Wagenburg: Querschüsse gegen Querlenker
CDU, Polizei und SPD-Innensenator wollen in Bremen einen Bauwagenplatz verhindern. Das SPD- Wirtschaftsressort duldet die LKW-Kolonie trotzdem.
Ende Mai haben sie ihre LKWs auf das mehrere Hektar große Brachland nahe des Bremer Hauptbahnhofs gefahren. Wo jahrelang nur Unkraut auf einem ehemaligen Rangiergelände der Bahn spross, wohnt seitdem eine Gruppe junger Leute. Einen "offenen, bunten Ort zum Zusammenleben" wollen sie nach eigenen Bekunden dort schaffen.
Die Wagenburger nahmen Kontakt auf mit der staatlichen Wirtschaftsförderung Bremen GmbH (WFB), die das Grundstück verwaltet. "Genug Platz ist da ja," kommentierte die WFB seinerzeit und bat die Wagenleute um ein "Zwischennutzungskonzept". Bis dahin hatte sich noch nie jemand ernsthaft für das innerstädtische Ödland interessiert und so verhandelt die WFB seither mit den Wagenbewohnern.
An diesem Mittwoch aber machte die CDU plötzlich Stimmung gegen die Wagenburg: Der Senat lasse sich von ihr "auf der Nase herumtanzen," sagte der innenpolitische Sprecher Wilhelm Hinners. Es könne nicht angehen, dass "nach der unerlaubten Besetzung" ein Pachtvertrag verhandelt werde. Zudem sei es "naiv zu glauben, dass sich die Besetzer an einen zeitlich befristeten Vertrag halten" und sich die Fläche danach noch "attraktiv vermarkten lässt", so Hinners. Er schloss mit der Aufforderung, "weder die rechte noch die linke Szene zu dulden."
Hinners hat damit mitten im Sommerloch einen bereits einen Monat alten Brief aufgegriffen, den Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) an seinen Parteigenossen Ralf Nagel geschrieben hatte. Der ist als Wirtschaftssenator quasi Eigentümer der Brachfläche. Aus polizeilicher Sicht, so schrieb Mäurer, sei zu befürchten, dass "die Wagenburg zu einem überregionalen Anlaufpunkt für die linksorientierte Szenen wird." Es bestehe die Gefahr einer "Verfestigung eines rechts- und polizeifreien Raums." Die Gefahr von "derzeit noch nicht absehbaren Störaktionen" solle "nicht unterschätzt werden. Kurzum: "Um die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung so gering wie möglich zu halten", sei eine Zwischennutzung des Geländes durch die "Querlenker", wie sich die Wagenburg nennt, "nicht zu befürworten." Das Wirtschaftsressort ließ sich bisher allerdings weder von Hinners noch von Mäurer irritieren: "Wenn sie nicht stören, dann stören sie nicht," kommentierte Sprecher Holger Bruns. Die Verhandlungen um den Pachtvertrag werden weitergeführt.
Bei den Wagenbewohnern stößt das Schreckensszenario der Innenbehörde naturgemäß auf Unverständnis: "Aus dem, was wir hier machen, so etwas abzuleiten und die Ängste in der Bevölkerung zu schüren, ist Quatsch," sagt Jan, der im niedersächsischen Weyhe gerade eine Ausbildung zum LKW-Mechaniker macht. Man veranstalte Konzerte und Filmabende, langfristig wolle man ein Kulturprojekt aufbauen. "Natürlich sind wir schon irgendwie links, wenn das heißt, dass wir einen antifaschistischen und antisexistischen Wagenplatz machen wollen."
Dass dies von der Polizei aber als Begründung dafür herangezogen werde, sie als "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" einzustufen, das sei "schon ganz schön schräg." Von einem "rechts- und polizeifreien Raum" könne keine Rede sein, "die Polizei kommt ja dauernd, und guckt, was wir machen", sagt Jan.
Auch den Vorwurf, sie würden sich nicht an einen befristeten Pachtvertrag halten, weisen die Wagenbewohner zurück: "Wir sind als Projekt schon auf der Suche nach einer längerfristigen Perspektive. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch einen Zwischennutzungsvertrag akzeptieren würden, wenn wir nichts anderes kriegen." Am Freitag ließen sich die Querlenker ihre Vereinsgründung notariell beglaubigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!