Wahl in Südafrika: Denkzettel von links
Bei den Wahlen bleibt der regierende ANC deutlich über 60 Prozent. Aber die neue linke Partei EFF etabliert sich als dritte Kraft.
JOHANNESBURG taz | In Südafrika hat der regierende ANC (Afrikanischer Nationalkongress) bei den Parlamentswahlen vom Mittwoch entgegen mancher Vorhersagen sein vorheriges Wahlergebnis aus dem Jahr 2009 nur um wenige Prozentpunkte verfehlt.
Nach Auszählung von über zwei Drittel der Stimmen am Donnerstagnachmittag lag der ANC bei 62,8 Prozent – trotz aller Prognosen, die Partei von Staatspräsident Jacob Zuma werde möglicherweise nicht über die symbolische Grenze von 60 Prozent gelangen.
Vor fünf Jahren hatten 65,9 Prozent für den ANC gestimmt, der 264 Sitze im 400-köpfigen Parlament erhielt. Dieses Jahr, bei der ersten Wahl seit dem Tod Nelson Mandelas, hatten viele unzufriedene Südafrikaner angekündigt, sie wollten dem ANC einen Denkzettel verpassen.
Dennoch wird der ANC wohl auch jetzt wieder hinter der Zweidrittelmehrheit im Parlament zurückbleiben. Damit bräuchte er weiterhin Stimmen der Opposition, um zum Beispiel die Verfassung ändern zu können. Aber während die parlamentarische Opposition bisher eher konservativ-liberal war, zieht jetzt die neugegründete linke EFF (Economic Freedom Fighters) des ehemaligen radikalen ANC-Jugendführers Julius Malema mit rund 5 Prozent der Stimmen ins Parlament ein.
So könnten Verfassungsänderungen nun mit Hilfe der EFF gelingen. Die EFF sind die eigentlichen Gewinner dieser Wahl. In Malemas Heimatprovinz Limpopo liegen sie an zweiter Stelle hinter dem ANC, wenngleich weit abgeschlagen mit 9 Prozent gegen 78 für den ANC. In der Nordwestprovinz kommen die EFF auf 11 Prozent, auch in der Gauteng-Provinz rund um Johannesburg mit Südafrikas Bergbauindustrie erreichen sie 8 Prozent.
Wohl keine Zweidrittelmehrheit
Einst von Präsident Jacob Zuma wegen mangelnder Parteidisziplin aus dem ANC gefeuert, hat Malema jetzt innerhalb kürzester Zeit gute Erfolge eingefahren und seine Partei als schwarze Protestpartei und dritte Kraft in Südafrika etabliert. Die Hoffnung der EFF-Wähler ist, dass die radikalen Parteimitglieder den etwas träge gewordenen ANC im Parlament herausfordern. EFF setzt auf Wirtschaftswandel zugunsten der schwarzen Massen mit den Mitteln der Verstaatlichung von Bergwerken und einer Landreform.
Die größte, weiß dominierte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) hat einige Prozentpunkte zugelegt, blieb aber mit einem Ergebnis von 20 bis 22 Prozent weit hinter ihrem Wahlziel zurück, rund 30 Prozent der Wählerstimmen gewinnen. 2009 erhielt die DA 16,7 Prozent und damit 67 Sitze im Parlament. Jetzt ist klar, die DA ist nach wie vor am stärksten am Kap, hat aber zudem in der Provinz Gauteng mit den Städten Johannesburg und Pretoria erheblich Eindruck gemacht: Die DA liegt da direkt hinter dem ANC, mit über 30 Prozent.
Die Verlierer sind klar: Agang, die neue Zentrumspartei, erhielt gerade mal 0,2 Prozent. Cope, die ANC-Abspaltung, die bei der letzten Wahl 2009 als neue Kraft auftrat und bei 7 Prozent landete, bricht auf 0,7 Prozent ein – noch hinter der „Freiheitsfront“ weißer Rassisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind