Wahlchaos in Berlin: „Eine prophetische Hellsicht“

Die Berlinwahl kann nun vor Gericht angefochten werden. In einigen Stimmbezirken könnte es Nachwahlen geben, sagt der Pankower Wahlamtsleiter.

Einwandfrei war das nicht: Der Wahlsonntag in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

taz: Herr Albrecht, am Donnerstag will die Landeswahlleitung das amtliche Endergebnis für die Abgeordnetenhauswahl bekannt geben. Dann ist auch der Klageweg offen, einzelne Wahlergebnisse anzufechten. Mit ein wenig Abstand betrachtet: Wer hatte die Verantwortung dafür, dass auch in Pankow so viele Dinge am Wahlsonntag schief gelaufen sind?

Marc Albrecht: Wir hatten bei dieser Wahl die Problematik, dass die Stimmzettellieferungen von der Druckerei relativ unkoordiniert kamen. Gefühlt kamen sie zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Es war schwierig, den Überblick zu behalten. Dadurch hat es auch gedauert, bis wir überhaupt anfangen konnten, die Kisten für die einzelnen Wahllokale zu packen und auszufahren.

ist Leiter des Bezirkswahlamts in Pankow.

Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf sollen zudem besonders viele Wahlzettel für die Briefwahl zurückbehalten haben – die dann am Wahltag in den Stimmlokalen fehlten.

Die Briefwahlanforderungen stiegen im Vorfeld des Wahltags stark an. Es ist ja leider nicht so, dass man für jeden Wähler zwei Sätze Stimmzettel bekommt – für die Brief- und die Urnenwahl. Die Landeswahlleitung spricht von einer 110-prozentigen Ausstattung der Wahllokale – ob das so zutrifft und so geliefert worden ist, prüfen wir gerade nach.

Der zentrale Fehler war also, dass es zu wenig Stimmzettel gab?

Ja. Wir wollten eigentlich nicht auf irgendein Verhältnis Brief- zu Urnenwahl wetten. Wir haben begonnen, die Landeswahlleitung ab Anfang August darauf hinzuweisen, dass es gut wäre, Stimmzettel in einer Größenordnung von 20 oder 30 Prozent nachzudrucken – einfach, um eine entsprechende Reserve zu haben. Dem ist man leider nicht nachgekommen. Im Nachgang muss man aber sagen: Wir hatten eine beinahe prophetische Hellsicht.

Warum hat das schnelle Nachsteuern am Wahlsonntag selbst nicht geklappt?

Wir sind den ganzen Tag unterwegs gewesen, mit 15 Kurieren, um Stimmzettel auszuliefern. Mit dem Marathon können wir uns nicht herausreden, die Straßensperrungen waren nicht in Pankow. Daran lag es nicht. Wir haben an dem Tag alles an Stimmzettteln ausgegeben, was da war. Wir haben aber auch tonnenweise ungenutzte Stimmzettel aus den Wahllokalen zurückerhalten.

Mit anderen Worten: Die Wahlvorstände haben den Überblick verloren?

Es war offenbar nicht immer klar, was an Nachlieferungen gebraucht wird, und was überhaupt da ist.

Wie kann man das in Zukunft vermeiden – müsste man die Wahlorganisation professionalisieren?

Eine Professionalisierung bei Wahlvorständen wird nicht funktionieren. Das sind Menschen, die das freiwillig machen. Sicher kann man in Zukunft in den Schulungen einen Schwerpunkt darauf setzen, zu üben, wie die Meldeketten für die Wahlzettelorganisation funktionieren müssen. Diese Problematik hatten wir bisher nie und hatten sie deshalb auch nicht im Fokus.

Glauben Sie, auch mit Ihrem jetzigen Wissen um die Fehler, dass es in Pankow in einzelnen Stimmbezirken Nachwahlen geben wird?

In drei Wahllokalen, 200, 207 und 211, wurde die Wahl um 18.45 Uhr beendet und Wählerinnen und Wähler wurden weggeschickt, weil keine Stimmzettel mehr vorhanden waren. Im Stimmbezirk 207 war es zudem so, dass die Leitung des Wahllokals in eigener Verantwortung entschieden hat, überhaupt keine Stimmzettel mehr auszugeben, obwohl nur die Stimmzettel für die Abgeordnetenhauswahl gefehlt haben. Dies sind Gründe, die man in einer möglichen Wahlanfechtung anbringen könnte. Und es könnte durchaus passieren, dass das vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden wird.

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