Berichte über Angriffe und Aufrüstungen: Jemen vor neuer Kriegsrunde

Sowohl die von Saudi-Arabien gestützte Regierung als auch die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen bereiten sich auf das Ende des Waffenstillstands vor.

Ein Mann steht auf und zwischen Trümmern vor einem ebenfalls zerstörten Auto.

Ein Jemenite in einem von Saudi-Arabien bombardierten Haus in Sanaa im Januar 2022 Foto: Foto: Hani Al-Ansi/dpa

SANAA taz | Seit dem 2. April besteht in Jemen zwischen der von Iran unterstützten Huthi-Rebellengruppe und der von Saudi-Arabien unterstützten Übergangsregierung ein Waffenstillstand. Vorgesehen sind darin die Freilassung aller Gefangenen aller Konfliktparteien, die Öffnung des internationalen Flughafens der Hauptstadt Sanaa für zivile und kommerzielle Flüge – die Stadt ist von den Huthis kontrolliert, die Regierung verhinderte daher den Flugverkehr – und die Wiederöffnung der Straßen zwischen Rebellen- und Regierungsgebiet.

Letzteres betrifft insbesondere Taiz – seit 2015 steht die Stadt unter der Blockade der Huthis – und den für die Versorgung des Huthi-Gebiets wichtigen Hafen Hodeidah am Roten Meer, den immer wieder vor allem saudische Kriegsschiffe blockieren.

Doch inzwischen sieht die Bilanz düster aus. Die international anerkannte Regierung gibt zwar an, alle Bedingungen der Waffenruhe erfüllt zu haben; so wurde der internationale Flughafen von Sanaa für zivile und kommerzielle Flüge geöffnet. Bisher verkehren aber nur wenige Flüge, die häufigste Route ist die nach Amman in Jordanien, wo ab Mai die Verhandlungen zwischen Huthis und Regierung stattgefunden hatten.

Die Hauptstraßen zwischen Rebellen- und Regierungsgebiet sind immer noch geschlossen, Taiz von der Außenwelt abgeschnitten. Dabei war die Öffnung der Straßen ein Hauptthema bei den Verhandlungen in Amman gewesen.

Streit um Öffnung von Straßen

In der ersten Verhandlungsrunde schlug die Huthi-Delegation vor, statt der Hauptstraßen – deren Öffnung sie kategorisch ablehnte – nur die Nebenstraßen nach Taiz zu öffnen. Die Regierungsdelegation lehnte das ab.

Abdal-Karim Shaiban, Leiter der Regierungsdelegation in den Verhandlungen, warnt nun vor einer Rückkehr zum Krieg. Er sagt: „Die Straße, die die Huthis angeboten haben zu öffnen, ist ungeeignet. Autos können sie nicht passieren. Das bedeutet die Fortsetzung der Belagerung. Dafür machen wir auch den UN-Gesandten Hans Grundberg verantwortlich.“

Wie Satellitenbilder zeigen, haben die Huthis seit Anfang des Jahres die Anzahl der Erdbarrieren, die die Hauptstraße zwischen der Stadt Taiz und dem Hawban-Bezirk unterbrechen, verdoppelt. Nadir Abdullah, der im Hawban-Gebiet lebt, sagt: „Ein paar Tage nach der Ankündigung des Waffenstillstands haben Leute, die mit den Huthis verbunden sind, Minen auf der Hauptstraße platziert, die nach dem Waffenstillstandsabkommen geöffnet hätte werden sollen.“

Am 26. Juni verkündeten die Huthis das Scheitern der Verhandlungen in Jordanien. Danach bemühte sie sich um die Mobilisierung und die Versorgung ihrer Fronten mit Kämpfern und Waffen.

Gegenseitige Drohungen

Am 4. Juli drohte Hussein al-Ezzi, stellvertretender Außenminister der Huthi-Regierung, auf Twitter mit der militärischen Erstürmung des Gouvernements Marib östlich von Sanaa, das von der Regierung gehalten wird.

Viele Jemeniten werten das als Zeichen für die Rückkehr des Krieges und das Ende des Waffenstillstandes. Bei einem Treffen mit den Armeeführern im Gouvernement Taiz rief Brigadegeneral Tariq Saleh, Stellvertreter im Präsidentenrat der international anerkannten Regierung, dazu auf, die Kampfbereitschaft der Streitkräfte zu erhöhen und sich auf jede Verletzung des Waffenstillstands durch die Huthis vorzubereiten.

Karte vom Jemen mit den Regionen, welche die Regierung und die Huthi-Rebellen jeweils kontrollieren.

Foto: infotext

Mosleh Mohammed, pen­sio­nierter Generalmajor der jemenitischen Armee, sieht den Waffenstillstand skeptisch. Er sei nur die Gelegenheit für die Kriegsparteien, ihre Reihen zu ordnen und ihre Pläne für die Wiederaufnahme der militärischen Operationen zu prüfen.

„Der Waffenstillstand kann nicht zu einer endgültigen Lösung führen, denn Saudi-Arabien wird die Präsenz pro-iranischer Milizen an seinen südlichen Grenzen nicht zulassen“, sagt er.

Gegenseitige Beschuldigungen

Auch die Huthis würden versuchen, die Kämpfe wieder aufzunehmen. Der Waffenstillstand, meint er, sei nur deshalb zustande gekommen, weil die internationalen Akteure mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt seien.

Shawqi al-Qadi, Mitglied des jemenitischen Parlaments, sagt: „Die Fortsetzung des Waffenstillstands bedeutet, dass die Huthi-Gruppe eine De-facto-Behörde bleibt, welche die von ihr kontrollierten Gebiete kontrolliert.“ Das bedeute, dass der Krieg fortbestehe.

Die Huthis geben die Anschuldigungen zurück. Am 6. Juli beschuldigte der Oberste Politische Rat, die höchste Instanz der Huthi-Regierung, die Koalitions- und Regierungstruppen, die Bedingungen des Waffenstillstands nicht einzuhalten. Die Regierungsseite behindere die Öffnung von Straßen nach Taiz. Er kündigte eine einseitige Initiative zur Öffnung einer Nebenstraße an, die sogenannte Sixty Street Road.

Dazu sagt Abdullah al-Mamari, Journalist und Menschenrechtsaktivist in Taiz: „Die Motive der Huthis sind militärisch, nicht humanitär. Diese Straße hat keine direkte Verbindung zur Stadt. Die Straße führt an einem Luftverteidigungslager vorbei, ich denke, dass die Huthis das kontrollieren wollen.“ Dass sie ausgerechnet jetzt ankündigten, diese Straße zu öffnen, sei außerdem ein Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen, indem man auf die Forderung ein wenig eingehe.

Angriffe, neue Befestigungen und Truppenverstärkungen

Vor dem UN-Sicherheitsrat erläuterte Grundberg am vergangenen Montag, man erhalte Berichte von beiden Seiten über Beschuss, Drohnenangriffe, Aufklärungsüberflüge, Truppenverstärkungen und die Errichtung neuer Befestigungen.

„In den letzten Wochen haben wir eine besorgniserregende, eskalierende Rhetorik der Parteien erlebt, die den Nutzen der Waffenruhe infrage stellt“, sagte er und warnte, die Alternative zum Waffenstillstand sei eine Rückkehr zum Krieg „mit allen vorhersehbaren Folgen für die jemenitische Zivilbevölkerung und die regionale Sicherheit“.

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