Vulkanausbruch im Kongo: Flammen über der Millionenstadt
Der Nyiragongo im Osten der Demokratischen Republik Kongo stieß am Samstagabend Lava aus. Nur knapp wird die Metropole Goma verschont.
Die Lavaströme aus dem Krater, der zwanzig Kilometer von Goma entfernt ist, wälzten sich am nördlichen Stadtrand quer über die Fernstraße, die aus Goma nach Norden führt, in Richtung ruandische Grenze. In den nördlichen Vororten Gomas, die formell zum Nachbardistrikt Nyairagongo gehören, kam es zu Zerstörungen. Zahlreiche Hütten, etwa in Buhene, wurden von Lavamassen verschüttet oder gingen in Flammen auf.
Die Stadt selbst blieb verschont und von Toten oder Verletzten ist nichts bekannt. Die Bevölkerung Gomas, die den ständig aktiven Vulkan jeden Tag am Horizont vor Augen hat und dessen Launen gut einzuschätzen weiß, traf sofort Sicherheitsvorkehrungen, als gegen 19 Uhr am Samstagabend Flammen aus dem Krater loderten, wo sonst lediglich Rauch aufsteigt.
Mehrere tausend Menschen machten sich zu Fuß oder motorisiert mit Sack und Pack auf den Weg Richtung Ruanda. Goma liegt direkt an der Grenze und geht faktisch direkt in die ruandische Nachbarstadt Gisenyi über, getrennt nur durch einen Grenzstreifen. Nach einigen Stunden öffneten Ruandas Behörden die Schlagbäume und über 3.000 Menschen strömten nach Gisenyi.
Provinzhauptstadt Goma laut UN-Mission nicht in Gefahr
Weitere Zehntausende verließen Gomas nördliche und westliche Außenviertel, die näher am Vulkan liegen, in die andere Richtung, tiefer in den Kongo hinein. Sie folgten damit einer Aufforderung der kongolesischen Behörden, als diese am späten Abend die Aktivierung des bestehenden Evakuierungsplans für Goma anordneten.
Diese Flucht in Richtung der Kleinstadt Sake verlief weitaus chaotischer. Bei einem Unfall im westlichen Viertel Ndosho auf der unbeleuchteten Straße gab es in der Nacht fünf Tote, als ein mit Fliehenden beladener Lastwagen mitten in der Menschenmenge von der Straße abkam und umkippte. In der Nacht setzte Regen ein, Zehntausende von Menschen mussten im Freien ausharren.
Befürchtungen und Gerüchte, es würden sich weitere Risse im Vulkan öffnen und weitere Ausbrüche direkt nach Goma hinein leiten, bestätigten sich bisher nicht. Die UN-Mission im Kongo (Monusco) berichtete am späten Samstagabend nach Aufklärungsflügen, dass die Stadt wohl nicht in Gefahr sei. Sie evakuierte aber mehrere ihrer Flugzeuge vom Flughafen von Goma, der bei einer Ausweitung des Ausbruches in Gefahr geraten wäre.
Am Sonntagmorgen kehrten erste Vulkanflüchtlinge wieder zurück, um nach dem Rechten zu schauen und ihre Häuser nicht im Stich zu lassen. Auf Videos ist zu sehen, wie Gruppen von Menschen auf den noch nicht vollständig erkalteten Lavamassen am Stadtrand herumklettern, aus denen hier und da Reste von Häusern herausragen. Berichten zufolge waren an mehreren Stellen Erdbeben zu spüren, was darauf hindeutet, dass der Vulkan noch nicht wieder zur Ruhe gekommen ist.
Kongos Präsident bricht Europareise ab
Kongos Präsident Félix Tshisekedi brach seine Europareise ab und verkündete in der Nacht zum Sonntag, er kehre nach Kongo zurück. Der Umgang mit dem Vulkanausbruch und seinen Folgen ist eine Bewährungsprobe auch für die neuen Militärbehörden, die die Provinz Nord-Kivu mit Goma als Provinzhauptstadt seit der Verhängung des Kriegsrechts Anfang Mai regieren.
Sie sollen eigentlich mit harten Maßnahmen und Militäroffensiven die Region von bewaffneten Gruppen säubern. Jetzt macht der Vulkan allen klar, dass die Natur hier die größte Feuerkraft hat.
Kleinere Ausbrüche des Nyiragongo, die meist auf der Goma abgewandten Seite des Vulkans stattfinden und Lava in menschenleere Landstriche des Virunga-Nationalparks strömen lassen, sind relativ häufig. Der letzte große Ausbruch des Vulkans hatte aber im Januar 2002 Goma zu großen Teilen zerstört und die Topographie der Stadt, damals noch Kongos Rebellenhauptstadt, fundamental verändert.
Alles, was heute im Stadtzentrum von Goma an modernen Gebäuden zu sehen, entstand nach 2002 – vieles davon auf den neuen Lavamassen, die das alte Stadtzentrum unter sich begraben und sich bis in den Kivusee heruntergewälzt hatten. Auf einer damals neu entstandenen Landzunge aus Lavagestein im See steht heute Gomas teuerstes Luxushotel.
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