Wahlberechtigte in Berlin: Meldet euch, wenn ihr könnt!
In 100 Tagen wird gewählt. Abstimmen wollen auch Neuberliner. Dafür muss man sich im Bürgeramt anmelden – aber das muss man erst mal können.
Wahl? Ist doch erst irgendwann im Herbst. Stimmt, aber nur irgendwie. Etwas mehr als drei Monate sind es noch bis zur Abgeordnetenhauswahl am 18. September, und doch steht schon jetzt eine entscheidende Wegmarke an: Mitstimmen darf dann nämlich nur, wer – außer, dass er oder sie Deutscher und 18 Jahre alt ist – spätestens ab dem 18. Juni in Berlin wohnt. Also in sieben Tagen.
Das mit dem In-Berlin-Wohnen aber schlägt sich in einer Anmeldung im Melderegister nieder, und da beginnt das Problem. Denn für eine Anmeldung braucht es einen Termin in einem der Bürgerämter in der Stadt. Da jedoch ist die Terminlage weiterhin äußerst schwierig – und das nicht nur bis zum 18. Juni. Das Skurrile: In einer funktionierenden Verwaltung ist es die Behörde, die drängt, sich binnen 14 Tagen anzumelden, und nicht der Bürger, der die Behörde drängt, ihm überhaupt einen Termin zu geben.
Die Neuberliner haben zwar noch Zeit bis zum 5. August, sich rückwirkend eintragen zu lassen – auf dem Meldestand 5. August werden die Wahlbenachrichtigungen verschickt. Doch in den nächsten sieben Wochen sieht die Lage in den Bürgerämtern überhaupt nicht besser aus als derzeit. „In der angegebenen Zeit gibt es keine Termine. Versuchen Sie doch den nächsten Monat“, heißt es bei der Online-Terminsuche auf www.berlin.de. Bis zum 6. August und damit einen Tag nach der letzten Eintragmöglichkeit ist alles ausgebucht.
Diese Situation hatte schon zu Jahresbeginn der Piraten-Abgeordnete Simon Weiß kommen sehen und „Sofortmaßnahmen zur Absicherung der Wahlen 2016“ gefordert. Das – damals wie aktuell herrschende – Terminchaos in den Bürgerämtern sei schlimm genug, „es darf nicht auch noch dazu führen, dass die Wahlen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden“. Seine Befürchtung: Leute, die sich um ihr Wahlrecht gebracht sehen, weil sie es ohne eigenes Verschulden nicht ins Melderegister schafften, könnten die Wahl anfechten.
Bei der vergangenen Wahl 2011 gab es laut Innenverwaltung des Senats weder bei ihr noch bei der Landeswahlleitung solche Beschwerden. Damals aber funktionierten die Bürgerämter auch noch. Und es gab keine Einwohnerschaft, die jährlich um 40.000 Menschen wuchs.
Innensenator Frank Henkel (CDU) wiegelte schon damals im Januar bei dem Piraten-Vorstoß ab, wies die Verantwortung von sich und den Bezirken zu – und kündigte mehrere Dutzend zusätzliche Leute für die Bürgerämter an. Auch aktuell lautet die Reaktion der Henkel-Behörde auf eine taz-Anfrage: „Für die Bereitstellung von Terminen sind die Bezirke zuständig.“ Die sollen Meldeangelegenheiten als dringliche Fälle behandeln, das soll eine rechtzeitige Bearbeitung auch dann gewährleisten, wenn kurzfristig keine Termine verfügbar seien.
Die Landeswahlleitung empfiehlt, direkt im Bürgeramt vorzusprechen. „Zuzüge nach Berlin werden vorrangig bearbeitet“, heißt es hier hoffnungsvoll. Immer mal wieder berichtet zudem ein Kollege oder Bekannter im Tonfall von Goldfund-Erzählungen, er habe über die zentrale Behörden-Telefonnummer 115 morgens einen gerade frei gewordenen Termin abgreifen können. Nach systematischer Wahlabsicherung allerdings klingt das alles nicht.
Die Piraten-Fraktion sieht sich in ihrer Mahnung und der Forderung nach Sofortmaßnahmen bestätigt. „Der Senat ist dem insoweit nachgekommen, dass Expressmeldeschalter eingerichtet wurden“, sagt der Abgeordnete Fabio Reinhardt diese Woche der taz, „die aufgestauten Meldeangelegenheiten sind jedoch noch immer nicht abgearbeitet.“
Dieser Text ist Teil des aktuellen Schwerpunkts in der Wochenendausgabe der taz.berlin. Darin außerdem: Was noch passiert bis zum 18. September: ein Wahlkalender.
Leser*innenkommentare
wxyz
Wenn man die Sache vom Hötzchen zum Klötzchen weiter denkt, dann könnte das im schlimmsten Fall zu einer Anfechtung des Wahlergebnisses führen, wenn einige nur deshalb nicht an der Wahl teilnehmen können, weil die Behörden versagt haben und wenn gleichzeitig die Wahl so ausfällt, daß es auf ganz wenige Stimmen ankommt, welche Partei Regierungspartei wird oder welche Partei die 5 Prozent erreicht oder nicht.