Wahl in Costa Rica: Konservative Mobilmachung
Die Ehe für alle ist das wichtigste Wahlkampfhema in Costa Rica. Grund dafür ist ein Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes.
Der Grund dafür, dass die Homo-Ehe zum Wahlkampfthema Nummer eins geworden ist, liegt in einem Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes. Am 9. Januar entschieden die Richter, dass homosexuelle Paare rechtlich heterosexuellen Lebensgemeinschaften gleichzustellen seien. Somit müssen alle Mitgliedsländer der Organisation Amerikanischer Staaten die „Ehe für alle“ uneingeschränkt umsetzen, also auch Costa Rica.
Während Menschenrechtsorganisationen und die LGBTI-Bewegung das Urteil feierten, hat es für die regierende sozialdemokratischen PAC fatale Konsequenzen. Denn der Entscheidung des Gerichts liegt eine Anfrage der costa-ricanischen Vizepräsidentin Ana Helena Chacón Echeverría vom Mai 2016 zugrunde. Die PAC-Politikerin wollte wissen, ob denn in Costa Rica genug getan werde, um die sexuelle Vielfalt zu garantieren. Nach dem Urteilsspruch zu Schwulen, Lesben und Transgender erklärte sie, das Gericht „erinnert alle Staaten des Kontinents, also auch unseren, an die Verpflichtungen und die historische Schuld gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen“.
Bei der zu 80 Prozent religiösen Wählerschaft kommt diese Haltung schlecht an. Nach Angaben des Zentrums für Politische Forschung und Studien (CIEP) sprechen sich zwei Drittel der Bevölkerung gegen gleichgeschlechtliche Ehen, einen laizistischen Staat und Abtreibungen nach Vergewaltigungen aus. Vertreter der katholischen Kirche sowie evangelische Gemeinden griffen diese Haltung auf und gaben dem Wahlkampf einen konservativen Dreh. So organisierte die Bischofskonferenz gemeinsam mit führenden Protestanten eine Kampagne „für die Familie und das Leben“ und gegen Sexualerziehung an Schulen.
Die Botschaft stieß bei fast allen der 13 Kandidaten auf fruchtbaren Boden. Costa Rica werde die nationale Souveränität gegenüber dem Menschenrechtsgericht bis zur letzten Konsequenz verteidigen, erklärte RN-Kandidat Alvarado. Sein Konkurrent von der liberalen Partei PLN, Antonio Álvarez Desanti, sprach sich gegen die „Gender-Ideologie“ aus, die der natürlichen Ordnung Gottes widerspreche. Ähnlich äußerte sich der rechte christsoziale Kandidat Juan Diego Castro. Andere Themen wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die Korruption und die steigende Unsicherheit gerieten angesichts der konservativ-religiösen Mobilmachung in den Hintergrund.
Mit seinen 16,9 Prozent der Stimmen liegt Alvarado nun nach CIEP-Umfragen vom Mittwoch vor Desanti mit 12,6 Prozent. Erst auf Platz drei kommen die regierenden Sozialdemokraten der PAC, die aber auch durch einen Korruptionsskandal bei den Wählern in Missgunst geraten sind. Da nicht zu erwarten ist, dass ein Kandidat am Sonntag über 40 Prozent für sich verbuchen kann, wird wohl erst ein zweiter Wahlgang über den neuen Präsidenten entscheiden. An Ostern müssen dann die Costa Ricaner erneut an die Urnen gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen