Waffenfirma Heckler & Koch: Arbeitsgericht vereitelt Bauernopfer
Heckler & Koch droht eine Anklage wegen illegaler Exporte nach Mexiko. Eine Gewehrlieferung fand mit Wissen der Firmenleitung statt, urteilt ein Richter.
VILLINGEN taz | Die Unternehmensleitung von Heckler & Koch (H&K) hat von illegalen Waffenexporten gewusst. Das lässt sich aus einem Urteil schließen, das am Mittwoch vom Arbeitsgericht Villingen/Schwenningen gefällt wurde. H&K hatte im vergangenen April zwei Mitarbeiter entlassen, weil sie „eigenmächtig, ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen“ Waffenlieferungen in nicht genehmigte mexikanische Bundesstaaten veranlasst haben sollen.
Die beiden hatten diesen Vorwurf zurückgewiesen und gegen die Entlassung geklagt. Das Gericht erklärte die Kündigung nun für rechtswidrig.
Für die Geschäftsführung hat das Urteil weitreichende Konsequenzen. Denn die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der illegalen Ausfuhr der Sturmgewehre gegen die Waffenbauer. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz.
Die geschassten Mitarbeiter brachten mit ihren Aussagen ans Licht, mit welchen Methoden das umstrittene Geschäft abgewickelt wurde: Demnach hat ein Handelsvertreter der Firma in Mexiko Papiere geschönt, die den rechtlich einwandfreien Verbleib der G36-Gewehre gegenüber dem Bundesausfuhramt (Bafa) belegen sollen.
„Schäbiger Versuch der Geschäftsführung“
De facto wurden die Gewehre nach Chiapas geliefert, wie das mexikanische Verteidigungsministerium bestätigte, auf dem Papier landeten sie in einer anderen, als unbedenklich eingestuften Region. Dass solches Vorgehen ohne Wissen der Geschäftsführung vor sich ging, bezweifelte der Arbeitsrichter Matthias Mohn. Es lägen E-Mails vor, die zeigten, dass Vorgesetzte bis in die Leitung des Unternehmens mit dem Fall betraut gewesen seien.
Für den Rüstungskritiker Jürgen Grässlin sind die Gekündigten Bauernopfer der Konzernleitung, um von der eigenen Schuld abzulenken. Die Geschäftsführung habe jede Reiseabrechnung unterzeichnen müssen und genau gewusst, wohin ihre Exportwaffen gegangen seien, sagte Grässlin, der die Strafanzeige gegen H&K erstattet hat. Dessen Anwalt Holger Rothbauer zeigte sich nach dem gestrigen Richterspruch erfreut: „Der schäbige Versuch der Geschäftsführung, die Verantwortung auf die Kleinen im Unternehmen abzuwälzen, ist gescheitert.“ Das Urteil mache eine Anklageerhebung wegen des illegalen Rüstungsdeals noch wahrscheinlicher.
Von Heckler & Koch hieß es nur: „Aufgrund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung hat uns das Urteil nicht erstaunt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat