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Waffenstillstandsgespräche in NahostBlinken auf Rettungsmission

Trotz der US-Bemühungen scheint eine Einigung zwischen der Hamas und Israel kaum in Reichweite. Netanjahu liegt im Streit mit seinem Verhandlungsteam.

US-Außenminister Antony Blinken am Montag in Tel Aviv, wo er Israels Staatspräsident Isaac Herzog traf Foto: Kevin Mohatt/ap

Antony Blinken war schon auf dem Weg nach Israel, als sich sein diplomatischer Besuch für Gespräche über einen Waffenstillstand im Gazastreifen in eine Rettungsmission verwandelte. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ließ am Sonntag in der wöchentlichen Kabinettssitzung durchblicken, dass sein Land bei den wichtigsten Streitpunkten nicht zu Kompromissen bereit sei. „Ich möchte betonen, dass wir in Verhandlungen sind und nicht in einem Szenario, in dem wir immer weiter geben und geben“, erklärte er.

Die Hamas, die die optimistischen Einschätzungen der USA bereits am Wochenende als „Illusion“ bezeichnet hatte, reagierte postwendend. Man lehne den nach zwei Verhandlungstagen in Doha in der vergangenen Woche vorliegenden Vorschlag der USA ab. Dieser entspreche zu sehr den Positionen des israelischen Regierungschefs.

Nachdrücklich wies Blinken am Montag bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Jizchak Herzog auf die Bedeutung der Verhandlungen hin: Es sei „wahrscheinlich die beste, vielleicht die letzte Gelegenheit, die Geiseln nach Hause zu bringen, (und) eine Waffenruhe zu erzielen“, sagte er. Nach einem dreistündigen Treffen mit Netanjahu teilte dessen Büro mit, man unterstütze den US-Vorschlag, bestehe aber auf „Israels Sicherheitsbedürfnisse“.

Die Gespräche sollen ab Mittwoch oder Donnerstag in Kairo fortgesetzt werden. Bis auf einen mehrere Wochen dauernden Waffenstillstand Ende November verliefen bisher alle diplomatischen Anläufe für ein Ende der Kämpfe in Gaza ohne Erfolg. Angesichts der drohenden Ausweitung des Krieges auf die Region nach der gezielten Tötung von Hamas-Chef Ismael Hanijeh in Teheran – mutmaßlich durch Israel – ist ein Durchbruch bei den Gesprächen aber notwendiger denn je.

Im Juli hatten sich Israel und die Hamas prinzipiell auf ein dreistufiges Verfahren geeinigt. Dabei sollen in einer ersten Phase eine begrenzte Anzahl an Geiseln gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen getauscht werden sowie mehr humanitäre Hilfe in den Küstenstreifen gelangen. Bei zentralen Fragen aber sind die Konfliktparteien offenbar weit von einer Einigung entfernt.

Auf israelischer Seite bremst vor allem Ministerpräsident Netanjahu selbst. Einem Bericht des Senders KAN zufolge geriet er am Sonntag zum wiederholten Mal in Streit mit seinem Verhandlungsteam, das mehr Spielraum will. Geht es nach Netanjahu, soll die israelische Armee die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten behalten. Das sei neben anderen Punkten „fundamental für die Sicherheit Israels“. Dagegen steht die Einschätzung der Spitzen von Israels Armee und Geheimdiensten, die einen Rückzug für durchaus vertretbar halten. Sie warnen laut einem Bericht des israelischen Senders Kanal 12, ein Beharren in diesem Punkt mache eine Einigung unmöglich. Eine dauerhafte militärische Präsenz entlang der Grenze ist sowohl für die Hamas als auch für Ägypten eine rote Linie.

Laut der libanesischen Zeitung Al-Akhbar sieht der US-Vorschlag eine schrittweise Reduzierung der israelischen Soldaten entlang der Grenze vor, ohne aber einen Zeitpunkt für deren vollständigen Abzug festzusetzen. Im Gegenzug verpflichtet sich Ägypten, gegen Tunnel unter der Grenze vorzugehen.

Einen Streitpunkt könnte der US-Vorschlag lösen: Er sieht laut einem Bericht der Times of Israel keine von Netanjahu zuvor geforderten Checkpoints vor, an denen palästinensische Rückkehrer in den Norden des Küstenstreifens kontrolliert werden sollen. Ungeklärt bleibt weiter die Frage, welche palästinensischen Gefangenen im Falle eines Austausches freikommen könnten Vor allem aber lehnt Netanjahu ein Abkommen ab, das eine Wiederaufnahme der Kämpfe in Gaza ausschließt.

Innerhalb der israelischen Regierung hat sich Verteidigungsminister Joaw Gallant mehrfach kritisch zu den Positionen Netanjahus geäußert. Er forderte am Sonntag, die Beratungen zu den Verhandlungen künftig mit dem gesamten Kabinett abzuhalten. Sollten die Verhandlungen scheitern, seien die Konsequenzen laut Gallant so weitreichend, dass die gesamte Regierung darüber entscheiden müsse.

Die Hamas hatte sich an den Gesprächen in Doha vergangene Woche erst gar nicht beteiligt. Ihr Sprecher Sami Abu Suchri erklärte gegenüber der Washington Post, selbst wenn es zu einer Einigung käme, sei der derzeitige Vorschlag zu allgemein gehalten, um einen langfristigen Waffenstillstand zu garantieren. „Wieso sollten wir ein Abkommen abschließen, das nicht zu einem Ende des Krieges führt?“, zitiert ihn das Blatt.

Auch die Hamas setzt indes trotz der angespannten Verhandlungen auf Eskalation. Bei einer Explosion am Sonntag in Tel Aviv starb der mutmaßliche Attentäter. Ein Passant wurde verletzt. Die Al-Kassam-Brigaden, der militärische Arm der Hamas, und der Islamische Dschihad reklamierten den gescheiterten Anschlagsversuch für sich und kündigten an, künftig verstärkt auf solche Terrorangriffe zu setzen.

Anmerkung: Wir haben den Text um neue Informationen ergänzt.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Netanjahu will kein Ende des Krieges und hält sich vor jeder Zeit wieder Kämpfe zu beginnen. Wie ist das vereinbar mit der UN-Resolution, die in Phase zwei ein Ende des Krieges vorsieht? Die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor lag bei Ägypten, die auch ein Wörtchen mitzureden haben und es war für die Menschen in Gaza "a lifeline". "Many Gazans depend on the Rafah border crossing to survive. Since Israel imposed a land, sea and air blockade and an embargo on the Gaza Strip in 2007, movement in and out has been significantly restricted. Living conditions in the enclave have seriously deteriorated as a result." (France24). Wenn Israel die vollständige Kontrolle darüber übernimmt befürchten viele, dass die Blockade noch schlimmer wird. Zudem soll der neue Plan auch beinhalten, dass Israel weiterhin den Netzarim Korridor besetzt hält der Gaza in Nord und Süd teilt, dies entspricht ebenso nicht der UN-Resolution und würde de facto wieder Besatzung heißen.



    Gershon Baskin in The Guardian- These ceasefire talks have been doomed to fail: "Yet these negotiations make clear that Netanyahu has put his impossible goal of total victory before their (hostages) safe return."

  • „Wieso sollten wir ein Abkommen abschließen, das nicht zu einem Ende des Krieges führt?“, zitiert ihn das Blatt.



    Gute Frage!

    • @Des247:

      Das Beharren auf dem Abzug der IDF vom Philadelphi-Korridor entlarvt die wahren langfristigen Absichten der Hamas. Es könnte ihr egal sein, ob sie dort noch Tunnel bauen oder betreiben kann, wenn sie wirklich dauerhaft Frieden haben wollte. In Wirklichkeit plant sie schon für den nächsten Krieg.

      • @Winnetaz:

        Israel ist inzwischen hinlänglich bekannt dafür, willkürlich humanitäre Güter zu blockieren. Da ist es wenig verwunderlich, wenn der einzige Grenzübergang, der nicht auf israelisches Territorium führt, nicht unter Zugriff der israelischen Armee stehen soll.

  • "Die Hamas hatte sich an den Gesprächen in Doha vergangene Woche erst gar nicht beteiligt. Ihr Sprecher Sami Abu Suchri erklärte „Wieso sollten wir ein Abkommen abschließen, das nicht zu einem Ende des Krieges führt?“

    Es muss kein Abkommen sein, aber das Halten der Geiseln verstößt gegen Menschenrecht, ist ein Kriegsgräuel und der UN Weltsicherheitsrat hat genau dies von der Hamas gefordert. Die Hamas macht hier wieder Pick & Chose.

    Übrigens sind die Forderungen:

    "die israelische Armee die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten behalten"



    Nach den Schmuggel-Terror-Tunnel Funden nötig um eine Wiederbewaffnung der Hamas und Co zu verhindern. Sollten also Geiseln (wie im jetzigen Konzept) in Gaza in Phase 1 verbleiben, so ist nur verständlich, warum die IDF den Korridor weiter halten sollte. Für die Bewohner*innen Gazas sollte ja egal sein, ob es IDF oder Äygptens Zoll ist welcher die Grenze kontrolliert. Für die Hamas hingegen ist dies alles andere als egal.

    Übrigens fordere ich, dass die Grenze nach Ägypten für humanitäre Flüchtlinge aufgemacht wird. Es ist falsch 5000$ für eine Ausreise nach Ägypten zahlen zu müssen.