Waffenruhe im Jemen verlängert: Nochmal zwei Monate Schonfrist
Während der Waffenruhe ging die Gewalt zurück, andere Bedingungen wurden aber nicht erfüllt. In letzter Minute einigt man sich auf eine Verlängerung.
Die Waffenruhe war Anfang April für zunächst zwei Monate in Kraft getreten und dann im Juni verlängert worden. Zuvor hatte es seit 2016 keine Feuerpause mehr in dem Land gegeben. Die Zahl der getöteten Zivilisten ging seitdem zurück, ebenso die sonst regelmäßigen Angriffe der Huthis über die Grenze nach Saudi-Arabien mit Raketen und Drohnen. Zivilisten kamen aber weiterhin etwa durch Landminen ums Leben. Das Analyseprojekt ACLED zählte 300 Todesopfer und 1.700 Verstöße gegen die Waffenruhe seit deren Beginn.
Die Vereinbarung habe der notleidenden Bevölkerung einen Moment der „Ruhepause und Hoffnung“ geben, teilten 30 Hilfsorganisationen mit, darunter CARE, Oxfam und das International Rescue Committee. Dieser Fortschritt dürfe nicht verspielt werden. Die Konfliktparteien müssten den Menschen „erlauben, ihr Leben wieder herzustellen und aufzubauen“.
Im Rahmen der Vereinbarung legten mehr Schiffe als sonst am Hafen von Hudaida an und brachten dringend benötigten Treibstoff ins Land. Damit können etwa Krankenhäuser und Unternehmen besser und länger arbeiten. Durch eine Wiederaufnahme von kommerziellen Flügen konnten auch mehr als 8.000 Menschen zu medizinischer Behandlung oder privaten und geschäftlichen Zwecken aus der Hauptstadt Sanaa nach Kairo und Amman ausfliegen. Saudi-Arabien entließ außerdem angebliche Houthi-Kämpfer aus seinen Gefängnissen.
Straßen in die Stadt Taiz weiterhin geschlossen
Bei den neuen Verhandlungen soll es laut Grundberg weiterhin um diese Punkte gehen sowie um die seit langem umstrittene Zahlung von Gehältern an zivile Staatsangestellte in von Huthis kontrollierten Gegenden. Diese weigern sich bisher auch, einer erhofften Öffnung wichtiger Straßen um Taiz im Südwesten zuzustimmen.
US-Präsident Joe Biden und US-Außenminister Antony Blinken begrüßten die Verlängerung der Waffenruhe. Biden erklärte, dies sei ein wichtiger Schritt, um Leben zu retten. Auf lange Sicht sei es aber nicht genug. Blinken betonte, die USA setzten sich weiter für ein dauerhaftes, alle Seiten einbeziehendes Friedensabkommen in Jemen ein. Auch die EU begrüßte die Verlängerung der Waffenruhe und rief alle Parteien dazu auf, weiter mit Nachdruck an einer vollständigen Umsetzung zu arbeiten. Es müssten zusätzliche Schritte unternommen werden, um das Potenzial der Waffenruhe auszuschöpfen, sagte ein Sprecher des Außenbeauftragten Josep Borrell.
Im Jemen tobt seit mehr als sieben Jahren ein Bürgerkrieg, der das arme Land auf der Arabischen Halbinsel in eine humanitäre Katastrophe gestürzt hat. Mehr als 150.000 Menschen wurden getötet, darunter 14.000 Zivilisten. Saudi-Arabien kämpft dort mit Verbündeten seit 2015 gegen die Huthi-Rebellen, die weite Teile des Nordens beherrschen. Riad betrachtet sie als verlängerten Arm seines Erzfeinds Iran. Die UN und Hilfsorganisationen bemühen sich, rund 23 Millionen Menschen im Land zu versorgen, darunter 11 Millionen Kinder. Etwa 19 Millionen Menschen haben nicht genügend zu essen.
Alle Bemühungen um eine dauerhafte Lösung des Konflikts scheiterten bisher. Auch der Besuch von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien im Juli brachte keine Fortschritte. Die Huthi-Führung hatte Bidens Besuch scharf kritisiert. Die Rebellen hielten am Montag eine Militärparade ab und zeigten dabei Raketen, Panzerabwehrwaffen und Drohnen. Der Krieg werde sich noch verstärken, sagte Armeekommandeur Mahdi al-Maschat laut dem Rebellen-nahen Fernsehsender Al-Masirah. Es werde ein „Jahr des Sieges“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion