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Wahl in HamburgTschentscher verteidigt Erbhof

Seine Partei hat knapp 35 Prozent geholt und rund 5 Prozentpunkte verloren. Warum der SPD-Bürgermeister trotzdem eine starke Verhandlungsposition hat.

Ob mit den Grünen oder der CDU – Peter Tschentscher (SPD) bleibt wohl Erster Bürgermeister von Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird nach der Bürgerschaftswahl am Sonntag wohl eine komfortable Ausgangsposition für künftige Koalitionsverhandlungen haben.

Zwar muss seine SPD laut 19-Uhr-Trend mit rund 34 Prozent Verluste von circa 5 Prozentpunkten hinnehmen. Aber da sein erklärter Wunsch-Koalitionspartner, die Grünen, ebenfalls verloren hat und auf das Niveau der CDU gesunken ist, wird er aus einer starken Position heraus agieren können. Die Grünen könnte das einen Senatorenposten kosten.

Tschentscher war 2018 als Nachfolger von Olaf Scholz (SPD) Bürgermeister geworden, nachdem dieser als Finanzminister in die Bundesregierung eingetreten war. Dass der damalige Finanzsenator das Amt übernahm, überraschte die meisten Beobachter. Ob sich Tschent­scher zum Bürgermeister eignen würde, schien nicht ausgemacht.

Schon 2020 hatte die SPD eingebüßt

Bei der Wahl 2020 hatte die SPD mehr als sechs Prozentpunkte eingebüßt. Mit 39,2 Prozent hatte Tschentscher jedoch ein achtbares Ergebnis geholt – bei einem Rekordergebnis der Grünen mit 24,2 Prozent. Dabei war kurz vor der Bürgerschaftswahl ein Skandal hochgekocht, der Tschentscher über die ganze Legislaturperiode hinweg begleitete: Der Cum-Ex-Skandal über zu Unrecht erstattete Steuern und die Frage, inwiefern die Hamburger Senatsspitze – sprich der damalige Finanzsenator Tschentscher und der damalige Bürgermeister Olaf Scholz dabei der Warburg-Bank geholfen hatten. Der Ausschuss ging mit der Legislaturperiode mit Indizien für eine Einflussnahme ohne klares Ergebnis zu Ende.

Tschentscher, ein habilitierter Labormediziner mit trockener Art, gewann an Statur während der Coronapandemie, als er häufig in Talkshows zu Gast war, wo er Autorität als Arzt zur Geltung brachte. Wie sein ehemaliger Chef Scholz gilt er als akribischer Arbeiter, der Vorlagen nicht einfach durchwinkt, sondern lieber noch einmal selbst eingehend prüft.

Vor der Wahl hatte er deutlich zu verstehen gegeben, dass er eine Fortsetzung des Bündnisses mit den Grünen wünscht – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Schwarz-Grün drohe, sollten die Grünen zu stark werden. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank hatte ihren Anspruch auf das Spitzenamt angemeldet, als die Aussichten für die Grünen noch rosig waren.

Tschentscher versucht die von ihm als notwendig begriffene Klimaschutzpolitik mit den Vorstellungen einer in Teilen konservativen Bevölkerung und den nachdrücklich vorgetragenen Ansprüchen der Wirtschaft zu versöhnen – der Anspruch einer Volkspartei, den die SPD in Hamburg erheben muss und kann. Schließlich hat sie hier die allerlängste Zeit nach dem Krieg die Bürgermeister gestellt.

Eine umstrittene Entscheidung

Das hieß für die Grünen, dass sie sich mit einer weiteren Elbvertiefung und dem Weiterbau der A26 durch das Hamburger Stadtgebiet abfinden mussten. Zugleich treibt der Senat aber die Wärmewende voran und den Ausbau der alternativen Verkehrsträger. Von seinem Vorgänger übernahm er das Ziel, 10.000 Wohnungen im Jahr zu bauen. Die Zahl wurde in den Jahren 2018 bis 2020 erreicht. Danach brachen sie im Gefolge der Coronakrise und des Ukrainekriegs ein.

Zu den umstrittenen Entscheidungen von Tschentschers Amtszeit als Bürgermeister gehört die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Hamburger Hafenterminal, die von vielen als sicherheitskritisch eingestuft wurde. Weitreichender noch ist der Teilverkauf des städtischen Hafenbetreibers HHLA an die weltgrößte Containerreederei MSC. Kritiker warnten vor der Marktmacht der Reederei und dass die Stadt von dem enorm finanzstarken Unternehmen an die Wand gedrückt werden könnte.

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7 Kommentare

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  • Das Wort "Erbhof" stört gewaltig. Was soll diese gedankenlose Formulierung? Es ist diese Art von Sicht auf die etablierten Parteien, die unsere Demokratie gefährdet. Hamburg gehört nicht der SPD und die Berichterstattung über die Wahl sollte das auch nicht suggerieren. Der Souverän - also wir Wähler - geben ein weiteres Mal für eine begrenzte Zeit Macht an die Akteure der Regierung ab. Mehr nicht.

  • Rot Grün ist gut für Hamburg, das sehen, laut Umfragen, selbst die GegnerInnen so .



    Gut, wenn diese Koalition fortgesetzt wird!

    • @Philippo1000:

      Man könnte schlechter regiert werden, das stimmt. Aber es ist noch viel Luft nach oben :D

  • Der wichtigste Punkt bei der Bekämpfung der AfD scheint zu sein , dass die Bürger den Eindruck haben, der Staat funktioniert und erledigt seine Aufgaben. Die AfD ist da stark , wo die Bürger den gegenteiligen Eindruck haben, der Staat funktioniert nicht, vor allem nicht für sie selbst.

  • Unterm Strich bleibt doch aber auch in Hamburg wie im Bund: rot und grün verlieren was schwarz und blau dazugewinnen.



    Damit folgt auch Hamburg dem Bundestrend...



    Eine starke Verhandlungsposition hat in meinen Augen da weder rot noch grün. Beide müssen sich hinterfragen wie es weitergehen soll, der Abwärtstrend muss wie auch im Bund schleunigst gestoppt werden - das es nochmals für eine rot-grüne Bürgerschaft reicht darf darüber nicht hinwegtäuschen.



    Die CDU wird sich freilich anbieten, die steigen aber fast mit einer Verdopplung ihrer Zustimmung in den Ring, Demut werden die da sicher nicht anklingen lassen...

  • Danke Hamburg,



    es geht also doch noch mit klein halten der AfD.

    • @Hans Dampf:

      Ich denke das ist in Metropolen nahezu überall so, nur das Hamburg gleichzeitig noch Bundesland ist.