. Und das Gerichtsurteil bedeutet, dass Kabila jetzt kommissarische Provinzgouverneure ernennen kann, um Provinzwahlen vorzubereiten – und sie mit Sondervollmachten ausstatten kann. Nebenbei werden die bisherigen Provinzgouverneure, von denen sich manche wie in der Bergbauprovinz Katanga zu mächtigen Gegenspielern Kabilas entwickelt hatten, komplett kaltgestellt.
Die Opposition fürchtet nun eine Verschiebung sämtlicher Wahlen. Sie sieht einen Präzedenzfall dafür, per „außerordentlicher Maßnahme“ die Verfassung zu umgehen. Laufende Sondierungsgespräche über einen von Kabila vorgeschlagenen „Dialog“ haben die wichtigsten Oppositionskräfte am Wochenende abgesagt. Man setzt offenbar wieder auf das Kräftemessen auf der Straße.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!