Waffenexporte von Heckler & Koch: Blutige Geschäfte

Heckler & Koch lieferte illegal Waffen nach Mexiko, zwei Angestellte wurden verurteilt. Am Donnerstag geht der Fall vor den Bundesgerichtshof.

Waffenatrape und mit Kunstblut versehene Kleidung liegen am rande einer Protestaktion auf der Straße

Stuttgart, Mai 2018: Protestaktion gegen illegale Waffenexporten Foto: Sina Schuldt/dpa

OAXACA taz | Die Entscheidung des Stuttgarter Landgerichts klang beeindruckend: Wegen „bandenmäßiger Ausfuhr“ von Waffen nach Mexiko verurteilte die Wirtschaftskammer zwei ehemalige Angestellte des Unternehmens Heckler & Koch (H & K) zu Haftstrafen auf Bewährung. Die Waffenschmiede selbst soll einen Millionenbetrag entrichten. Es bestehe kein Zweifel, dass die Firma Tausende Sturmgewehre illegal in das Land geliefert hatte, zahlreiche Zeugen und Urteile bewiesen das, urteilten die Richter im Februar 2019.

Doch keiner der Prozessbeteiligten gab sich mit dem Urteil zufrieden. Die Verurteilten akzeptieren ihre Strafe nicht und H & K ist nicht bereit, die 3,7 Millionen Euro zu zahlen, die der Waffenbauer mit dem Deal verdient hatte.

Die Staatsanwaltschaft will die Angeklagten hinter Gittern sehen. Auch soll nicht nur das Außenwirtschafts-, sondern auch das schärfere Kriegswaffenkontrollgesetz zur Geltung kommen. Alle gingen in Revision. Deshalb beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag mit dem Export der G36-Gewehre.

Zwischen 2006 und 2009 wurden nach Angaben des mexikanischen Verteidigungsministeriums (Sedena) 4.796 der insgesamt 9.652 in das Land exportierten G36-Sturmgewehre in vier Bundesstaaten geliefert, für die wegen schlechter Menschenrechtslage keine Genehmigung seitens die Exportbehörde bestand.

Was gilt?

Um das zu verschleiern, hatten H & K-Mitarbeiter die für eine Ausfuhr von Rüstungsgütern nötigen „Endverbleibserklärungen“ (EVE) so manipuliert, dass die „verbotenen Regionen“ nicht auftauchten. Daran ließ das Landgericht keine Zweifel, bezeichnete aber die Dokumente selbst als rechtlich nicht bindend.

Dieses Urteil hat Rüstungskritiker verwundert. Schließlich galten die Dokumente der Regierung bislang als Garant dafür, dass ausgeführte Waffen nicht in die falschen Hände gerieten. Das Rüstungsunternehmen muss die EVE vom Kunden einfordern und bei der Ausfuhrbehörde einreichen, um eine Genehmigung zu erlangen.

„Sollte der BGH nun dem Stuttgarter Gericht folgen, entpuppen sich Abertausende von Exportgenehmigungen deutscher Kontrollbehörden im Nachhinein als Barbiturat fürs Volk“, erklärt Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der die Ermittlungen gegen H & K mit dem Anwalt Holger Rothbauer durch eine Anzeige 2010 ins Rollen gebracht hat.

Die Stuttgarter Entscheidung stellt also eine Praxis infrage, mit der die Bundesregierung bisher heikle Waffenexporte legitimiert. Nachdem die G36-Gewehre im September 2014 bei einem Angriff von Polizisten und Kriminellen auf Studenten in der mexikanischen Stadt Iguala eingesetzt wurden, versprach der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sogar, verbindlicher zu kontrollieren, wo die gefährlichen Güter landen. „Endlich können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib der Waffen machen, vor Ort geprüft werden“, sagte er.

Weitere Ermittlungen in Mexico könnten möglich werden

Sollte der BGH dem Landgericht recht geben, wäre das ein Schritt in die genaue Gegenrichtung. Es könnte aber auch anders kommen. Anwalt Rothbauer: „Es wäre ein großer Erfolg, wenn das BGH die Verbindlichkeit der Endverbleibserklärungen bestätigen und trotzdem den Etikettenschwindel mit ihnen als völlig untaugliches Mittel der Rüstungsexportkontrolle bezeichnen würde.“

Tatsächlich hatte in Mexiko nie ein deutscher Beamter nachgeschaut, was mit den Gewehren passiert. Sonst hätte man feststellen können, dass mindestens 38 der Waffen im Polizeirevier von Iguala im nicht genehmigten Bundesstaat Guerrero gelandet sind. Die Gewehre tauchten nicht in der EVE auf, weil der damalige H & K-Repräsentant in Mexiko die Erklärungen laut Zeugenaussagen mit einem Sedena-General, dem Kunden, gefälscht hatte.

Das Verfahren des H-&-K-Vertreters wurde ausgeklammert, da er nicht vor Gericht erschien. Die Stuttgarter Richter verurteilten einen Verkaufsleiter zu 22 Monaten Haft auf Bewährung und 80.000 Euro Strafe sowie eine Sachbearbeiterin zu 17 Monaten auf Bewährung und 250 Stunden Sozialdienst. Drei Angeklagte wurden freigesprochen, unter ihnen der Ex-H & K-Geschäftsführer Peter Beyerle, der zuvor Landesgerichtspräsident im Kreis Rottweil war.

Prozessbeobachter waren verwundert, dass die Staatsanwaltschaft den Freispruch hinnahm. „Man muss sich schon fragen, wie es dazu kam, dass ein Staatsanwalt plötzlich von einer Revision absieht, obwohl er nur kurz zuvor überzeugend in seinem Plädoyer darlegt, dass Beyerle in das kriminelle Vorgehen der Bande in seinem Geschäftsbereich bei H & K involviert war“, kritisiert Anwalt Rothbauer.

Zivilgesellschaftliche Organisationen weisen in einer Stellungnahme darauf hin, dass der BGH diesen Aspekt erneut beleuchten könne. „Die Führungsebene mit klarer Zuständigkeit für die Ausfuhr und steten Kontakten in die betroffenen Ministerien darf nicht einfach aus der Verantwortung entlassen werden“, so Anwalt Christian Schliemann-Radbruch vom Menschenrechtszentrum ECCHR.

In Mexiko hofft man, dass ein BGH-Urteil helfen kann, weitere Verantwortliche strafrechtlich zu verfolgen. „Hier gibt es nach Angaben der Sedena keine Ermittlungen gegen den General, der mutmaßlich für die illegalen Lieferungen verantwortlich war“, kritisiert Sofia de Robina von der Menschenrechtsorganisation Centro ProDH. Gerade weil in dem Land die Streitkräfte eine immer größere Rolle spielten, müsse geklärt werden, welche Verantwortung der hochrangige Militär trage.

De Robina begleitet die Angehörigen der Opfer des Angriffs in Iguala. Sechs Menschen starben damals, 43 Studenten wurden verschleppt und vermutlich getötet. Ein Mann liegt bis heute im Koma. Er wurde von einer Kugel getroffen, die höchstwahrscheinlich aus einer G36 abgefeuert wurde. Friedensaktivist Grässlin hält es für gerechtfertigt, dass H & K die durch den Deal verdienten 3,7 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen soll. Wann die Richter ihr Urteil fällen, ist noch unklar.

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