Wahl der Hamburger Handelskammer: Schluss mit Wirtschafts-Politik
Die „Kammer-Rebellen“ haben bei der Wahl der Handelskammer den Durchmarsch geschafft. Jetzt stehen die Zwangsbeiträge zur Disposition.
Unter dem Namen „Die Kammer sind wir!“ war das Bündnis 2014 erstmals mit zwölf Sitzen in das Kammerparlament eingezogen. Seither haben die Kritiker in den eigenen Reihen der Kammer-Führung das Leben schwer gemacht: Sie zogen gegen die immer wieder starke politische Positionierung der Wirtschaftsvertretung zu Felde, die in Hamburg nicht zufällig Wand an Wand mit dem Rathaus residiert – mit einer Tür, durch die, so böse Zungen, der Senat die Orders empfängt. Die Kammer hatte etwa Kampagne gegen den Rückkauf der Ernergienetze durch die Stadt gemacht – mitten im laufenden Volksentscheid. Das hat ihr im Nachhinein sogar das Verwaltungsgericht verboten.
Auch gegen Hamburgs Transparenzgesetz hatte sich die Kammer gewehrt und nach seiner Verabschiedung Ausnahmen für ihre eigenen Aktivitäten geltend gemacht.
Im Plenum sorgten die Kammer-Rebellen für Transparenz: Sie setzten durch, dass das Gehalt des Handelskammer-Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz offengelegt wurde, immerhin fast eine halbe Million Euro im Jahr. Diese Zahl, obwohl von einer Unternehmensberatung als vergleichsweise niedrig testiert, dürfte dem zentralen Anliegen des Bündnisses in diesem Wahlkampf Schub verliehen haben, das sogar in den Namen der Gruppierung Eingang fand: die Zwangsbeiträge für Unternehmen abzuschaffen.
Ins Handelskammer-Plenum geschafft hat es als einziger unabhängiger Kandidat der Vorstandsprecher der Hamburger Sparkasse Harald Vogelsang. Auch das Tochterunternehmen Haspa Direkt entsendet mit Geschäftsführer Niels-Helge Pirck (#Unternehmer für Hamburg) einen Delegierten.
Abgewählt wurden unter anderem der Vattenfall-Generalbevollmächtigte Pieter Wasmuth, Globetrotter-Chef Andreas Bartmann, Budnikowski-Chef Cord Wöhlke und Airbus-Standortleiter Georg Mecke.
Gescheitert sind prominente Hamburger wie der langjährige CDU-Staatsrat Reinhard Stuth, der frühere Geschäftsführer des Hamburg Convention Bureaus der Hamburg Marketing, Thorsten Kausch und der Ex-Fußballtrainer Holger Stanislawski (alle #Unternehmer für Hamburg) sowie der Immobilien-Investor Dieter Becken.
Zwei Tage nach der Wahl kündigten die Rebellen ihr 100-Tage-Programm an: die Plenarsitzungen sollen ab sofort öffentlich sein, die Protokolle im Netz veröffentlicht werden. Die viel kritisierten „Luxusrenten“ für Kammer-Mitarbeiter werden unabhängig untersucht und gegebenenfalls Schadenersatz angestrebt. Das Gehalt des Hauptgeschäftsführers wird auf das Niveau des Wirtschaftssenators abgesenkt und die Zwangsbeiträge bis 2020 abgeschafft.
Der amtierende Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer zog in einer ersten Stellungnahme einmal mehr in Zweifel, ob das überhaupt möglich ist: „Die Behauptung, die Kammer könne die Pflichtbeiträge abschaffen, hat offenbar bei einer Mehrheit derer, die ihre Stimme abgegeben haben, verfangen.“ Dabei lege der Gesetzgeber die Aufgaben der Kammer fest. Sie müsse auch künftig in der Lage sein, diese zu versehen, „ohne in Abhängigkeiten von Einzelinteressen zu geraten“. Das wäre bei freiwilligen Beitragszahlungen „zweifellos der Fall“.
Melsheimer zeigte sich „tief enttäuscht“, auch wenn er die „Rekordbeteiligung“ an der Wahl lobte. 17,6 Prozent der UnternehmerInnen hatten abgestimmt, fast doppelt so viele wie 2014 und weit mehr als in allen großen deutschen Kammern.
Erfolglos war der Versuch geblieben, den drohenden Siegeszug der Kammer-Rebellen kurzfristig noch mit anderen Wahlbündnissen und prominenten KandidatInnen zu kontern: „#Unternehmer für Hamburg“ und „Starke Kammer. Vorfahrt für Hamburg“ brachten jeweils nur einen Kandidaten durch. Und auch von den bündnisfreien Kandidaten, die noch vor wenigen Jahren das gesamte Plenum stellten, schaffte es nur einer.
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