Waffenbesitz in der rechten Szene: Ausgetrickste Behörden
Rechtsextreme nutzen das Unwissen von Behörden, um an Waffenscheine zu kommen. Wo rechte Waffenbesitzer*innen leben, hat „Correctiv“ recherchiert.
![Beweismittel in Form von Waffen, die bei einem SEK-Einsatz in Boxberg sichergestellt wurden, liegen eingepackt in Plastikfolie auf einem Tisch im Polizeipräsidium Heilbronn. Beweismittel in Form von Waffen, die bei einem SEK-Einsatz in Boxberg sichergestellt wurden, liegen eingepackt in Plastikfolie auf einem Tisch im Polizeipräsidium Heilbronn.](https://taz.de/picture/6519859/14/382225667-1.jpeg)
E in Hamburger Waffenbesitzer fiel zuerst dem Landeskriminalamt Bayern auf: In Messenger-Gruppen hatte der 51-Jährige ikonenhafte Adolf-Hitler-Bilder verbreitet. Die Hamburger Behörden übernahmen.
Das Landeskriminalamt an der Elbe stellte bei der Wohnungsdurchsuchung in Eidelstedt Ende August knapp 40 Kurz- und Langwaffen, 10.000 Schuss Munition und Handgranaten sicher. Das Spezialeinsatzkommando war mit angerückt. Denn den Behörden war bekannt, dass der Hamburger als Jäger legal Waffen besitzen darf. Er ist nicht der einzige Rechte im Norden mit staatlicher Waffenerlaubnis.
In Hamburg haben 15 Rechtsextreme die Erlaubnis, eine Waffe zu besitzen, berichtete das Rechercheteam „Correctiv“. Es hatte bei allen Innenministerien der Länder danach gefragt. Im Norden ist Mecklenburg-Vorpommern mit 121 bewaffneten Rechtsextremen auf Platz zwei der Bundesstatistik weit vorn. In Schleswig-Holstein haben 44 Rechtsextreme genehmigte Waffen und in Niedersachsen 22. Rechtsextreme in Bremen sollen keine legalen Waffen besitzen.
In den vergangenen Jahren haben die Behörden begonnen, den bei ihnen bekannten Rechtsextremen und Reichsbürger:innen die Waffenerlaubnis zu entziehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bemüht sich derweil um eine Verschärfung des Waffenrechts.
Das Problem ist derzeit: Rechtsextreme gelten zwar als waffenrechtlich unzuverlässig, doch um ihnen eine zuvor erteilte Waffenerlaubnis wieder zu entziehen, müssen Hinweise vorliegen, dass sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung stellen. Rechtsextrem zu sein, reicht nicht. Bei Verdacht müssen die Waffenbehörden ein Verfahren einleiten, in welchem der Betroffene Widerspruch einlegen kann.
Zugang als Sportschütze oder Jäger
Um eine Waffenerlaubnis zu erhalten, bemühen sich Rechtsextreme auch, Sportschütze oder Jäger zu werden. Die Waffenbehörden wissen oft gar nicht, wenn Rechtsextreme eine Waffe beantragen oder schon beziehen konnten. Denn der Verfassungsschutz meldet nicht jeden, der rechtsextrem ist, an diese Behörden weiter. Der Schutz von V-Leuten kann der Grund sein. Auf das Nichtwissen, wer genau da Jäger werden will, hoffen Rechtsextreme.
Ein Trick: Sie melden sich nicht in der Nähe ihres Wohnortes zu den nötigen Prüfungen an. Sven Krüger, der seit Jahrzehnten eine Größe in der mecklenburg-vorpommerschen Szene ist, durfte am 24. Februar in Stralsund eine Jagdprüfung ablegen. 160 Kilometer Luftlinie von seinem Wohnort Jamel genügten, um nicht erkannt zu werden.
In Jamel gelang es dem Ex-Hammerskin-Anführer und -NPD-Mandatsträger, Gesinnungskameraden:innen anzusiedeln. Heute ist der Abrissunternehmer für die „Wählergemeinschaft Heimat“ Gemeinderatsmitglied in Gägelow. Ganz legal könnte der auch wegen illegalen Waffenbesitzes Verurteilte nun Gewehre und Pistolen beziehen.
Der Sachverständige für Waffen, Lars Winkelsdorf, der an der „Correctiv“-Recherche mitwirkte, warnt auch vor illegaler Bewaffnung. Nach dem Krieg in Ex-Jugoslawien konnten massenhaft Waffen illegal bezogen werden, so Winkelsdorf. Nach einem möglichen Ende des Ukrainekrieges erwartet er, dass erneut massenhaft Waffen in Umlauf kommen.
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